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Südsudan: Zivile Hilfe statt deutscher Soldaten!

Rede von Jan van Aken,

Bundesregierung peitscht völkerrechtlich bedenkliches Bundeswehrmandat durch das Parlament.


Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

In drei Tagen wird in Afrika ein neues Land entstehen, der Südsudan. Schon bevor es dieses Land überhaupt gibt, wollen Sie hier entscheiden, dahin deutsche Soldaten zu schicken; das muss man sich mal vorstellen.


(Philipp Mißfelder (CDU/CSU): Herr van Aken, hören Sie mal auf! Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Soldaten sind schon da!)


Selbst der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat noch keine Entscheidung über eine Militärmission getroffen. Er wird das allerfrühestens am Freitagabend entscheiden. Das heißt, Sie wollen deutsche Soldaten in einen Einsatz schicken, von dem weder klar ist, was das Ziel ist, noch klar ist, wer der Gegner ist und was genau in diesem Einsatz passieren soll.


(Philipp Mißfelder (CDU/CSU): Die sind ja schon im Einsatz!)

Das hören wir hier die ganze Zeit heraus.
Herr Westerwelle, Sie haben eben etwas Schönes gesagt. Sie haben gesagt, das sei kein Vorratsbeschluss. Den Beschluss habe man ordentlich beraten und darüber abgestimmt. Das stimmt überhaupt nicht. Es ist ein unbestimmter Vorratsbeschluss, der hier unordentlich beraten und über den in aller Hektik unordentlich abgestimmt wird, und das nur, damit Sie in Ihren Sommerurlaub fahren können.


(Beifall bei der LINKEN)

Herr Westerwelle, Sie wissen genauso gut wie ich, was sich bei den Vereinten Nationen in letzter Sekunde noch ändern kann. Erinnern Sie sich an Libyen. Noch einen Tag vor dem Libyen-Entscheid hätten wir beide Stein und Bein geschworen, dass es nicht zu einem Kriegseinsatz in Libyen kommt, und schwuppdiwupp, in 24 Stunden, hat sich alles geändert. Auch das kann Ihnen hier beim Südsudan passieren. Deswegen ist es unerträglich, dass Sie einen Vorratsbeschluss fassen wollen, bei dem noch nicht mal klar ist, wie viele Soldaten dorthin geschickt werden sollen, ob der Nordsudan zustimmt, ob es überhaupt eine Grenzmission geben wird oder nicht. All das ist unklar, und Sie wollen deutsche Soldaten in diese Unklarheit schicken. Da machen wir nicht mit.


(Beifall bei der LINKEN)

Ich muss die ganze Zeit daran denken, was Herr Mißfelder von der CDU hier letzte Woche gesagt hat. Er hat nämlich gesagt: Wir debattieren hier jeden Einsatz sehr gewissenhaft und mit großer Akribie.

(Philipp Mißfelder (CDU/CSU): Machen wir auch! Gut, dass Sie sich daran erinnern!)

Jetzt peitschen Sie das durch einen unordentlichen Beschluss durch und schicken Soldaten ins Ungewisse. Das kann nicht wahr sein.

(Beifall bei der LINKEN Johannes Selle (CDU/CSU): Die sind schon da!)

Die große Frage ist natürlich: Was soll dieser Einsatz überhaupt? Es gibt viele Dinge, auch in dem Entwurf des Sicherheitsrates, die ich sehr gut finde. Zum Beispiel Minenräumen, Demilitarisierung, Demobilisierung finden wir sehr gut.

(Philipp Mißfelder (CDU/CSU): Dann stimmen Sie doch zu!)

Einen Verfassungsprozess zu unterstützen, finden wir sehr gut. Aber was sollen die Soldaten da?
Die SPD hat gerade gesagt: Die Zustimmung ist unser Zeichen, dass wir den Sudan ernst und wichtig nehmen und unterstützen. Das ist doch wohl lachhaft. Wissen Sie was, wir waren vor Ort und haben mit vielen Menschen im Norden wie im Süden gesprochen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Nur nicht mit Soldaten!)

Viele der zum Teil gewalttätigen Konflikte sind lokaler Art. Es gab sehr gute Projekte, auch der Bundesrepublik Deutschland. Zivile Konfliktbearbeiter haben es in Süd-Kurdufan über Jahre geschafft, lokale Konflikte zu entschärfen, bevor sie zu Gewaltkonflikten wurden. Und was macht der Außenminister? Er zieht sie ab. Das Geld wird gestrichen. Dafür werden Soldaten geschickt. Wenn Sie dem Sudan wirklich zeigen wollen, dass Sie ihn und seine Probleme ernst nehmen, dann schicken Sie zivile Konfliktbearbeiter dorthin und keine Soldaten.

(Beifall bei der LINKEN)

Die ganz große Frage ist natürlich: Wie ist eigentlich Ihr Verhältnis zur südsudanesischen Armee? Alle Menschen, mit denen wir im Südsudan gesprochen haben, auch die bei der UNO für den Sudan zuständigen Experten, haben gesagt, die SPLA, die südsudanesische Armee, ist ein großer Teil des Problems. Sie plündert, sie mordet, und das alles willkürlich und straffrei. Das ist bekannt. Sogar im Entwurf für das Mandat des Sicherheitsrates steht wörtlich etwas über Menschenrechtsverletzungen durch südsudanesische Sicherheitskräfte. Selbst in diesem Mandat steht es. Das Problem ist bekannt.
Gleichzeitig wollen Sie hier aber beschließen, dass Bundeswehrsoldaten an der Seite der südsudanesischen Armee kämpfen sollen. Wie, bitte sehr, sollen die Bundeswehrsoldaten Zivilisten schützen, wenn die Zivilisten von den Südsudanesen selbst bedroht werden, sie aber an deren Seite kämpfen? Diesen Widerspruch können Sie nicht auflösen. Dort können Sie doch keine deutschen Soldaten hinschicken, die gar nicht wissen, ob sie gegen die südsudanesische Armee oder an deren Seite kämpfen sollten und wen sie da eigentlich schützen sollen. Das ist der große Webfehler dieses Mandats, und deswegen sind wir absolut gegen jeden Einsatz von deutschen Bundeswehrsoldaten im Rahmen dieses Mandats.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Deutschland keine Waffen mehr exportieren wollte, nirgendwohin. Jetzt hätten Sie im Südsudan doch die Chance, ein paar von den Waffen, die Sie in den letzten Jahrzehnten verkauft haben, wieder einzusammeln. Konzentrieren Sie sich auf Demobilisierung und Demilitarisierung! Das wäre ein guter Start.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN Zuruf von der SPD: Hauptsache, das Weltbild stimmt wieder!)