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Streichung des Begriffes „Rasse“ aus der deutschen Rechtsordnung und internationalen Dokumenten

Rede von Halina Wawzyniak,

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Frau Präsidentin,

Die Versuche, Menschen in Rassen zu unterscheiden, gehen bis ins 17. Jahrhundert zurück. Im 18. Jahrhundert unterteilte der Philosoph Christoph Meiners die Menschheit in die schöne weiße und die hässliche dunkle Rasse.

Der biologisch-wissenschaftliche Begriff „Rasse“ jedoch ist ein rechtes Kind des 19. Jahrhunderts. Er ist das Geistesprodukt der Sozialstatistik, Phrenologie, Physiognomik, Anthropologie und später der Eugenik. Allesamt modische- oder auch zum Teil Pseudowissenschaften dieser Zeit.

Der Begriff „Rasse“ - angewendet auf Menschen - beinhaltet die Idee, dass diese sich nach optischen Kriterien wie Hautfarbe, Knochen, Winkel, Größen, später Gene, biologisch in Gruppen klassifizieren lassen. Eine der Hauptstützen moderner Rassentheorien wurde das Konzept des Sozialdarwinismus. Aus der Klassifizierung folgte die Hierarchisierung und von da waren es nur noch kleine Schritte hin zur Diskriminierung, Misshandlung, zur Sanktionierung von Vernichtungsfeldzügen gegen Menschen, die anders aussehen, sprechen, eine andere Kultur haben, andere Sitten pflegen.

Lange, bevor das Hitlerregime die Macht übernahm, hatten zahlreiche Rassefanatiker Thesen propagiert, die auf Völkermord abzielten. Aber erst die Nationalsozialisten setzten die Übermensch-Fantasien, die Rassetheorien, die sozialdarwinistischen Leitvorstellungen und den immer stärker gewordenen Rassismus, der sich mit dem Antisemitismus verband, in eine unvergleichlich grausame Praxis um.

Vor dem Hintergrund dieser Geschichte und in Kenntnis dessen, dass der Begriff „Rasse“- bezogen auf Menschen - längst wissenschaftlich widerlegt, historisch überholt und ideologische extrem belastet ist, gehe ich davon aus, dass unser Antrag, diesen Begriff aus der Rechtsordnung und allen internationalen Dokumenten zu streichen, die Zustimmung aller Bundestagsabgeordneten finden wird.

Wir beziehen uns mit diesem Antrag auf die Anti-Rassismus-Richtlinie 2000/43 EG und darauf, dass auf Initiative der UNESCO bereits 1995 eine Erklärung beschlossen wurde, sich ganz vom Rassebegriff zu verabschieden. Andere Staaten sind der damit verbundenen Aufforderung, auf die Verwendung des Begriffs „Rasse“ zu verzichten längst nachgekommen.

In Deutschland steht er noch immer in vielen Gesetzestexten, zum Beispiel im Grundgesetz, Artikel 3 Absatz 3 Satz 1, wo es heißt: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.

Es ist nicht zeitgemäß, nicht angemessen und beschämend zugleich, dass wir in unserer Verfassung weiterhin vom Vorhandensein verschiedener menschlicher Rassen ausgehen. Sprache ist verräterisch. Im Schlechten, wie im Guten. Wir stehen in der Pflicht, im geschriebenen und gesprochenen Wort zu verraten, dass wir die richtigen Lehren aus der Geschichte gezogen haben.
Der Vorschlag meiner Fraktion lautet, den Begriff „Rasse“ durch die Formulierung „ethnische, soziale und territoriale Herkunft“ zu ersetzen. Die ist zwar länger als ein Wort, aber so viel Zeit muss und sollte ab jetzt immer sein.