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Strahlendes Wasser

Rede von Eva Bulling-Schröter,

Tagespunkt 21a) Rückholung des Atommülls aus der Asse beschleunigen > Drucksache 17/8497 < b) Beteiligung der Energiekonzerne an den Kosten für das Atommülllager Asse> Drucksachen 17/1599, 17/4487 Drucksachen 17/8351, 17/8588

Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE):

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin!

Ich habe das Geschenk, das ich im Umweltausschuss dabei hatte, auch jetzt mitgebracht. Dieses Geschenk haben uns Bürgerinitiativen im September letzten Jahres, als wir bei der Asse waren, gegeben. Es handelt sich um Asse-Wasser; dies ist natürlich nur symbolisch. Ich lese Ihnen einmal vor, was auf der Wasserflasche steht: Strahlendes Wasser aus der Region für die Region. Nach Flutung des Atommülllagers Asse II bald auch in ihren Gewässern. Inhalt: Radioaktivität aus Kernkraftwerksanlagen von Eon, RWE, EnBW und Vattenfall 67 Prozent, aus Kernforschung 23 Prozent, aus kerntechnischer Industrie 8 Prozent, sonstiger Strahlungsmüll 2 Prozent.
(Zuruf von der FDP: Stellen Sie es schnell weg!)

Dies zeigt, welche Probleme die Menschen vor Ort haben und welche Ängste sie plagen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

In der Asse lagern 126 000 Fässer Atommüll, davon 1 293 Fässer mittelradioaktiver Müll - er stammt größtenteils aus der Wiederaufarbeitung in Karlsruhe - mit insgesamt 28 Kilo Plutonium, 102 Tonnen Uran, 87 Tonnen Thorium und circa 500 Kilo Arsen, nicht zu vergessen die Leichenteile der zwei Mitarbeiter, die damals bei dem Unfall in Gundremmingen gestorben sind. Hinzu kommen 14 000 undeklarierte Fässer. Der Müll stammt zum Teil aus illegaler Einlagerung durch die AKW-Betreiber.

Was heißt das für uns? Natürlich müssen wir handeln; das haben wir gehört. Aber ich sage es noch einmal: Atomkraft ist nicht beherrschbar. Dieser Müll wird kommenden Generationen vor die Füße fallen, und natürlich haben sie auch die Kosten zu tragen.
Spätestens seit 1993, also seit fast 20 Jahren, ist bekannt, dass es in der Asse zu Gebirgsbewegungen und Laugenzuflüssen kommt. Ich wiederhole: seit fast 20 Jahren! Erst 2008 wurde dem Helmholtz-Zentrum die Zuständigkeit entzogen, und es wurde durch das BfS ersetzt.

Jetzt findet ein Optionenvergleich statt: Vollverfüllung und alle Fässer in der Asse belassen oder Rückholung. Die Mehrheit ist für eine Rückholung. Die Menschen vor Ort wünschen sich eine Rückholung; sie sehen keine andere Chance. Sie sagen uns aber auch am Montag waren die Bürgerinitiativen hier in Berlin , dass sie zurzeit den Eindruck haben, dass die Arbeiten zur Grubensicherung und zur Vorbereitung auf Notfallmaßnahmen dass das Ganze also geflutet wird Priorität haben.

Es ist Ihre Aufgabe, ihnen zu sagen: Nein, dem ist nicht so. Wenn man sich den Bundeshaushalt anschaut, dann stellt man fest, dass der größte Teil der Mittel für die Notfallvorsorge und nicht für die Vorbereitung auf die Rückholung zur Verfügung gestellt wird. Daran müssen Sie natürlich etwas ändern, wenn Sie Vertrauen schaffen wollen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir brauchen hier eine Chefsache, die da heißt: Mission Rückholung und Vertrauen schaffen. Wir brauchen eine Chefsache von Umweltminister Röttgen, aber auch von Frau Merkel.
(Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Chef spricht gerade!)

Der Chef spricht gerade. Er hört nicht zu.
(Ulrich Kelber (SPD): Das macht er immer demonstrativ, wenn die Opposition spricht! Er hatte keine Kinderstube! - Frank Schwabe (SPD): Der Chef ist desinteressiert!)

Die Menschen vor Ort haben das Gefühl, dass es zu Verzögerungen kommt. Man glaubt, dass diese Verzögerungen entstehen, weil es kein konkretes Konzept für die Rückholung gibt. Sie sagen uns, Mitarbeiter in den zuständigen Ministerien nutzten den Dienstweg bei Anfragen und Genehmigungsverfahren in der ganzen zeitlichen Länge aus, weil sich keiner aus dem Fenster lehnen will. Hinzu kommt, dass die Landessammelstelle in Niedersachsen das Wasser aus der Asse nicht mehr annimmt, wie wir am Mittwoch im Umweltausschuss gehört haben. So viel zum Thema Verantwortung.

Es gibt also viele verschiedene Aspekte. Wir brauchen ein Asse-Begleitgesetz; den entsprechenden Anträgen werden wir zustimmen. Wir brauchen eine Lex Asse. Die Asse ist ein Sonderfall. Hier müssen wir neu lernen. Wir sind der Meinung, dass dieses Thema atomrechtlich behandelt werden sollte.

Es gibt viele Forderungen kluger Menschen vor Ort. So hat zum Beispiel die Asse-Begleitgruppe deutlich gemacht: Dieses Thema muss ganz oben auf die Tagesordnung. Die Schutzziele im Hinblick auf Bevölkerung und Mitarbeiter dürfen nicht abgesenkt werden. Wir brauchen eine Personalaufstockung, weil Strahlung vorhanden ist und die Menschen nicht so lange in der Asse bleiben dürfen. Eine Aufstockung kostet natürlich Geld. Darüber hinaus muss es sich um vernünftige Arbeitsplätze handeln. Es dürfen keine Leiharbeiter eingesetzt werden. Natürlich brauchen wir auch ein Projektmanagement. Das ist in den Amtsstuben vielleicht noch nicht ganz durchgedrungen; aber ich denke, hier kann man von der Industrie lernen. Außerdem brauchen wir Rechtssicherheit für die Mitarbeiter, wenn es um die Nutzung von Ermessensspielräumen geht; hier ist die Situation nicht ganz klar.

Ich sage Ihnen, was die Bürgerinitiativen fordern. Bewusste Verzögerungen bei der Rückholung sollen zum strafrechtlich relevanten Tatbestand der Unterlassung erklärt werden. Den Bürgerinitiativen ist es also wirklich sehr ernst. Sie fordern auch, unverzüglich Bergtechnik anzuschaffen. Gibt es ein Problem mit der Ausschreibung, wird es, wie ich denke, einige Möglichkeiten geben, es zu lösen.

Ich denke, vor uns liegen große Aufgaben. In der Asse lagern 100 000 Kubikmeter eingelagerter Stoffe. Wir wissen nicht, in welchem Zustand sie sich befinden. Ich nenne Ihnen zum Vergleich eine Zahl: Wenn alle AKWs abgeschaltet sind, werden es und zwar die ganzen Fässer, der ganze Atommüll, der ganze Schrott – 280 000 Kubikmeter sein.
Große Aufgaben kommen auf uns zu. Die Menschen vor Ort erwarten, dass wir sie lösen. Diese Erwartung sollten wir alle erfüllen. Dabei sind in erster Linie Sie von der Koalition gefragt Chefsache.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)