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Foto: Rico Prauss

Statt Stückwerk zu liefern, für dauerhaft gute Kommunalfinanzen sorgen

Rede von Susanna Karawanskij,

Rede zur 2./3. Lesung des Gesetzes zur weiteren Entlastung von Ländern und Kommunen ab 2015 und zum quantitativen und qualitativen Ausbau der Kindertagesbetreuung (Drucksachen 18/2586, 18/3008)

 

 

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste!

Die Politik der Bundesregierung bleibt Mosaikwerk. Sie fügen ein Steinchen hinzu, fügen ein weiteres hinzu und hoffen, dass es passt, dass es ein hübsches Bild ergibt. Aber es bleibt dann doch nur Farbbrei.

So ist es auch beim Kitaausbau. Sie erkennen zwar, dass die Kindertagesbetreuung ausgebaut werden muss, und Sie erkennen ebenfalls, dass finanziell etwas aufgestockt werden muss, aber letztendlich sind Sie, meine Damen und Herren von der Regierungsbank, nicht in der Lage, das wichtige Mosaikteilchen hinzuzufügen, wenn es nämlich um den qualitativen Ausbau der Kinderbetreuung geht. Das vernachlässigen Sie aufs Sträflichste. Das ist tatsächlich skandalös.

Ich möchte die Punkte hier benennen: Es geht um das Stichwort „Betreuungsschlüssel“, um die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern und um die Weiterbildungsmöglichkeiten. Wenn die Vorgaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung eingehalten werden sollen, dann haben wir hier einen Finanzierungsbedarf von 9 Milliarden Euro.

Das Problem ist doch, dass die armen Kommunen im Hinblick auf die qualitativen Standards je nach Kassenlage entscheiden werden. Aber auch der qualitative Ausbau der Kindertagesbetreuung muss ein Teil der Pflichtaufgaben der Kommunen sein; denn Kinder in ärmeren Kommunen dürfen nicht Kinder zweiter Klasse sein.
(Beifall bei der LINKEN)

Ich komme zum zweiten Punkt, an dem es noch Leerstellen gibt. Sie erkennen zu Recht, dass viele Kommunen finanzieller Entlastungen bedürfen. In Anbetracht der chronischen Unterfinanzierung der Kommunen hätten wir uns tatsächlich gewünscht, dass es, wie es in Ihrem Koalitionsvertrag zu lesen ist, zu einer Soforthilfe kommt, und zwar jetzt und nicht erst 2015. Das, was hier geschieht, kann man meines Erachtens nicht mehr „Soforthilfe“ nennen.

In Ihrem Gesetzentwurf fehlen vor allem die Bestandteile, die die Kommunalfinanzen langfristig auf ein stabiles Fundament stellen. Die Höhe der Entlastung, also die geplante 1 Milliarde Euro für alle Kommunen, ist da nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

An genau dieser Stelle liest sich Ihr Gesetzentwurf erschreckend unzeitgemäß. Ihre Politik bleibt Stückwerk und wird leider immer wieder von der Realität eingeholt. Das wird beispielsweise an der aktuellen Debatte zur Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen und Asylsuchenden deutlich. Auf Kommunen und Länder kommen dadurch Kosten zu, die sie mit den dafür bislang zur Verfügung stehenden Finanzmitteln kaum bewältigen bzw. schultern können. Hier muss schnellstens für eine menschenwürdige und sozial integrierte Unterbringung, Betreuung und Versorgung in den Städten und Gemeinden gesorgt werden.

Dabei geht es einerseits darum, vor Ort mit den Menschen, mit der Bevölkerung zu sprechen, diese zu integrieren und zu beteiligen; ein gegenseitiges Kennenlernenhilft immer dabei, Vorbehalte abzubauen. Andererseits bedarf es allerdings auch der entsprechenden Rahmenbedingungen, die geschaffen werden müssen. Es ist unser aller gemeinsame Aufgabe, humanitäre Hilfe zu leisten, wenn Menschen aus Kriegsgebieten aus Angst um ihr Leben die Heimat verlassen, flüchten und dann um unsere Hilfe ersuchen. Der Bund darf sich nicht länger aus dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe zurückziehen und sich hier aus der Verantwortung stehlen. Wir müssen vor allen Dingen verhindern, dass es zu einer Abwehrhaltung der Menschen kommt bzw. dass diese zunimmt. Das heißt, wir brauchen bei der Bewältigung dieser Aufgabe Herz und Verstand, aber auch Geld.

Jüngst war zu lesen, dass Sie Geld aus dem Fonds für die Fluthilfe zugunsten der Flüchtlingsunterbringung umwidmen wollen. Doch auch hier sorgen Sie eher für eine temporäre statt für eine strukturelle Lösung, erst recht, wenn 500 Millionen Euro im kommenden Jahr und weitere 500 Millionen Euro erst im Jahr 2016 zur Verfügung gestellt werden. Soforthilfe muss auch hier anders aussehen.
(Beifall bei der LINKEN)

Sie haben es ja gerade selbst zugegeben: Es bleibt auch weiterhin fraglich bzw. unklar, ob die Länder das Geld tatsächlich an die Kommunen weitergeben. Um ein gutes Gesamtbild ohne Lücken zu schaffen, müssen die Kommunalfinanzen umfassend und nachhaltig gestärkt werden. So bekommen die Kommunen wieder Handlungsspielräume, und so werden sie bei den sozialen Ausgaben entlastet.
(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das ist doch Aufgabe der Länder! Übrigens auch da, wo ihr mitregiert!)

Wir Linke haben entsprechende Forderungen erhoben. In schnellen Schritten wollen wir die komplette Übernahme der Kosten der Unterkunft
(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: In den Ländern umsetzen! – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Machen! In den Ländern!)
– zu den Ländern komme ich gleich – durch den Bund erreichen. Zuvor müssen vom Bund natürlich auch die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz übernommen werden, bis dieses abgeschafft ist.(Beifall bei der LINKEN – Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Oh, wie toll! Und das Geld regnet vom Himmel, ja?)

Meine Damen und Herren, um ein harmonisches Gesamtbild zu erhalten, dürfen wir uns natürlich nicht nur die Ausgabenseite anschauen, sondern wir müssen vor allen Dingen auch für stabilere, kontinuierliche Einnahmen der Kommunen sorgen.

Auch dazu haben wir einen Antrag eingereicht, nämlich den Antrag, die Gewerbesteuer zu einer Gemeindewirtschaftsteuer weiterzuentwickeln. Wir wollen also eine Kommunalsteuer, in deren Rahmen die Last der Gewerbesteuer auf breitere Schultern verteilt wird,
(Dr. Stefan Kaufmann [CDU/CSU]: Oh, wie schön! Steuererhöhungen!)
nämlich auf alle unternehmerisch Tätigen, die eine Gewinnerzielungsabsicht haben, und bei der die Bemessungsgrundlage verbreitert wird, wobei natürlich entsprechende Freibeträge für Kleinunternehmer und Existenzgründer vorzusehen sind, um die Steuerlast zu senken
(Dr. Stefan Kaufmann [CDU/CSU]: Was? Sie wollen die Steuern doch erhöhen!)
und zu verhindern, dass es zu einer Substanzbesteuerung kommt. Das alles – ich wiederhole es – ist eine Weiterentwicklung der Gewerbesteuer zur Gemeindewirtschaftsteuer. Die Einnahmen daraus sollen dann auch bei den Kommunen landen.

Natürlich braucht es einen solidarischen und aufgabengerechten Länderfinanzausgleich, der vor allem, wie im Grundgesetz beschrieben ist, für gleichwertige Lebensverhältnisse sorgt. Auch dazu liegt ein Konzept von uns vor, das wir im Übrigen nicht am Bundestag vorbeidiskutieren, sondern bei dem wir uns Ihren Nachfragen bzw. Anfragen nicht verschließen.

Dieses Konzept sieht vor, dass das gesamte kommunale Steueraufkommen einbezogen wird und nicht, wie bisher, nur ein Anteil von 64 Prozent. Wir fordern einen solidarischen Altschuldenfonds, damit die Kommunen von der Zinslast, die sich aufgrund ihrer Schulden ergibt, befreit werden oder diese zumindest in den Altschuldenfonds fließt, sodass hier neue Handlungsmöglichkeiten geschaffen werden.
Schlussendlich wollen wir einen Solidarpakt III für wirtschaftsschwache Regionen in Ost, West, Nord und Süd, um die strukturellen Mängel, die vor allem auch in der Infrastruktur vorhanden sind, zu beseitigen.

Für Sie, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, möchte ich noch einmal sagen: Damit den Kommunen und vor allem den darin lebenden Menschen dauerhaft geholfen wird, damit die Kommunalfinanzen langfristig stabil sind und sozusagen ein Gesamtbild entsteht, braucht es mehr Mosaiksteine. Wir brauchen keine Minimalstrategie – wie sie jetzt vorhanden ist –, die vor allem darauf abzielt, dass Stück für Stück immer wieder nachgebessert werden muss, sondern wir fordern eine nachhaltige Kommunalpolitik mit einer dauerhaft guten Finanzausstattung für unsere Städte und Gemeinden.

Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)