Diana Golze in der Aktuellen Stunde zur so genannten Herdprämie
- Es gilt das gesprochene Wort! -Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/in!
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Familien sind bunter geworden, ihre Lebensformen vielfältiger, die Erfahrungsräume für Kinder so offen wie noch in keiner Gesellschaft zuvor.
Auch die Erwartungen an Väter haben sich geändert und viele von ihnen möchten ihre Vaterrolle anders wahrnehmen. Die Mutterrolle ist heute keine Lebensaufgabe mehr, sondern ein Teil des Lebens einer Frau.
Fakt ist, dass die Zahl von Vätern in Elternzeit verschwindend gering war. Sie lag im letzten Jahr bei ca. 2 bis 4 Prozent. Verwundert mich gar nicht, denn nach wie vor bekommen Frauen immer noch 24 Prozent weniger Gehalt für die gleiche Arbeit als Männer. Da stellt sich kaum die Frage, wer zu Hause bleibt, wenn ein Kind geboren wird.
DIE LINKE. sagt, Frauen und Männer haben das unveräußerliche Recht, gleichberechtigt Kind, Küche und Karriere miteinander zu vereinbaren. Aber:
Durch das fehlende, flächendeckende Betreuungsangebot entscheiden sich viele junge Frauen und ihre Partner gegen ein Kind oder verschieben die Familienplanung auf einen späteren Zeitpunkt - im 21. Jahrhundert in Deutschland!
Die Initiative der Familienministerin war deshalb richtig und wichtig. Wir brauchen mehr und bessere Kindertagesbetreuungsplätze - ohne Wenn und Aber. Viel zu lange schon wurde nur gewartet und gehofft, dass die Kommunen schon was unternehmen werden.
Jetzt wird über die bundespolitische Verantwortung zumindest diskutiert. Doch worin genau besteht diese Verantwortung?
Ich sage, sie besteht darin, allen Kindern von Anfang an die besten Startbedingungen zu bieten, ihnen ein Aufwachsen mit anderen Kindern zu ermöglichen, sie so früh wie möglich umfassend zu fördern. Und das alles auf hohem Niveau, flächendeckend, ganztags und mittelfristig beitragsfrei. Und natürlich unabhängig vom Erwerbsstatus der Eltern, andernfalls werden sonst viele der Kinder vom Besuch einer Kinderkrippe ausgeschlossen, die eher mehr Förderung brauchen. Anders gesagt: Eine solche Betreuungslandschaft soll endlich nicht mehr einen Bonuscharakter haben, den man oben aufsetzt, sondern als selbstverständliche Pflichtaufgabe von Kommunen, Ländern und Bund behandelt werden! Wenn Sie Verantwortung für die Zukunft unserer Kinder übernehmen würden, meine Damen und Herren, würden Sie das auch tun. Dass es geht, zeigt Frankreich.
Nun hat sich der Koalitionsausschuss darauf verständigt, mehr Krippenplätze zu schaffen, vielleicht sogar ab 2013 einen Rechtsanspruch zu verankern. Auch finanziell soll sich der Bund daran zumindest vorerst beteiligen. Doch was wurde in jener Nacht verabredet und medienwirksam unter Regenschirmen der gespannten Öffentlichkeit mitgeteilt:
Nichts weiter, als eine Aufzählung von vielen „vielleicht“ Varianten, die am Ende ein Ergebnis hatten: Das weitere Gegeneinanderausspielen von Lebensentwürfen der Familien in der Bundesrepublik.
Das Spiel, öffentliche Kinderbetreuung weiterhin mit der Erziehung von Kindern durch ihre Eltern als sich gegenseitig ausschließende Pole aufzumachen ist ein Griff in die familienpolitische Mottenkiste!
Öffentliche Kindertagesbetreuung ist kein Ersatz für das, was Eltern gegenüber ihren Kindern leisten wollen - sollen - und müssen.
Sie ist eine Ergänzung zur Erziehungsleistung von Eltern, die man von der Seite der Politik nicht durch eine solche Entweder - Oder - Debatte zu einer Ersatzhandlung degradieren darf, weil sie zudem einen wichtigen Bildungsauftrag hat.
Erst dann, wenn eine flächendeckende Kindertagesbetreuung vorhanden ist, die dem Anspruch eines Bildungsangebotes gerecht wird und den Ansprüchen von Kindern und den Lebensentwürfen von Eltern entspricht, ist die freie Entscheidung von Eltern für ihre Kinder gewährleistet.
DIE LINKE. hat unter anderem ein sozial gerechtes Elterngeld vorgeschlagen, das beides schafft: die Sicherstellung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf genauso wie die gleichberechtigte Förderung aller Familien mit Kindern, unabhängig davon, ob das Kind in eine Kindertagesstätte geht oder nicht.
Das, sehr geehrte Herren und Damen von der CDU/CSU-Fraktion ist die Antwort darauf, wie Bedürfnisse von Kindern und Wünsche von Eltern erfüllt werden können.
Eine Prämierung für den Verzicht auf einen Kinderbetreuungsplatz wird es mit uns nicht geben! Das sind Modelle, die die Realität längst eingeholt hat!
Wem und wofür soll diese „Herdprämie“ dienen? Eltern, die finanziell besser gestellt sind, entscheiden sich nicht wegen 150 € dafür, ihr Kind nicht in die Krippe zu geben. Sie tun es entweder ganz bewusst, oder aber gezwungener Maßen, weil kein Krippenplatz vorhanden ist. Was aber ist mit den Eltern, die jeden Euro dreimal umdrehen müssen, wo aber Armutslohn oder der Regelsatz trotzdem vorne und hinten nicht reicht? Gerade diese Eltern werden quasi gezwungen, ihr Kind zu Hause zu behalten, weil für sie 150 € mehr im Monat die Entscheidung bedeutet, ob man in 5 oder schon in 3 Jahren das Geld für ein neues Fahrrad für den Großen und den Schulranzen für die Kleine zusammen hat.
Um das Wohl der Kinder geht es Ihnen dabei nicht! Auch um die stärkere Aufteilung von Erwerbs- und Erziehungsarbeit zwischen Männern und Frauen geht es Ihnen nicht! Und das, obwohl uns unsere europäischen Nachbarn vormachen, dass eine höhere Erwerbsquote von Frauen keinen Rückgang der Geburten zur Folge hat. Genau das Gegenteil ist der Fall!
Sie wollen wieder einmal ein einziges Lebensmodell prämieren und gegenüber anderen besser stellen.
In Anbetracht der Tageszeit empfehle ich Ihnen, richten Sie Ihren Blick hinaus über den bayerischen Tellerrand und öffnen Sie ihn für die veränderten gesellschaftlichen Realitäten! Wenn Sie Kinder fördern wollen, dann tun Sie das für Kinder aller Eltern, tun Sie es sozial gerecht und tun Sie es schnell!
Vielen Dank!