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Statt für die Armen ist Geld für die energieintensive Industrie da

Rede von Eva Bulling-Schröter,

- Bundeshaushalt, EP 16 (Umwelt) -Drs. Nr. 17/ 6600

Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sie von der Koalition stellen wiederum eine ganze Menge Geld zur Verfügung, nicht etwa um Betriebe zu motivieren, ihren CO2-Ausstoß zu reduzieren, sondern um den internationalen Kohlenstoffmarkt auszubauen. Wir haben hier schon öfters über diese Kohlenstoffmärkte gesprochen. Ich kann nur wiederholen: Seitdem klar wurde, dass europaweit krisenbedingt nicht so viel produziert wird und 1,4 Milliarden Emissions-berechtigungen überschüssig am Markt sind, sinkt der Preis der Zertifikate unaufhaltsam, und zwar auf gegenwärtig mickrige 12 Euro je Tonne CO2.

Bei diesem Preis dürften sich aber Klimaschutzinvestitionen für die meisten Unternehmen kaum lohnen. Sehen wir von den erneuerbaren Energien ab, treten Sie bezüglich des technologischen Einstiegs in eine kohlenstoffarme Wirtschaft auf der Stelle. Wir haben nichts anderes als ein Mitschwimmen der CO2-Emissionen mit dem jeweiligen Wirtschaftswachstum, aber keinen tatsächlichen Strukturwandel in der Industrie. Fast alle Anreize für die Energiewende kommen aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz und dem erkämpften Atomausstieg. Der zur Wunderwaffe erklärte Emissionshandel spielt dagegen momentan kaum noch eine Rolle. Im letzten Jahr sind die CO2-Emissionen wieder gestiegen. Industrie- und Energiewirtschaft Deutschlands haben Zertifikate hinzugekauft, auch aus dem Ausland. Diese sind im globalen Süden, also vor allem in Entwicklungsländern, besonders billig; denn hier handelt es sich vielfach um Dumpingzertifikate, deren ökologische Wirksamkeit nach wie vor in Frage steht. Nach jahrelangem Tauziehen auf UN-Ebene sind die HFC-23-Billigzertifikate - es handelt sich dabei um Abfallprodukte von Kältemitteln - immer noch nicht vom Markt. RWE und Co haben sich damit reichlich eingedeckt und können sie noch bis 2012 nutzen.Ich halte das für einen Skandal.
(Beifall bei der LINKEN)

Sogar Kohlekraftwerke kann man neuerdings im globalen Süden bauen und sich anschließend dafür Klimaschutzgutschriften für zu Hause ausstellen lassen. Das halte ich für umweltpolitischen Irrsinn.
(Beifall bei der LINKEN)

Das Hauptanliegen des Umweltministeriums in dieser Frage scheint aber laut Haushaltsentwurf zu sein, die bilateralen Rahmenbedingungen für den CDM-Mechanismus mit Konferenzen in Nordafrika, zu denen die deutsche Industrie mitgeschleppt wird, mit Workshops in China oder Indien und dergleichen mehr zu verbessern. Ich finde, wenn man CDM schon nicht verbieten kann, sollten Deutschland und die EU lieber mehr Geld darauf verwenden, den Umweltnutzen dieser Produkte zu prüfen, als den faulen Mechanismus weiter zu pushen.
(Beifall bei der LINKEN)

Im Inland besteht die vielleicht größte Herausforderung nach dem Energiesektor in der energetischen Gebäudesanierung, aus unserer Sicht auch deshalb, weil das eine soziale Zeitbombe ist. Nach und nach werden nun neue und in der Zukunft verschärfte Wärmeschutzverordnungen von Eigentümern umgesetzt. Das ist erst einmal gut ganz klar , auch wenn die Sanierungsraten noch viel zu niedrig sind; da sind wir uns einig. Wie das alles finanziert werden soll, ist aber nach wie vor weitgehend unklar. Kurzfristig wären 2 Milliarden Euro und mittelfristig bis zu 5 Milliarden Euro öffentlicher Mittel pro Jahr notwendig, um die Sanierungen sozial abzufedern. Wir finden jedoch nur rund 840 Millionen Euro im Bundeshaushalt und im Energie- und Klimafonds; mehr haben wir nicht gefunden. Das ist natürlich eindeutig zu wenig; hier schließe ich mich Ihnen an. Ich sage Ihnen: Sie sind verantwortlich, wenn die Mieten nach den Sanierungen rasant ansteigen, und das werden sie. Gerade für viele Bezieher unterer Einkommen und langjährige Mieter wird dies quasi Entmietung bedeuten. Dagegen müssen wir uns wehren. Die Leute müssen sich das noch leisten können.
(Beifall bei der LINKEN)

Statt für die Armen ist aber Geld für die energieintensive Industrie da. Die größeren Unternehmen verdienen bereits aufgrund der Ermäßigungsregelungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes in Millionenhöhe. Schließlich bringt ihnen die Preissenkung an der Strombörse infolge nicht mehr benötigter teurer fossiler Kraftwerke mehr, als sie an EEG-Umlage zu zahlen haben. Künftig sollen sie noch 500 Millionen Euro aus dem Energie- und Klimafonds erhalten. Zudem sind sie fast vollständig von der Ökosteuer befreit und müssen auch kaum CO2-Zertifikate ersteigern. Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren von der Koalition: Das ist Lobbypolitik auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler und der Stromkunden.
Wir brauchen das Geld natürlich auch für etwas anderes: um Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen im globalen Süden vernünftig zu finanzieren.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Frau Kollegin.
Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE):
Es gibt internationale Verpflichtungen, die wir bedienen müssen. Diese Mittel dürfen nicht auf das 0,7-Prozent-Millenniumsziel angerechnet werden.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Frau Kollegin.
Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE):
Ich sage Ihnen: Sie machen eine Haushaltspolitik mit doppeltem Boden. Wir werden diesem Haushalt so nicht zustimmen.
(Beifall bei der LINKEN)