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Starke Europäische Betriebsräte schafft dieses Gesetz noch nicht

Rede von Jutta Krellmann,

Meine Damen und Herren,
wir brauchen starke Europäische Betriebsräte, um die Beschäftigten vor reinem Profitstreben ihrer Konzerne zu schützen. Mitbestimmung ist notwendig, wenn Konzerne, wie zum Beispiel Nokia ihre Standorte verlagern, nur um Lohnkosten zu sparen.
Nokia hatte für das Werk in Bochum Subventionen bekommen, um dauerhafte Arbeitsplätze zu schaffen. Wie dauerhaft das war hat man 2008 gesehen: Das Werk wurde einfach verlagert. Am neuen Standort in Rumänien gab es Ansiedlungsprämien und billige Löhne lockten. Also verlagerte Nokia seine Handy-Produktion dorthin.
Weder der deutsche noch der Europäische Betriebsrat waren ausreichend informiert worden. Die Belegschaft wurde chancenlos vor vollendete Tatsachen gestellt. Rumänische Gewerkschafter wurden aktiv bei ihrer Arbeit im neuen Werk gehindert.
Immer wieder werden so Belegschaften verschiedener Werke in Europa gegeneinander ausgespielt.
Europäische Betriebsräte ermöglichen es den Beschäftigten sich über nationale Grenzen auszutauschen und gemeinsame Positionen zu entwickeln.
Die rasant gestiegene Zahl der Europäischen Betriebsräte belegt, wie wichtig sie für die Beschäftigten in transnationalen Unternehmen sind.
Standortverlagerungen, wie bei Nokia, sollten in Europa nicht mehr möglich sein! Daran muss sich eine Richtline für Europäische Betriebsräte messen lassen!
Ganze 12 Jahre hat es gedauert, bis die verbesserte Richtlinie nun auf dem Tisch liegt. Herausgekommen sind die Beseitigung vieler kleine Hürden, die die Arbeit der Europäischen Betriebsräte bisher erschwert haben.
Die Informationsrechte des EBR wurden verbessert: Der Anspruch auf Informationen ist nun klarer definiert und leicht ausgeweitet.
Es gibt nun endlich einen Schulungsanspruch für Mitglieder eines Europäischen Betriebsrats: Inklusive Kostenübernahme und Lohnkostenausgleich.
Die Zusammenarbeit mit den Nationalen Mitbestimmungsgremien wurde verbessert.
Sanktionen, die die Unternehmen zur Einhaltung der Rechte der Europäischen Betriebsräte verpflichten wurden in der Richtlinie festgeschrieben.
Wenn man das hört, fragt man sich ernsthaft, wie zuvor eine wirkungsvolle Arbeit möglich war!
An einigen zentralen Punkten wurde aber nichts verändert:
Der Europäische Betriebsrat kann sich auch weiterhin nur einmal im Jahr treffen. Für ein arbeitsfähiges Gremium ist dies zu wenig! Mit mehreren Treffen im Jahr wäre es gelungen den Europäischen Betriebsrat von einem reinen Informationsgremium zu einem Arbeitsgremium zu machen. Diese Chance ist verpasst worden.
Die Ausweitung von EBRs auf kleinere europäischen Unternehmen wurde blockiert. Auch in Unternehmen mit 500 Beschäftigten und mindestens 100 Beschäftigten in 2 Länder müssen EBRs möglich sein.
Bei den Sanktionen setzt die Bundesregierung die Richtlinien nur mangelhaft um: Geldstrafen von maximal 15.000 Euro sind nicht wirksam, wie die Richtlinie vorschreibt – das ist Klimpergeld für einen europäischen Konzern!
Was brauchen Europäische Betriebsräte um arbeiten zu können?
Auf Grund der reichhaltigen europäischen Erfahrungen mit betrieblicher Mitbestimmung ist es einfach zu sagen, was Europäische Betriebsräte brauchen um gute Arbeit zu machen!
1) Europäische Betriebsräte brauchen das Recht regelmäßige Treffen!
Stellen sie sich vor sie sind in einem internationalen Unternehmen beschäftigt, sie sind teil einer internationalen Arbeitsgruppe und treffen sich mit ihren Kollegen aus anderen Ländern nur einmal im Jahr zur Abstimmung. Glauben sie im ernst sie sind so arbeitsfähig?
2) Sie brauchen das Recht auf umfassende und frühzeitige Information, um ein gemeinsames Europäisches Vorgehen der Beschäftigten abzustimmen.
Deshalb fordert die europäische LINKE, dass Europäische Betriebsräte gegen Pläne der Unternehmensführung für Umstrukturierungen, Unternehmenszusammenschlüsse, Übernahmen oder Entlassungen Einspruch erheben können.
Alle endgültigen Entscheidungen müssten so lange aufgeschoben werden, bis der Europäische Betriebsrat alternative Lösungen anbieten kann und diese mit der Unternehmensführung ausführlich erörtert wurde.
3) Die Teilnahme der Gewerkschaftsvertretern an den Treffen muss ermöglicht werden!
Zustimmen wird die LINKE dieser Verbesserung, aber ein Grund zum Feiern sehen wir darin nicht. Mit der neuen Richtlinie bleiben die Mitspracherechte der Beschäftigten bei Umstrukturierungen und Verlagerungen ungenügend – ein neues Nokia wird nicht verhindert!
Den europäischen Beschäftigten wird mit dem neuen Gesetz statt einem Fahrrad nun ein Mofa zur Verfügung gestellt. Wirklich notwendig für grenzübergreifende Mitbestimmung wäre jedoch mindestens eine europäische Bahncard 100.
Die dicken Bretter der Mitbestimmung werden in Europa nur langsam gebohrt. Während der Freie Binnenmarkt längst gelebte Praxis sind, bleiben die Rechte von europäischen Betriebsräten weiterhin von bescheidenem Format.
Die Reform der Europäischen Betriebsräterichtline wurde lange verzögert. Sie war für 1999 vorgesehen. In Kraft tritt die Reform nun 2011. Das sind ganze 12 Jahre später.
Erst im Jahre 2016 wird eine erneute Überarbeitung der Richtline möglich sein. Wenn diese in dem selben Tempo verhandelt wird, wie bei dieser Überarbeitung, ist sie 2028 abgeschlossen. Das ist zu spät für mehr betrieblicher Mitbestimmung in Europa!
Das ist für ein demokratisches und soziales Europa beschämend.
Die europäischen Gewerkschaften haben dafür gesorgt, dass die Europäischen Betriebsräte, trotz der bisher bescheidenen Möglichkeiten, mit Leben gefüllt wurden.
Es bleibt den Gewerkschaften Europas und der Welt auch mit der neuen Richtlinie nichts anderes übrig, als wirklich wirksame internationale Konzernmitbestimmung selbst durchzusetzen.
Vielen Dank!