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Soziales, Umwelt und Demokratie vor TTIP und CETA retten!

Rede von Alexander Ulrich,

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir lassen da keinen Zweifel, Herr Tiefensee: Die Linken lehnen CETA ab, und wir wollen, dass die Verhandlungen zu TTIP abgebrochen werden ‑ ohne Wenn und Aber.

Wir lassen da keine Zweifel. Wir wollen Ihnen nur die Chance geben, zu erklären, ob Sie bereit sind, auch parlamentarisch für die roten Linien zu kämpfen, die Sie am Wochenende beschlossen haben. Die heutige Debatte zeigt, dass Sie das nicht wollen.

Wir haben einen Wirtschaftsminister, der uns heute erklärt, dass alle diejenigen, die Kritik an diesen Verfahren, an diesen Inhalten äußern, offensichtlich die Jobkiller Deutschlands sind. Ich frage Sie, Herr Wirtschaftsminister: Haben Sie schon einmal bemerkt, dass wir auch ohne diese Verträge sehr erfolgreich im Export sind?

Haben Sie denn schon gemerkt, dass Handel heute schon möglich ist? Sie tun ja gerade so, als wären alle Kritiker dafür, den Handel zu verbieten. Das ist großer Unsinn, und es ist eigentlich für einen Wirtschaftsministers nicht recht, sich hier so zu äußern.

Herr Gabriel, das, was Sie hier betrieben haben, ist ja schon ein bisschen Demagogie. Sie legen ja großen Wert auf das, was Sie scheinbar mit dem DGB beschlossen haben. Ich möchte dazu einmal Herrn Wetzel von der IG Metall zitieren, der Folgendes gesagt hat ‑ am gleichen Tag, als Sie das Papier veröffentlicht haben. Er sagt: Dieses Papier steht unter einem Vorbehalt. Wortwörtlich:

Die IG Metall erwartet, dass die Bundesregierung den aktuellen Entwurf zum Handelsabkommen CETA mit Kanada ablehnt und dies auch auf EU-Ebene durchsetzt. Das ist die Nagelprobe für die Glaubwürdigkeit der Vereinbarung.

Herr Gabriel, morgen ist die Nagelprobe. Morgen wird in Ottawa etwas verkündet. Und wenn das die Nagelprobe ist, erwarte ich morgen von Ihnen, dass Sie öffentlich sagen: Unsere roten Linien sind nicht beachtet worden. Wir lehnen dieses Verhandlungsergebnis ab. Hier muss nachverhandelt werden. Wenn Sie das morgen nicht tun, haben Sie nicht nur den DGB, sondern alle Gewerkschaften enttäuscht.

Sie bleiben hier auch die Antworten schuldig. Sie erklären uns, man bräuchte dem Antrag ja nicht zuzustimmen, denn das wäre ja schon umgesetzt. Dann frage ich Sie in Ihrer Eigenschaft als SPD-Parteivorsitzender: Wenn das schon alles umgesetzt ist, warum haben Sie dann am Wochenende so viel Mühe gehabt, das bei Ihren Leuten überhaupt durchzukriegen? Offensichtlich ist ja noch nichts durchgesetzt.

Herr Tiefensee erklärt uns hier: Investorenschutz soll aus TTIP heraus bzw. ist nicht Bestandteil. Gucken Sie sich den Vertrag an, da steht drin: „soll“ und „kann“. Natürlich. Jeder weiß doch, dass das, was morgen veröffentlicht wird, die Blaupause für TTIP ist. Oder glauben Sie ernsthaft, dass die Amerikaner mit der Europäischen Union eine schlechtere Vereinbarung schließen als die Kanadier?

Deshalb erwarten wir morgen eine klare Aussage, Herr Gabriel. Deshalb ‑ so glaube ich ‑ wird auch die IG Metall am Wochenende kundtun, dass hier jetzt etwas zu erwarten ist. Sonst ist das Papier wirklich nichts wert.

Wenn Sie sich hier hinstellen und uns vorwerfen, wir würden Arbeitsplätze gefährden, muss ich sagen: Dann finden wir uns in einer richtig großen Runde von Umweltverbänden, von Verbraucherschützern, kirchlichen Organisationen, mittelständischen Unternehmen wieder. Auch viele Kommunalpolitiker mit CDU-, CSU- und mit SPD-Parteibuch gehören dazu. Das geht bis zu den Bierbrauern, Herr Kauder. Sie alle haben Angst vor dem, was hier gemacht wird. Wenn diese ganzen Organisationen quasi Jobs gefährden, ja, dann muss ja etwas daran sein, dass das wohl nicht so ist, wie Sie sagen. Oder glauben Sie wirklich, die IG Metall oder mittelständische Unternehmen würden Kritik äußern, weil sie Jobs vernichten wollen?

Offensichtlich ist die Bundesregierung nicht bereit, diese große Anzahl von Verbänden, Organisationen ernst zu nehmen. Sie will sie in eine Ecke stellen. So kann man zwar Politik betreiben, aber die SPD wird deshalb nie mehr einen Kanzler stellen.

Nur noch so viel, weil immer wieder erzählt wird, wie viele Jobs entstünden: Gucken Sie sich einmal an, wie viele Jobs durch das Abkommen NAFTA „entstanden“ sind. In den USA sind 1,2 Millionen Jobs verloren gegangen, in Mexiko über 1 Million allein in der Landwirtschaft. Es gibt kein Abkommen in der Welt, das nicht Sozial- und die Umweltstandards gefährdet und nicht Jobs vernichtet hat.

Sie führen hier eine Debatte ums Goldene Kalb, nur um die Interessen der Verbraucher und der Arbeitnehmer der Wirtschaft zu opfern. Sie sind der verlängerte Arm der Kapitalisten und Großkonzerne.

Nach Kurzintervention aus der SPD-Fraktion:

Herr Kollege, ich finde Ihren Wortbeitrag sehr bemerkenswert. Ich glaube aber, Sie haben nicht mich als Adressaten gemeint, sondern wollten eigentlich Ihren Wirtschaftsminister zur Ordnung rufen; denn wenn heute jemand mit Demagogie vom Thema abgelenkt hat, und zwar relativ früh, dann war es Herr Gabriel.

Wir mussten uns anhören, wir wären, weil wir Kritik geäußert haben, Nationalisten und würden in großem Umfang Jobs gefährden. So gehen Sie mit diesem wichtigen Thema um.

Frau Wagenknecht hat heute zu diesem Thema nichts gesagt. Wenn Sie etwas dazu gesagt hätte, hätte sie wahrscheinlich eine gute Rede gehalten.

Noch einmal: Die Debatte verlassen hat meines Erachtens der Wirtschaftsminister, indem er die Kritik auf eine andere Schiene gelenkt hat.

Ich sage es noch einmal: Ihre Argumentation, die Sie gegen uns richten, richtet sich gleichsam gegen alle anderen Organisationen, die Kritik gegenüber CETA und TTIP äußern;

denn das, was wir fordern, ist Konsens innerhalb des großen Bündnisses „TTIP verhindern“. Das heißt, das, was wir hier vorbringen, ist keine parteipolitische Ideologie, sondern die Auffassung vieler Organisationen, wie man mit diesem Thema umgehen sollte.

Ich glaube, es wäre besser, Sie würden sich hier hinstellen und sagen: Es ist verkehrt, dass die EU-Kommission eine Europäische Bürgerinitiative gegen TTIP ablehnt. Sie müssen zulassen, dass sich die Menschen demokratisch zu Wort melden, und sollten vielleicht dabei sein, wenn am 11. Oktober die Menschen gegen TTIP und CETA demonstrieren. Dann würden Sie wahrscheinlich etwas erreichen. Sich aber hier zu Wort zu melden und uns mit unserer Position in die Ecke zu stellen, ist ein bisschen fade. Herr Gabriel, Sie können es gerne nachlesen; aber Sie haben heute mit der Demagogie begonnen.

Nach Kurzintervention von Wirtschaftsminister Gabriel

Herr Gabriel, es freut uns, dass wir heute offensichtlich einen wunden Punkt getroffen haben.

Ohne die Anträge insbesondere meiner Fraktion und auch der Grünen hätte es bis heute im Bundestag noch keine einzige Debatte über CETA und TTIP gegeben, weil Sie die gleiche Politik wie die EU-Kommission machen wollten.

Ich sage es Ihnen jetzt noch einmal: Wenn das alles schon erledigt wäre, warum tun Sie sich dann stundenlange Debatten auf einem Parteikonvent an?

Wenn alles schon erledigt gewesen wäre, dann könnten Sie sagen: Es ist doch schon alles erledigt. Sie wollen schon wieder die Leute hinter die Fichte führen.

Noch etwas: Herr Wetzel hat am selben Tag - ich kann Ihnen die Pressemitteilung der IG Metall zeigen - gesagt: Das Papier ist den Inhalt nicht wert, wenn die Bundesregierung das Verhandlungsergebnis zu CETA nicht zurückweist. Ich möchte nicht, dass Sie das irgendwo heimlich machen. Die Öffentlichkeit erwartet morgen von Ihnen, dass Sie sich an die Presse wenden und sagen: Wir lehnen dieses Verhandlungsergebnis ab. - Dann hätten Sie einmal etwas getan, das auch bei den Bündnissen zu Gehör kommt. Ein Brief nach Brüssel, von dem niemand etwas mitbekommt, kann nachher wieder verschwinden. Sagen Sie einfach als Wirtschaftsminister: „Das akzeptieren wir nicht, was morgen in Ottawa diskutiert wird“! Sie sind auch heute trotz viermaliger Wortmeldungen nicht in der Lage, das deutlich zum Ausdruck zu bringen.