Zum Hauptinhalt springen

Sonneborn-Paragraph

Rede von Halina Wawzyniak,

Rechtsschutz im Wahlrecht verbessern

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Am 17. Juli 2009 entschied der Bundeswahlausschuss, die Partei „Die Partei“ mit dem Vorsitzenden Martin Sonneborn nicht zur Wahl zum 17. Deutschen Bundestag zuzulassen. Der Bundeswahlausschuss versagte ihr die Anerkennung als Partei. Nicht als Partei anerkannt zu sein, bedeutet bei uns, dass man nicht an der Wahl teilnehmen kann. Gegen diese Entscheidung gibt es kein Rechtsmittel. Somit konnten Martin Sonneborn und „Die Partei“ nicht zur Bundestagswahl antreten.

Was daraus folgt, ist: Wie wir sehen, ist Rechtsschutz erst nach der Wahl, aber nicht vor der Wahl möglich. Mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf will die Linke diesen unhaltbaren Zustand beenden und den Rechtsschutz im Wahlrecht stärken.

(Beifall bei der LINKEN)

Unser konkreter Vorschlag sieht vor, dass eine Partei, soweit sie vom Bundeswahlausschuss nicht als Partei zugelassen wird, zum Bundesverfassungsgericht gehen kann und dass für den Fall, dass ein Kreiswahlvorschlag oder Landeslisten nicht zugelassen werden, der Gang zu den Verwaltungsgerichten eröffnet wird. Vor dem Hintergrund des von uns angeführten Falls haben wir diese Regelung „Sonneborn-Regelung“ genannt.

(Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Schlimm genug!)

Um auf den konkreten Fall zurückzukommen, könnte man sagen: Shit happens!

(Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Kein parlamentsangemessener Ausdruck!)

Was interessiert uns die Möglichkeit, Martin Sonneborn zu wählen? Oder: Für Spaß in der Politik stehen wir nicht zur Verfügung. Aber die OSZE entsandte Beobachter zur Wahl zum 17. Deutschen Bundestag. Diese verfassten einen Bericht, in dem unter anderem empfohlen wird - ich zitiere :
"zumindest einige grundlegende Entscheidungen, wie die Anerkennung von Vereinigungen als Parteien oder die Kontrolle von ablehnenden Entscheidungen zu Kreiswahlvorschlägen und Landeslisten, einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle vor der Wahl zuzuführen."

Die Linke hat sich bei dem vorgelegten Gesetzentwurf von folgenden Gedanken leiten lassen:
Die Parteien haben in Art. 21 Grundgesetz einen besonderen Schutz erhalten. Mit diesem Schutz ist es einfach nicht vereinbar, dass ein rein exekutives Organ, zusammengesetzt durch die Konkurrenten, nämlich die im Bundestag schon vertretenen Parteien, über die Parteieigenschaft entscheidet diese Eigenschaft ist Voraussetzung, um an der Wahl teilzunehmen und dass es dann keinen Rechtsschutz gibt. Wir finden, das ist mit dem Gedanken der Demokratie und mit dem besonderen Schutz von Parteien nicht vereinbar.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Parteienrechtler Martin Morlok

(Dr. Franz Josef Jung (CDU/CSU): Das ist der Spezialist!)

hat in der Zeit vom 31. Juli 2009 erklärt, dass er dies für einen verfassungswidrigen Zustand hält, und in diesem Fall stimme ich ihm zu.

(Dr. Franz Josef Jung (CDU/CSU): Der hat oft genug verloren!)

Eine zusätzliche Schwierigkeit bei der Frage der Zulassung einer Partei ist im Übrigen der Spielraum, den § 2 Abs. 1 Parteiengesetz für die Definition von „Partei“ lässt. Da geht es um das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse Umfang und Festigkeit der Organisation , die Zahl der Mitglieder, das Hervortreten in der Öffentlichkeit und Achtung! die Gewähr für die Ernsthaftigkeit der Zielsetzung. Spätestens das letzte Kriterium dürfte dem Grundsatz der Normenklarheit widersprechen und ist willkürlich. Wer bitte entscheidet über Ernsthaftigkeit und Unernsthaftigkeit? Warum sollen die Wählerinnen und Wähler nicht das letzte Wort haben? Ehrlich gesagt: Bei so manchem Beitrag von Mitgliedern dieses Hauses wartet man am Ende auf ein „Helau!“ oder „Alaaf!“, und man weiß gar nicht, ob man lachen oder heulen soll.

(Beifall bei der LINKEN Otto Fricke (FDP): Das ist Selbstkritik!)

Deshalb muss man sicherlich auch an das Parteiengesetz heran.
Sicherlich gibt es im Hinblick auf den Rechtsschutz noch viel mehr zu klären. Denkbar wäre beispielsweise eine Debatte über die Zusammensetzung der Wahlausschüsse. Doch da uns bei unserem letzten Gesetzentwurf zum Wahlrecht Überfrachtung vorgeworfen worden ist, haben wir den jetzt vorliegenden Gesetzentwurf bewusst schmal gehalten,

(Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr schmal, Frau Kollegin! Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Interessante Begründung!)

um wenigstens das Notwendigste vor der nächsten Bundestagswahl sicherzustellen. Deshalb können Sie diesmal doch auch zustimmen.

(Beifall bei der LINKEN)