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Solidarität mit den Menschen in Afghanistan

Rede von Paul Schäfer,

Sehr geehrte Damen und Herren,
der Umgang der Bundesregierung mit den afghanischen Ortskräften steht geradezu exemplarisch für die Widersprüche in der deutschen Afghanistanpolitik.
Mehr als 10 Jahre lang hat die Bundesregierung der Öffentlichkeit erzählt, dass die afghanische Bevölkerung die Militärintervention der NATO wollte und diese Militärintervention Frieden und Wiederaufbau bringen wird. Jetzt gibt es aber keinen Zweifel mehr, dass NATO und Bundeswehr dort gescheitert sind. Das macht sich auch im Kleinen bemerkbar. Die Sicherheit der Afghanen, die für die Bundeswehr oder andere ausländische Akteure gearbeitet haben, und ihrer Familien ist nicht zu gewährleisten. Die Personen, die für die Bundeswehr gearbeitet haben, werden von den Aufständischen und ihren Sympathisanten als Kollaborateure betrachtet. Mit dem Abzug erhöht sich die Gefahr, dass sie als Racheopfer nach dem Abzug der NATO herhalten müssen.
Mehr als 10 Jahre lang hat die Bundesregierung der Öffentlichkeit erzählt, dass man für die afghanische Bevölkerung in Afghanistan interveniert. Jetzt, wo es ganz konkret um die Sicherheit von etwa 1.500 Afghaninnen und Afghanen geht, die für die Bundeswehr gearbeitet haben, und um viele weitere, die für andere deutsche Ministerien, Stiftungen und Nichtregierungsorganisationen gearbeitet haben, tritt die Bundesregierung auf die Bremse. Statt einer großzügigen Aufnahmeregelung beharrt sie auf einer Einzelfallprüfung. Das Verfahren ist zudem intransparent – die Kriterien werden nicht veröffentlicht und können deswegen auch nicht überprüft werden.
Das Verhalten der Bundesregierung wird dem Ernst der Materie nicht gerecht. Von Anfang an war die Bundeswehr bei der Beteiligung an der militärischen Intervention in Afghanistan auf lokale Unterstützer angewiesen – allein wegen der Sprache. Je tiefer sich die Bundeswehr in die Aufstandsbekämpfung verstrickte als sie 2003 nach Kundus ging, als sie ab 2005 die Verantwortung im Regionalkommando Nord übernahm und vor allem als sie ab 2009 auf eine immer engere Anbindung an die afghanischen Sicherheitskräfte setzte, desto höher wurde z.B. der Bedarf nach afghanischen Übersetzern, die auch mit der Bundeswehr in gefährliche Einsätze gingen. Damals waren sie nützlich, heute werden sie als Ballast begriffen – so sieht anscheinend das Fürsorgeverständnis der Regierung aus. Die Bundesregierung blendet außerdem gerne aus, dass sie durch die Unterstützung und Mitentwicklung der NATO-Intervention einen beträchtlichen Anteil an der desolaten Sicherheitslage hat.
Für DIE LINKE ist aber auch wichtig, dass das Problem nicht nur auf die afghanischen Ortskräfte reduziert wird. Die Bundesregierung hat neben der grundsätzlichen humanitären Verantwortung aufgrund der Interventionsbeteiligung auch eine erhebliche politische und moralische Mitverantwortung für sämtliche afghanische Flüchtlinge. Bereits 2007 haben wir mit einem Antrag die Bundesregierung aufgefordert, alle afghanischen Flüchtlinge aus humanitären Gründen aufzunehmen und auf Abschiebungen zu verzichten. Leider wurde dieses Ansinnen abgelehnt.
Die Verschlechterung der Sicherheitslage in Afghanistan ist nicht von der Hand zu weisen, die Zahl der afghanischen Antragsteller auf Asyl in Deutschland ist rasant gestiegen: 2009 wurden insgesamt etwa 3.300 Asylanträge von Afghanen gestellt, 2013 waren es alleine in den ersten vier Monaten schon 2.300 – davon knapp 1.000 Anträge von Minderjährigen. Dagegen hat sich der Anteil der positiven Asyl- und Schutzentscheidungen von knapp 60% auf etwa 40% reduziert. Asyl wird kaum gewährt. In der Regel wird nur ein Abschiebungsverbot gewährt - selbst für die besonders schutzbedürftigen Minderjährigen. Diese Praxis ist völlig unakzeptabel.
Wir fordern die Bundesregierung zu einem Umdenken in ihrer Asylpolitik auf. Sie muss Fürsorge ernstnehmen. Sie muss Solidarität ernstnehmen, und zwar nicht mit der afghanischen Regierung sondern mit den Menschen in Afghanistan. D.h. im konkreten Fall eine unbürokratische Handhabung der Anträge der afghanischen Ortskräfte, die generelle Erleichterung des Asylverfahrens für Afghanen sowie ein pauschaler Abschiebestopp bis sich die Situation in Afghanistan nachhaltig verbessert hat.

Die Rede wurde zu Protokoll gegeben.