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Sofortiger Atomausstieg!

Rede von Dorothée Menzner,

Rolle des Bundesrats bei Laufzeitverlängerung

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen! Werte Kollegen!

Sehr geehrter Herr Minister, ich fand es bezeichnend, dass Sie den Mut hatten, von Klarheit der Politik in Bezug auf Energiepolitik zu reden. Was wir seit Monaten erleben und was die Bürgerinnen und Bürger wahrnehmen, sind ein Schlingerkurs, Chaos und große Verunsicherung. Nicht umsonst machen auch Menschen gegen die Laufzeitverlängerung Stimmung, die dies bisher nicht so deutlich getan haben. Ich erinnere nur an den Deutschen Städtetag und an die Stadtwerke. Wenn Sie den Einstieg in die Erneuerbaren ernst meinen, dann müssen Sie sich an dieser Stelle die Frage gefallen lassen, ob die unverhältnismäßig starke Kürzung der Förderung durch das EEG hilfreich war.

Insgesamt kann man nur feststellen: Die Koalition arbeitet zielstrebig an der nächsten Wahlniederlage. Alle Umfragen belegen: Die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger ist gegen eine Laufzeitverlängerung. Es sind nicht nur die Wählerinnen und Wähler der Parteien, die jetzt in der Opposition sind; auch 52 Prozent der Wählerinnen und Wähler von CDU und CSU sowie 54 Prozent der FDP-Wählerinnen und -Wähler sind gegen längere Laufzeiten.
(Ulrich Kelber [SPD]: So viele haben die gar nicht!)

Wir kennen das. Diese Koalition macht ja in vielen Bereichen Politik gegen die Mehrheit der Bevölkerung. Das ist nicht nur beim Atomausstieg so. Ich erinnere nur an die Themen „Rente erst mit 67“, „Mindestlohn“ oder auch „Kriegseinsatz in Afghanistan“. Ich weiß nicht, wie Sie das auf Dauer durchstehen wollen, aber das soll dann Ihr Problem sein.

Die Kritik von uns als damals noch PDS an dem sogenannten Atomkonsens war, dass er nicht unumkehrbar ist - das ist das Problem, das wir jetzt haben - und dass große Zugeständnisse an die Konzerne gemacht wurden. Es war ja nicht so, dass die Konzerne ohne Gegenleistung verzichtet und der Laufzeitbegrenzung zugestimmt haben. Ihnen sind zum Beispiel sicherheitstechnische Nachrüstungen erlassen worden. Sie haben bessere Standards für die steuerfreien Rückstellungen bekommen. Weiterhin wurde eine Eignungshöffigkeit von Gorleben attestiert. Jetzt haben wir das Problem. Die Mehrheiten haben sich geändert, und die Konzerne hoffen, dass ihnen - ähnlich wie anderen Sparten oder Konzernen oder Bereichen - Zugeständnisse gemacht werden.

Die Laufzeitverlängerung ist nach übereinstimmender Meinung vieler juristischer Gutachten ohne eine Zustimmung des Bundesrates nicht möglich, weil die Länder im Vollzug des Atomgesetzes ganz andere und viel umfangreichere Aufgaben haben würden als jetzt. Aber kurz nach der Nordrhein-Westfalen-Wahl, als die Mehrheit im Bundesrat dahin war, hörten wir andere Stimmen aus der Koalition. Merkwürdigerweise sagen genau die Länder, die seinerzeit beim Atomkonsens der Meinung waren, es sei eine Bundesratszustimmung nötig, jetzt, es sei keine Bundesratszustimmung nötig. Beim Atomkonsens damals haben Baden-Württemberg, Bayern und Hessen darauf gedrängt, dass der Bundesrat zustimmen müsse. Jetzt, wo es in eine Richtung geht, die ihnen gefällt, die sie befürworten, sagen sie: Das interessiert den Bundesrat gar nicht.

Da scheinen Länder das Grundgesetz irgendwie nach Lage der Dinge auszulegen. Sie scheinen das Grundgesetz nicht als gemeinsame Grundlage und Basis des gesellschaftlichen Zusammenlebens zu begreifen, das auch in allen Fällen anzuwenden ist, sondern wollen es nach Lage der Dinge und politischer Opportunität auslegen.

Das muss man noch einmal Revue passieren lassen:
Schon drei Tage nach der Wahl kam - übrigens aus Ministerien genau der Länder Hessen und Baden-Württemberg - das Papier, das der Kanzlerin deutlich machte: Es geht ohne den Bundesrat. - Ich frage mich: Wieso produzieren Landesumweltministerien Papiere für die Bundesregierung, machen Rechtsgutachten und erstellen ein Strategie- und Schrittfolgepapier, um der Kanzlerin zu sagen, welchen Weg sie zu gehen hat? Das ist meiner Ansicht nach eine deutliche Überschreitung ihrer Kompetenz.

Wie dreist muss man eigentlich sein, wenn man in diesem Papier eine Laufzeitverlängerung, die weitere Vermehrung von Atommüll, Milliardenprofite der Konzerne und die Sicherheitsrisiken gegenüber den Menschen als „Signalwirkung Atomausstieg“ benennt? Das kann ich nur als Wählerinnen- und Wählerverdummung begreifen, und genau so verstehen die Menschen das auch. Genau dagegen wehren sie sich - zu Recht laut, bunt und vielfältig. Das werden wir weiterhin unterstützen. Mit dem Vorhaben werden Sie nicht durchkommen.

Wenn die Konzerne jetzt den Atomkompromiss von damals aufkündigen, dann brauchen Sie nicht zu glauben, dass die Antiatombewegung nicht zu der alten Forderung zurückkommt: Sofortiger Atomausstieg!
Ich danke.