"Rede der umweltpolitischen Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. Eva Bulling-Schröter zum Antrag der FDP "Klimaschutz-Offensive 2006"."
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Darüber, dass wir mehr Klimaschutz wollen, sind wir uns sicherlich alle einig. Strittig bleiben aber die Instrumente. Wir denken, dass der FDP in ihrem Antrag das elegante Modell wichtiger ist als dessen Wirksamkeit in der Realität. In einigen Punkten könnten wir das Anliegen unterstützen: im Bestreben, den Luftverkehr in den Emissionshandel einzubeziehen oder die Energieverluste im Wärmebereich, insbesondere bei Gebäuden, deutlich zu verringern. Der überwiegende Rest Ihres Antrags, Herr Kauch, folgt jedoch im Kern einem unerschütterlichen Glauben an die Allmacht marktwirtschaftlicher Instrumente im Klimaschutz, (Michael Kauch (FDP): Wie überraschend!) ein Glaube, in dem die Komplexität der Wirklichkeit wenig Platz findet. Schön formuliert, oder? (Beifall bei der LINKEN) Sie wollen aus jedem eingesetzten Euro so viel Klimaschutz wie möglich erwirtschaften. Das wollen auch wir. Allerdings leben wir nicht im luftleeren Raum und darum haben die flexiblen Instrumente des Kiotoprotokolls, mit denen der Klimaschutz preiswerter gemacht werden soll, neben unbestreitbaren Vorzügen auch Grenzen und Nachteile. Nehmen wir die Nutzung von Waldsenken im europäischen Emissionshandel, die Sie fordern: Die wissenschaftliche Diskussion um solche Senken zeigt, dass niemand mit Sicherheit sagen kann, wie viel Kohlendioxid welche Art Wald auf Dauer bindet. Darum ist es sehr schwer, zu sagen, für 1 Hektar Nettozuwachs gebe es soundso viele geldwerte Emissionszertifikate. Diese Diskussion dauert an und es wird sich sehr gestritten. Die Prüfung der Waldkataster, womöglich nach Bewirtschaftungsarten, würde zudem bald mehr Papier produzieren, als im Waldprojekt an Zellstoff nachwächst. Ich denke, für den Schutz unserer europäischen Wälder haben wir andere, weniger bürokratische Instrumente. (Beifall bei der LINKEN) Oder nehmen wir CDM. Er soll Klimaschutzinvestitionen in den Entwicklungsländern befördern. Allerdings hat er laut Kioto noch eine zweite Aufgabe: Die Investitionen sollen der nachhaltigen Entwicklung dienen. Da haben wir Sorgen: Gemessen am Emissionsvolumen bezieht sich der überwiegende Teil der registrierten oder in Prüfung befindlichen CDM-Projekte auf Vorhaben, die mit HFC-23 ein unerwünschtes Nebenprodukt bei der Kältemittelproduktion zerstören oder Lachgas auffangen. Beides sind Gase mit hohem Wärmetrieb. So ist HFC-23 beispielsweise rund 11 700-mal klimaschädlicher als Kohlendioxid. Genau daraus ergibt sich jedoch im CDM eine verrückte Situation: HFC 23 kann mit sehr geringem Aufwand verbrannt und damit unschädlich gemacht werden. Aufgrund der hohen Klimaschädlichkeit generieren aber nur wenige Hundert Tonnen von verbranntem HFC-23 in Indien oder Korea CDM-Zertifikate über etliche Millionen Tonnen CO2-Äquivalent. So wird die Zerstörung des Gases, die auch schlicht per Gesetz geregelt werden könnte, zur grotesken Gelddruckmaschine. Es wäre unter CDM sogar hoch profitabel, allein wegen dieser Unmengen an Zertifikaten Kühlmittel auf Halde zu produzieren, nur um den dabei anfallenden Klimakiller zu vernichten. Fachleute sprechen gar von Anreizen, ohne Markt ganze Fabriken aus dem Boden zu stampfen. Dabei ist das Kältemittel selbst auch nicht ohne: Es greift nämlich die Ozonschicht an. Diese Verzerrungen, so meine ich, dürften auch nicht im Sinne der FDP sein. Vor allem aber werden Investitionsströme gebunden, die für tatsächlich nachhaltige Projekte wie erneuerbare Energien fehlen werden. Ich spreche das alles an, weil wir als Linke möchten, dass die flexiblen Instrumente erst einmal sorgfältigst erprobt und justiert werden; denn es macht keinen Sinn, sie schon kurz nach ihrem Start inflationär auszuweiten. Das aber wünscht die FDP. Darum können wir ihrem Antrag nicht zustimmen. (Beifall bei der LINKEN)
So viel Klimaschutz wie möglich!
Rede
von
Eva Bulling-Schröter,