Rede von Kerstin Kassner im Plenum des Deutschen Bundestages, tourismuspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, zum Tourismuspolitischen Bericht der Bundesregierung - 17. Legislaturperiode - mit der Drucksachennr. 17/13674, 18/605 sowie dem Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE (Drs.-Nr. 18/613) und dem Entschließungsantrag der Fraktion der Grünen (Drs.-Nr. 18/614) in der abschließenden 2./3. Lesung.
Kerstin Kassner (DIE LINKE):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste! Letzteres ganz besonders; denn das sind wir als Touristiker den Gästen schuldig.
Ich habe die Zeit im Herbst und im Winter des vergangenen Jahres, als wir noch nicht in den Ausschüssen tagten, genutzt, um mich eingehend mit diesem Bericht vertraut zu machen. Ich habe darin viel Wissenswertes und Interessantes gelesen, aber ich habe auch einige Stellen vermisst, wo ich gerne weitere Impulse gesetzt hätte. Aber vielleicht liegt das genau daran, wie es die Parlamentarische Staatssekretärin sagte, dass wir unterschiedliche Sichtweisen auf die Dinge haben. Vielleicht liegt gerade darin für uns die Chance, mehr für den Tourismus, der bekanntlich kein politisches Schlachtfeld sein darf, zu machen und positive Entwicklungen in dieser Legislaturperiode voranzutreiben.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Dass sich das lohnt, zeigen die einschlägigen Zahlen in diesem Bericht. Der direkte Umsatz beträgt 97 Milliarden Euro, fast 220 Milliarden Euro werden durch den Tourismus generiert, die Zahl der Beschäftigten ist hoch. Das sind Gründe, für die es sich lohnt, konsequent am Thema zu bleiben.
Es tauchen aber immer wieder Situationen auf, die zeigen, dass man den Tourismus behüten muss. Ich selbst habe das während meiner Tätigkeit als Landrätin erlebt. Wir hatten einmal ein Naturereignis, und von einem Tag zum anderen schwiegen die Telefone und wurden Buchungen storniert. Das war eine ernsthafte Bedrohung einer ganzen Region, das kann ich Ihnen sagen. Wir mussten viel für unser Image tun, um das wieder auszubügeln. Daran arbeiten wir eigentlich heute noch. Aber das hat uns auch ein Stück weit zusammengeschweißt.
Ich möchte heute auf drei Punkte eingehen, die meiner Fraktion und mir besonders am Herzen liegen. Der erste Punkt betrifft ‑ den haben auch Sie genannt ‑ die Frage der Arbeitskräfte. Uns wird im Mai ein Bericht vorgelegt, in dem eine Bewertung der Arbeitsmarkt- und Arbeitskräfteanalyse vorgenommen wird. Wir werden uns damit sicherlich sehr intensiv auseinandersetzen. Ich kann Ihnen sagen, dass das auch wirklich dringend notwendig ist.
(Beifall bei der LINKEN)
Wenn es etwas gibt, was die Region Mecklenburg-Vorpommern und auch meine Heimatinsel Rügen kennzeichnet, dann das, dass dort alle Entwicklungen auf dem Arbeitskräftemarkt wie mit einem Brennglas vorweggenommen werden; man erkennt sehr früh Tendenzen. Wir haben es sehr stark mit der Alterung in unserer Bevölkerung zu tun. Wir haben sehr stark damit zu tun, dass wir nur wenige Wirtschaftsbranchen haben. Bei uns konzentriert sich alles auf den Tourismus und die Landwirtschaft; viel mehr ist da nicht.
Dann macht es mir wirklich großes Kopfzerbrechen, dass es freie Stellen für Köche und Hotelangestellte gibt, dass es aber eben auch sehr viele gibt, die arbeitslos sind. Dazu muss ich Ihnen sagen: Dafür gibt es ganz objektive Gründe: Man muss einen Beruf im Tourismus wirklich lieben und mit seiner ganzen Persönlichkeit ausgestalten. Wenn sich andere erholen, es sich gemütlich machen, dann arbeiten die Touristiker. Das machen sehr viele sehr gern; schließlich macht es auch Spaß. Da kommt auch etwas zurück.
Aber man muss es auch können. Man muss in der Lage sein, seine familiären Anforderungen mit den beruflichen Herausforderungen in Übereinstimmung zu bringen. Man muss bereit sein, Überstunden auf sich zu nehmen. Unter Umständen muss man bereit sein, nur im Sommer zu arbeiten und im Winter zu Hause zu sein. Das ist nicht einfach. Es ist auch nicht einfach, nach der Saisonarbeit, also zu Beginn des Winters, zum Arbeitsamt zu gehen. Mir fehlen Impulse und Möglichkeiten, wie man den betroffenen Menschen noch stärker helfen kann.
(Beifall bei der LINKEN)
Es gab bei uns beispielsweise die sogenannten Winterakademien. So etwas wäre eine Möglichkeit, wo man ansetzen könnte.
Der zweite Punkt, der mir wichtig ist, sind die Kinder- und Jugendreisen. Hier gibt es noch ein unendliches Feld, das man bestellen kann. Wir alle erinnern uns an unsere Klassenfahrten. Das waren wirklich schöne Erlebnisse. Solche Reisen leisten aber auch etwas für die Bildung. Man lernt andere Länder, andere Kulturen kennen. Das macht einen wirklich zum Weltbürger, und am Ende sieht man auch die eigene Heimat, das eigene Zuhause mit ganz anderen Augen. Auch das tut gut.
(Beifall bei der LINKEN)
Der dritte Punkt, der mir wichtig ist ‑ wir haben es mitbekommen; es ist ein ressortübergreifendes Thema; es lohnt sich, von allen Seiten daran zu arbeiten ‑: Wir wünschen uns, dass es direkt im Bundeskanzleramt einen verantwortlichen Koordinator gibt, der diese Dinge miteinander vernetzt, der daran arbeitet, dass alle Ressorts nicht aneinander vorbei-, sondern gemeinsam in diese Richtung wirken.
Ich denke, es lohnt sich, dafür zu streiten. Wir stehen bereit. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit im Tourismusausschuss, aber natürlich auch auf die Zusammenarbeit mit vielen Verbänden sowie vielen Betroffenen aus den Regionen und den Bereichen der Wirtschaft.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Markus Tressel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))