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Sinnvolle Reform des Unterhaltsrechts gefordert!

Rede von Jörn Wunderlich,

In der Realität lebt ein hoher Anteil von Kindern und Jugendlichen auf einem Einkommensniveau, das sie von einer angemessenen sozialen und gesellschaftlichen Teilhabe ausschließt. Deshalb fordert die Fraktion DIE LINKE. für eine anstehende Reform des Unterhaltsrechts unter anderem: einen konsequenten Ausbau einer elternbeitragsfreien flächendeckenden Kinderbetreuung, um lückenlose Erwerbsbiografien beider Elternteile zu gewährleisten, die Anhebung der Altersgrenze im UVG auf 18 Jahre, unbefristet und am aktuellen Bedarf orientiert. Der familienpolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE., Jörn Wunderlich, in der Debatte zum FDP-Antrag „Unterhaltsrecht endlich sozial und verantwortungsbewusst den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen anpassen“ (Drs. 16/891).

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin fernab, das Leben mit Kindern grau in grau zu schildern. Diese Realität wird jedoch im Zwölften Kinder- und Jugendbericht beschrieben. Anstatt Rahmenbedingungen für eine grundlegende Veränderung der Situation zu schaffen, sorgt die Politik durch die Verschärfung der Sozialgesetze schamlos dafür, dass sich die Armut von Kindern und Jugendlichen verschärft. An dieser Stelle frage ich: Haben Sie wirklich den politischen Willen, an der Situation grundlegend etwas zu ändern, oder wollen Sie diese Situation manifestieren? Nun zum Unterhaltsrecht bzw. zum vorliegenden Antrag: Der Antrag hat aus meiner Sicht eine interessante parlamentarische Entwicklung genommen. Meiner Überzeugung nach springt hier die FDP-Fraktion auf einen Zug auf, der schon lange abgefahren und im Grunde sogar schon angekommen ist. Rechtspolitisch wird über das Ganze seit 2000 diskutiert - das ist schon angesprochen worden -, siehe die Beschlussempfehlungen des Rechtsausschusses und des Familienausschusses aus den Jahren 2000 und 2002. Den Referentenentwurf kennen wir. Ich habe ihn in meiner Eigenschaft als Familienrichter bekommen. Den werden wir hier im Plenum noch besprechen. Ich unterstelle Ihnen nicht, dass Sie nicht bereit sind, sich um Veränderungen zu bemühen. Aber die Frage ist: Wie weit reichend und umfänglich im Interesse aller Betroffenen sind die Veränderungen? Das ist die Messlatte für mich und für meine Fraktion. (Beifall bei der LINKEN) Werden wir einmal konkret. Aufgrund der Kürze meiner Redezeit - ich habe nur vier Minuten - kann ich nicht alle Punkte ansprechen, sondern nur einige wenige. Das Existenzminimum - ich beziehe mich jetzt nur auf den Antrag der FDP - in Höhe von 7 700 Euro ist zu gering. Derzeit müsste zumindest ein Existenzminimum in Höhe von 8 500 Euro für Erwachsene festgesetzt werden. Die Forderung nach einer Erhöhung des Kindergeldes auf 200 Euro ist ein anerkennenswerter Schritt. Aber Eltern mit hohen Einkommen würden wieder privilegiert. Durch die Beibehaltung der Günstigerprüfung erhielten Eltern, die einen Spitzensteuersatz zahlen, rund 70 Euro im Monat mehr steuerliche Entlastung. Zur Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten: Im Antrag ist vorgesehen, Kinderbetreuungskosten in Höhe von 12 000 Euro absetzen zu können. Das privilegierte Menschen mit hohen Einkommen, die die entsprechende steuerliche Entlastung für sich in Anspruch nehmen können. Die dürfte immens sein. Hier sollte wirklich - ich habe es schon im Ausschuss angesprochen - einmal da-rüber nachgedacht werden, ob es nicht doch sinnvoller wäre, die Hälfte der Kinderbetreuungskosten unmittelbar von der Steuerschuld abzuziehen mit einer Kappungsgrenze von 2 100 Euro. Denn so erhielten alle Eltern - ich betone: alle Eltern - die Hälfte der entsprechenden Kinderbetreuungskosten zurück. Ein Wort zum nachehelichen Unterhalt - auch das wurde schon angesprochen -: Wegen der schlechten Kinderbetreuungsinfrastruktur ziehen sich besonders viele Mütter - gegenwärtig herrscht noch das Ernährermodell vor - stark aus dem Erwerbsleben zurück. Die Lösung kann aber nicht, wie im FDP-Antrag nahe gelegt wird, ihr Schutz im nachehelichen Unterhaltsrecht sein. Wir fordern mit Nachdruck den konsequenten Ausbau einer elternbeitragsfreien, flächendeckenden Kinderbetreuung, um lückenlose Erwerbsbiografien beider Elternteile zu gewährleisten. Im Antrag taucht diese Forderung nicht auf, aber sie wurde in den Redebeiträgen der Kolleginnen Laurischk und Granold dankenswerterweise angesprochen. Begrüßenswert - das müssen wir sagen - ist, dass dem Kindesunterhalt der absolute Vorrang eingeräumt werden soll, also auch im Mangelfall. Dass die bisherigen Regelungen des Unterhaltsvorschussgesetzes nicht ausreichen, war bisher fraktionsübergreifend und bei den damit befassten Juristen wohl unstreitig. Dass die Altersgrenze auf 18 Jahre angehoben werden soll, ist eine vernünftige Erwägung. Die Beschränkung der Bezugsdauer von 72 auf 36 Monate ist allerdings der falsche Weg. Denn auch nach dem Sinn des UVG als Hilfe in einer vorübergehenden Situation, in der kein Unterhalt erhalten werden kann, muss doch die gegenwärtige gesellschaftliche Situation berücksichtigt werden. Zwar sind die Armutsphasen - das wird im Antrag richtig festgestellt - kurz und in der Regel nicht länger als drei Jahre, aber sie wiederholen sich. Das verschweigt der Antrag, ist aber im Zwölften Kinder- und Jugendbericht nachzulesen. Letztlich sind Kinder und Jugendliche die Leidtragenden, wenn die Eltern aufgrund einer verfehlten Arbeitsmarktpolitik und der damit einhergehenden Arbeitslosigkeit keinen Unterhalt zahlen können. Hier soll sich der Staat wieder aus der Verantwortung ziehen können? Geben Sie sich einen Ruck und fordern Sie endlich eine Grundsicherung für Kinder, damit Kinder in Deutschland wirklich wieder willkommen sind. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN)