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Sie halten den Fortschritt nicht mehr auf – geben Sie die Ehe frei für alle!

Rede von Harald Petzold,

Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher! Lieber Kollege Brandt, natürlich sollen Sie hier im Deutschen Bundestag Ihre Meinung sagen können

(Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU): Aha!)

und auch für Ihre Positionen werben können. Darum geht es doch gar nicht. Es geht nur darum, dass Sie zum Beispiel den Kolleginnen und Kollegen in Ihrer eigenen Fraktion und den Kolleginnen und Kollegen in der SPD-Fraktion, die offensichtlich eine ganz andere Meinung als die Spitzen ihrer eigenen Fraktionen haben ‑ der Kollege Kahrs hat es ja hier dargestellt ‑, die Möglichkeit einräumen, hier für ihre Position zu werben und dementsprechend dann auch abstimmen zu können.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen auch von meiner Seite zu Beginn meiner Rede in der Aktuellen Stunde zum Thema „Ehe für alle“ die Forderung: Geben Sie diese Abstimmung frei. Wenn Sie das nicht wollen, dann lassen Sie einen Volksentscheid zu dieser Frage zu. Dann werden Sie sehen, dass Sie die Meinungsführerschaft in der Gesellschaft mit Ihren Positionen, was die Ehe anbelangt, leider verloren haben.

Ich sage Ihnen auch klar und deutlich: Die Umfragen belegen vor allen Dingen, dass es für junge Leute eine ganz zentrale Frage von Gerechtigkeit in dieser Gesellschaft ist, dass es keine Diskriminierung mehr gibt und dass Respekt für alle Lebensweisen bekundet wird und dass niemand mehr ausgegrenzt und diskriminiert wird. Das sollten wir zur Kenntnis nehmen. Dem sollten Sie sich hier im Bundestag endlich öffnen.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Mechthild Rawert (SPD))

Als meine Fraktion am Anfang dieser Woche diese Aktuelle Stunde beantragt hat, war ich mir nicht sicher, ob das zum gegenwärtigen Zeitpunkt tatsächlich das optimale Mittel ist, mit dem Gegenstand umzugehen.

(Dr. Stefan Kaufmann (CDU/CSU): Ist es nicht, Herr Kollege!)

Der Kollege Jens Spahn hat sich sinngemäß in der Presse geäußert: Was im katholischen Irland möglich ist, sollte doch auch bei uns möglich sein.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das war überhaupt nicht aufgeregt oder hysterisch, sondern das ist einfach richtig.

(Beifall des Abg. Norbert Müller (Potsdam) (DIE LINKE))

Ihr Generalsekretär Peter Tauber hat auf seiner Facebook-Seite eine Umfrage initiiert, die eine überwältigende Mehrheit für die Öffnung der Ehe gebracht hat. Ich finde, das ist überhaupt nicht hysterisch. Das ist legitim, und es hat Sie sozusagen mit der gesellschaftlichen Realität konfrontiert.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Berliner CDU hat angekündigt, dass sie in dieser Frage einen Mitgliederentscheid herbeiführen will. Was ist daran hysterisch? Es ist einfach ein legitimes und demokratisches Mittel. Es wird Ihnen zeigen, dass in Berlin ‑ der Kollege Luczak wird mich wahrscheinlich bestätigen ‑ inzwischen viel weiter gedacht wird als in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU ‑ Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): In Köln auch! - Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Denken ist da verboten!)

Leider gibt es die „Oberbremser“ in der Union wie Frau Kramp-Karrenbauer, Herr Kauder oder Herr de Maizière, diesmal getarnt als Bedenkenträger. Ich muss sagen: Das, was Frau Kramp-Karrenbauer gesagt hat ‑ egal ob das jetzt richtig zitiert worden ist oder nicht ‑,

(Helmut Brandt (CDU/CSU): Nicht egal!)

ist den sogenannten besorgten Bürgern viel näher als einem tatsächlichen, sachlichen Austausch über diese Thematik in der Gesellschaft.

(NorbertMüller (Potsdam) (DIE LINKE): Das war blanke Hysterie!)

‑ Genau, das war blanke Hysterie.

Ich sage Ihnen voraus: Es ist ein sinnloser Abwehrkampf, den Sie hier führen. Nicht nur die Umfragen in Deutschland belegen das, sondern auch die Politik in vielen anderen Ländern. Der Kollege Kahrs hat sie aufgezählt. Ich könnte die Aufzählung ergänzen. Zu dieser Aufzählung gehören Länder, von denen man es nie im Leben für möglich gehalten hätte: Tschechien, Slowenien

(Johannes Kahrs (SPD): Südafrika!)

‑ Südafrika, genau ‑ und eben auch das katholische Irland. Dazu kommen 36 Bundesstaaten der USA. Wir erwarten zu Beginn des Sommers eine Entscheidung des Supreme Court der USA. Wir sind fest davon überzeugt, dass die Ehe gleichgeschlechtlicher Paare auch in den USA als verfassungsgemäß beurteilt wird. Und dann werden Sie sehen, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU: Der Kaiser ist nackt.

(Johannes Kahrs (SPD): Nein! Das ist kein erfreuliches Bild! Keine Bilder!)

Da können Sie machen, was Sie wollen. Sie haben kein sachliches Argument mehr gegen die Öffnung der Ehe.

(Beifall bei der LINKEN)

Deswegen sage ich Ihnen: Lassen Sie sich von den Kolleginnen und Kollegen in Ihrer Fraktion, die bei den vergangenen CSDs Grußworte gehalten haben, doch einfach einmal erzählen, wie das ist, wenn man für seine Position ausgebuht wird.

(Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Selber auf den CSD gehen!)

Sie können nicht beantworten, warum Sie nicht die Gunst der Stunde nutzen. Die Kanzlerin würde von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der CSDs auf Händen getragen. Ich befürchte sogar, die Mehrheit meiner eigenen Anhänger wäre darunter. Aber das wäre mir recht, damit Sie endlich Ihre Position ändern. Nutzen Sie die Gunst der Stunde, die neuen Mehrheiten in der Gesellschaft. Wenn Sie eine Bewegung schon nicht mehr verhindern können, dann sehen Sie wenigstens zu, dass Sie an ihre Spitze kommen, und öffnen Sie die Ehe für gleichgeschlechtliche Partnerschaften.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): An die Spitze schaffen sie es nicht mehr!)