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Sicherheitspolitik der Regierung ist gefährlicher Wahnsinn

Rede von Steffen Bockhahn,

Steffen Bockhahn (DIE LINKE):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!

Frau Vogelsang, Ihre Rede endete im Wesentlichen mit dem Thema der Integrationskurse und der Kürzungen, die da vorgenommen worden sind. Es mag nicht überraschen, aber wir sehen das ein bisschen anders als Sie.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich kann mich sehr genau an die Haushaltsberatungen für 2010 erinnern. Da wurde die Idee vorgestellt, die Struktur der Kurse ein bisschen zu verändern und mehr Ganztagskurse einzurichten. Wir haben sehr intensiv darüber gesprochen, wie man dann das Umfeld gestalten müsse. Denn wenn man möchte, dass auch eine Migrantin, die Mutter ist, an einem Sprachkurs oder Integrationskurs teilnimmt, muss man sich natürlich Gedanken darüber machen, wo das Kind bleibt, während die Mutter im Integrationskurs ist, wahlweise der Vater, wenngleich das eher selten der Fall ist. Wir haben ausdrücklich darauf hingewiesen. Was war das Ergebnis? Es ist gar nichts passiert.

Sie haben zwar die Ganztagskurse zur Regel gemacht, aber sich blöderweise nicht um die Kinderbetreuung gekümmert. Das wiederum hatte zur Folge, dass weniger Frauen und Männer diese Kurse in Anspruch genommen haben. Es ist leicht verständlich, dass die Mittel nicht abfließen, wenn weniger Leute in den Kursen sind. Sie betreiben da eine falsche Politik, die der Integration nicht förderlich ist.
(Beifall bei der LINKEN - Reinhard Grindel (CDU/CSU): Kinderbetreuung ist schon Sache der Kommunen, oder?)

Sie machen da noch viele andere Sachen. Beispielsweise planen Sie, 2013 Mittel für die Projektförderung in Höhe von 10 Millionen Euro anders zu verwenden. Die Schwierigkeit besteht aber darin, dass diese 10 Millionen Euro eigentlich für etwas anderes gedacht waren, nämlich für eine erweiterte Sprachförderung über das Niveau B 1 hinaus, beispielsweise für Qualifizierte oder Hochqualifizierte, um ihnen eine noch bessere Möglichkeit zur Integration in unsere Gesellschaft zu geben. Das alles lassen Sie einfach wegfallen. Das ist schlicht und ergreifend nicht ehrlich.
Noch absurder wird es, wenn wir uns anschauen, was Sie mit den Einsparungen machen, die durch die geringere Inanspruchnahme von Integrationskursen entstanden sind. Sie nutzen dieses Geld nämlich nicht etwa, um an anderer Stelle im Bereich der Integration Sinnvolles zu tun, sondern Sie benutzen es als Puffer, um Mehrausgaben in anderen Bereichen, vorzugsweise bei der Bundespolizei etc., auszugleichen. Bestimmte Bereiche Ihres Haushalts sind unterfinanziert.
Sie wissen das und ausgerechnet aus den nicht ausgeschöpften Mitteln für Integrationskurse haben Sie einen Puffer geschaffen, mit dem Sie andere Vorhaben querfinanzieren wollen. Das ist unredlich, aber das ist Ihre Art der Haushaltspolitik.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schauen wir uns an, wie sich der Haushalt in seiner Struktur verändert hat. Man kann feststellen, dass er sich wenig verändert hat, dass im Prinzip alles gleichgeblieben ist. Sie schaffen Kompetenzzentren, Gemeinsame Abwehrzentren. Sie verknüpfen das eine mit dem anderen, ohne zu überlegen, ob das sinnvoll ist oder nicht Hauptsache Aktionismus, und davon ganz viel. Sie schaffen viele neue Stellen in den vermeintlichen Sicherheitsbereichen, lassen aber das, was zwingend notwendig ist, nämlich die Präsenz in der Fläche, komplett außen vor.
(Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Wir sind schon beim Bundesetat, oder?)

Lassen Sie mich ein Beispiel nennen. Das Bundeskriminalamt hat in den letzten zehn Jahren allein im Rahmen der sogenannten Terrorismusbekämpfung und der Stärkung der inneren Sicherheit zusätzlich 166 Millionen Euro und 732 Stellen bekommen, während in anderen Bereichen stetig Personal abgebaut werden musste. Ich kann allerdings nicht erkennen, dass der Erfolg so grandios war, dass ein solcher Zuwachs zu rechtfertigen gewesen wäre. Wir haben schon viel darüber gesprochen, welche Defizite es bei der Bundespolizei in der Fläche gibt. Wenn Sie also die Sicherheitsbehörden in ihrer täglichen Aufgabe stärken wollen, dann sorgen Sie bitte dafür, dass die Polizei sichtbar ist, und nicht dafür, dass irgendwelche Leute, die in Hinterzimmern irgendwelche Sachen machen darüber will ich gleich noch sprechen , gestärkt werden. Das ist der falsche Weg.
(Beifall bei der LINKEN)

Die Sache, über die ich noch sprechen wollte, ist Ihr Wahn zur Onlineüberwachung und ich kann das nicht anders sagen zur Bespitzelung der Bevölkerung in einer Art und Weise, die wirklich jedes Maß verloren hat.
(Beifall bei der LINKEN Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Da haben Sie Expertise! Durchaus!)

Wenn Sie sich anschauen, was Ihre Regierung in Fortsetzung der Vorgängerregierung im Bereich der Onlineüberwachung gemacht hat, dann kann einem wirklich gruselig werden, Beispiel: der Staatstrojaner.
Wie gehen Sie vor? Sie geben einer privaten Firma den Auftrag, eine solche Schnüffelsoftware zu entwickeln. Diese private Firma wird also mit Steuergeld bezahlt. Sie benutzen die Software nicht einmal selber, sondern lassen auch das die private Firma machen. Die Bespitzelung von Leuten und das Ausspähen von Kommunikationsdaten übernimmt eine private Firma. Sie nehmen sich noch nicht einmal das Recht, in den Quellcode der verwendeten Software hineinzuschauen. Weder dem Datenschutzbeauftragten noch dem Innenministerium war der Zugriff möglich. Was ist daran transparent? Ist das eine angemessene Sicherheitspolitik? Das ist einfach nur Wahnsinn, und es ist nicht besonders schlau, was Sie da machen.
(Beifall bei der LINKEN)

Diese Software verstößt gegen das Grundgesetz; das haben wir inzwischen schriftlich bekommen. Was machen Sie? Sie lassen die Software weiterentwickeln, statt sich Gedanken darüber zu machen, ob man sie vielleicht nicht selber entwickeln könnte, wenn man schon meint, dass sie sein müsse. Wir sehen das anders.
Folgende Maßnahme schlägt allerdings dem Fass den Boden aus: Sie sichern sich nicht einmal exklusiv die Rechte an dieser Software. Sie lassen zu, dass ein privates Unternehmen eine Software, die über das rechtlich Zulässige in Deutschland hinausgeht, weiterverkaufen darf. Eine auf Staatskosten entwickelte Software wird von einem Privatunternehmen weiterverkauft. Der Profit bleibt bei dem privaten Unternehmen. An wen wird die Software verkauft? An die Diktaturen im arabischen Raum, um dort die Opposition auszuspionieren und zu bespitzeln. Wenn das Ihre Form der Zusammenarbeit zur Stärkung der Sicherheitsapparate ist, dann haben Sie ein eigenartiges Verständnis von Demokratieförderung; denn beides passt definitiv nicht zusammen.
(Beifall bei der LINKEN)

Es ist hochgradig interessant, wie Sie weiterhin mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz verfahren. Leider darf man darüber nicht so viel sagen,
(Heinz-Peter Haustein (FDP): Richtig!)
weil das alles geheim ist; so viel zur transparenten Kontrolle von Geheimdiensten durch Parlamente.
(Halina Wawzyniak (DIE LINKE): Einfach abschaffen! Weitere Zurufe von der LINKEN: Weg damit! Abschaffen!)
Das ist eine schöne Geschichte, an die aber weder ich noch meine Partei glauben. Deswegen sind wir für die Abschaffung des Bundesamts und auch der Landesämter für Verfassungsschutz. Das ist Ihnen nicht neu.
Das Interessante ist so viel kann man sagen , dass auch beim Bundesamt für Verfassungsschutz eine Stärkung der Prävention von Rechtsextremismus vorgenommen werden soll. Das ist im Grunde zu begrüßen. Zu den einzelnen Maßnahmen kann man nur sagen: Es ist fragwürdig, ob sie tatsächlich helfen werden. Immerhin haben Sie ein neues Gemeinsames Abwehrzentrum, in dem die Verfassungsschutzämter und die Polizei weiter miteinander vernetzt werden. Ob das dem Trennungsgebot noch entspricht, darüber darf man unterschiedlicher Meinung sein.
(Beifall bei der LINKEN Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD): Euer Geheimdienstexperte sieht das anders!)

Wir fordern die Abschaffung des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Vor allen Dingen aber fordern wir ein Ende der Bespitzelung unserer Partei und unserer Fraktion. Sparen Sie sich das Geld, und nutzen Sie es für etwas Sinnvolles.
Ganz zum Schluss möchte ich Ihnen, meine Damen und Herren, noch den, wie ich meine, politischsten, den umstrittensten, den unglaublich wichtigen Antrag zu diesem Einzelplan vorstellen. Dabei geht es um 2 Millionen Euro mehr für das Technische Hilfswerk, die dringend gebraucht werden, um Öffentlichkeitsarbeit zu machen, damit sich Leute freiwillig für die Mitarbeit beim THW melden. Das unterstützen wir, glaube ich, alle deutlich. Ich sehe ein, dass das ein so kritischer Punkt ist, dass man da nicht fraktionsübergreifend agieren kann. Fürs Protokoll möchte ich nur festgehalten wissen: Auch die Linke war dafür, wenngleich Sie der Auffassung waren, dass die Linke nicht mit auf so einem Antrag stehen darf. Aber das ist Ihre „undogmatische“ Art der Haushaltspolitik und Ihre „undogmatische“ Art der Innenpolitik. Wir waren offen für praktische Vorschläge. Wenn Sie das nicht können, dann ist das Ihr Problem.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)