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Schwarz-rote Haushaltslogik: Kinderarmut steigt, der Kinderzuschlag sinkt

Rede von Diana Golze,

Im Rahmen des Bundeshaushalts verfügt man über einige Instrumente zur Bewältigung der Herausforderungen der Kinder- und Jugendpolitik. Aber das kinder- und jugendpolitische Denkmodell der Koalition lässt sich auf den absurden Nenner bringen: Kinder kriegen mehr, aber sie sollen es selbst bezahlen. Diana Golze , kinder- und jugendpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. in der Haushaltsdebatte zum Einzelplan 17:

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! „Kinder kriegen mehr …!“ So lautet ein bekannter Slogan aus dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Ich möchte hier überprüfen, ob dies mehr als nur einer der vielen schönen Sätze ist, die wir von unserer Familienministerin regelmäßig hören. Aus Sicht der Linken müssten dann im Bundeshaushalt die zentralen kinder- und jugendpolitischen Herausforderungen der Gegenwart aufgegriffen werden. (Beifall bei der LINKEN) Ich nenne Ihnen hier nur drei. Erstens. Auch wenn es wirtshaftnahe Experten wegreden wollen, für viele Kinder und Jugendliche bleibt Armut im Jahr 2006 bittere Realität. Wo wie in der Uckermark jedes dritte Kind auf Sozialhilfeniveau lebt, sind die Fundamente unseres Gemeinwesens in Gefahr. Zweitens. Die Defizite bei der öffentlichen Kinderbetreuung in Deutschland sind mehr als einmal beklagt worden. Qualität und Quantität sind dringend verbesserungsbedürftig. Es mangelt nicht am Engagement von Eltern und Fachkräften. Es wird auch hier nicht ohne ein verstärktes finanzielles Engagement von Bund, Ländern und Kommunen gehen. (Beifall bei der LINKEN) Drittens. Die Kinder- und Jugendarbeit in Deutschland befindet sich in einer Krise. Auch hier mangelt es nicht am Engagement von Ehrenamtlichen und Freiwilligen. Es mangelt aber am Willen zur Förderung. Diese ist nicht zuletzt im Kinder- und Jugendhilferecht verankert. Aber darüber, ob Sie solche bundesweiten Standards überhaupt noch wollen, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, haben Sie im Rahmen der Föderalismusreform zu entscheiden. (Beifall bei der LINKEN) Fakt ist, dass seit dem Jahr 2000 die Mittel für Maßnahmen in der Kinder- und Jugendarbeit um 17 Prozent gekürzt wurden. Außerdem fehlt die Perspektive. Nur mit Feuerwehrprogrammen ist keine gute Jugendarbeit zu machen. (Beifall bei der LINKEN) Im Rahmen des Bundeshaushalts verfügt man über einige Instrumente zur Bewältigung dieser Herausforderungen. Aber das kinder- und jugendpolitische Denkmodell der Koalition lässt sich auf den absurden Nenner bringen: Kinder kriegen mehr, aber sie sollen es selbst bezahlen. (Beifall bei der LINKEN) Nicht anders ist es zu verstehen, wenn zum Beispiel zur Finanzierung von beitragsfreier Kinderbetreuung eine Kürzung des Kindergeldes vorgeschlagen wird. (Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner) Der Kinder- und Jugendpolitik mangelt es nicht an guten Ideen, sondern an Geld zu deren Umsetzung. Gerade aus dieser Sicht lässt der Haushalt 2006 zu viele Fragen offen. Lassen Sie mich Folgendes beispielhaft aufzählen: Erstens. Den Kinderzuschlag wollten Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von Union und SPD, laut Koalitionsvertrag mit Wirkung ab dem Jahr 2006 weiterentwickeln, um die Kinderarmut zu reduzieren. Der Kreis der Anspruchsberechtigten sollte erhöht werden. Das ist ein begrüßenswertes Vorhaben, wenn es denn richtig ausgeführt wird. Wir finden im Haushalt aber einen reduzierten Ansatz für den Kinderzuschlag. Nun werden Sie mir sicherlich sagen, das habe mit der Zahl der bewilligten Anträge zu tun. Aber wäre es dann nicht sinnvoller gewesen, zuerst die Regelungen zu verbessern, deretwegen 80 bis 90 Prozent der Anträge abgelehnt werden? Sie kürzen stattdessen erst einmal den Ansatz. Die Kinderarmut ist nicht zuletzt durch Hartz IV deutlich gestiegen. Die Vorstellung, dass Sie, wie bislang geplant, die Weiterentwicklung des Kinderzuschlags im Rahmen des SGB-II-Optimierungsgesetzes regeln wollen, macht den Betroffenen und auch mir Angst. Laut Herrn Müntefering soll der Kinderzuschlag ab 2008 die Riesterrente attraktiver machen. Ich bin gespannt, was Sie nun wirklich wollen. (Nicolette Kressl [SPD]: Das sind zwei verschiedene Dinge!) -Dann fragen Sie Herrn Müntefering, warum er das in diesem Zusammenhang bringt. Die Kinderarmut steigt, der Kinderzuschlag sinkt. Das ist die schwarz-rote Haushaltslogik. (Beifall bei der LINKEN) Verehrte Damen und Herren, wir unterstützen Ihr Vorhaben, den Kinderzuschlag weiterzuentwickeln und den Kreis der Anspruchberechtigten auszuweiten, zum Beispiel auf Empfängerinnen und Empfänger von ALG II. Ich kündige Ihnen schon jetzt eine parlamentarische Initiative dazu an. Ich hoffe, Sie stimmen dann nicht gegen Ihren eigenen Koalitionsvertrag. (Beifall bei der LINKEN) Zweitens. Die Abschaffung der Elternbeiträge für Kindertagesstätten steht zwar nicht im Koalitionsvertrag, dafür aber endlich auf der politischen Agenda. Während die Regierungskoalition sich ohne große Diskussionen entschieden hat, wohlhabenden Haushalten durch die steuerliche Förderung von Kinderbetreuung Hunderte von Millionen Euro zu schenken, ist sie in dieser Frage zögerlich: Nirgendwo im Haushaltsplan findet sich ein Ansatz zur Realisierung dieses ambitionierten Vorhabens. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich fordere Sie auf: Setzen Sie ein Zeichen für Kinder! Gebührenfreie Kindergartenplätze sind wichtiger als das, was dieses Land für Waffen ausgibt und was es sich an Steuernachlässen für Reiche leistet. (Beifall bei der LINKEN) Drittens. Der Kinder- und Jugendplan des Bundes ist dieses Jahr - informierte Beobachterinnen und Beobachter reiben sich die Augen! - nicht nur vor Kürzungen sicher, er wird sogar leicht, auf nunmehr 105 Millionen Euro, erhöht. Das sind - nur damit Sie sich daran erinnern - zwar immer noch 15 Millionen Euro weniger als im Jahr 2004. Aber es war Schlimmeres zu erwarten von einer Regierung, deren Finanzminister die Koch/ Steinbrück-Liste mit zu verantworten hat, auf der der Kinder- und Jugendplan stand und gemäß der er nach dem Rasenmäherprinzip gekürzt werden sollte. (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Oh Gott!) - Den brauchen Sie an dieser Stelle nicht anzurufen. (Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Doch, wir schon!) Hier erkennen die Akteure der Kinder- und Jugendarbeit genauso wie ich einen Fortschritt an. Hoffentlich nehmen sich Ihre Kolleginnen und Kollegen in den Ländern daran ein Beispiel und sichern die Kinder- und Jugendarbeit als Investition in die Zukunft auch in Zeiten knapper Haushalte nachhaltig. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist zu Ende. (Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Höchste Zeit! - Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Gott sei Dank!) Diana Golze (DIE LINKE): Wo wir gerade bei Nachhaltigkeit sind - - Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Nein, Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist wirklich zu Ende. Diana Golze (DIE LINKE): Der Kollege von meiner Fraktion hat eine Minute eingespart; ich dachte, ich könnte diese Minute ausnutzen. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Ich bekomme Ihre Redezeit angezeigt. Sie ist deutlich zu Ende. Sie müssen zum Ende kommen. Diana Golze (DIE LINKE): Dann sage ich nur noch einen Satz: Ich freue mich, dass die Programme gegen Rechtextremismus in diesem Jahr ungekürzt bleiben sollen. Für 2007 steht in der mittelfristigen Planung allerdings etwas anderes. Ich hoffe, daran ändert sich noch etwas, Frau Ministerin. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN - Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Nach dieser Rede könnten wir die Programme gegen Linksextremismus etwas ausweiten!)