Rede zum Haushaltsentwurf 2010 des Gesundheitsministeriums
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Bürgerinnen und Bürger interessiert im Gesundheitsbereich in erster Linie, dass sie im Krankheitsfall die bestmögliche Versorgung erhalten und dass diese auch bezahlbar ist. Um die Finanzierung dieser Leistungen wird in der Politik seit Jahren heftig gestritten. Was den Bürger allerdings als Ergebnis dieser Debatten erreicht, kann man mit den Worten „permanente Verschlechterung“ zusammenfassen.
Da ist zum Beispiel der Ärztemangel und die damit verbundenen langen Wartezeiten auf einen Arzttermin zu nennen. Insbesondere in den ländlichen Räumen fehlen Ärzte; die Wege sind zu lang. Da geht es zum Beispiel um das Thema der schlechteren Behandlung und der schlechteren Pflege. Das Schlagwort „blutige Entlassung“ ist ja jedem hier ein Begriff. Da sind zum Beispiel die Arztpraxen, die privatversicherte Patienten bevorzugt behandeln oder, noch schlimmer, nur diese behandeln. Die erste Frage beim Arzt lautet eben nicht mehr: „Was fehlt Ihnen?“, sondern die erste Frage beim Arzt lautet heutzutage: „Sind Sie privat versichert oder Kassenpatient?“.
(Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU): Stimmt doch gar nicht!)
Na, dann gehen Sie einmal zum Arzt und fragen nach.
(Georg Schirmbeck (CDU/CSU): Bei mir hat er das letzte Mal gesagt: Herr Schirmbeck, Sie sehen gut aus!)
Und es findet natürlich immer wieder der Griff in die Geldbörse der Bürgerinnen und Bürger statt: Zuzahlung zu Arzneimitteln, Praxisgebühr, Erhöhung der Kassenbeiträge usw. usf.
Herr Minister Rösler, Sie setzen diese Politik der Verschlechterung nahtlos fort und führen seit Amtsantritt eine Debatte um die Kopfpauschale. Aber ob 25 oder 29 Euro was bei den Bürgerinnen und Bürgern wieder einmal ankommt, ist, dass es bald wieder einen Griff in die private Haushaltskasse geben wird. Jeder bereitet sich natürlich auf diese weiteren Einschnitte vor. Unklug war es allerdings von Ihnen, Herr Minister, die Einführung einer Kopfpauschale mit dem eigenen Kopf, der eigenen politischen Zukunft, zu verbinden.
Wie lange wollen Sie eigentlich noch bis zu Ihrem Rücktritt warten?, frage ich Sie.
Die Kanzlerin hat Ihnen in Ihrer Kommission sieben weitere Minister als Aufpasser zur Seite gestellt. Die Minister der Union sympathisieren zwar mit Ihren Ideen davon bin ich überzeugt , aber sie wissen auch, dass die Kopfpauschale für die Union zu dem werden kann, was Hartz IV für die SPD geworden ist.
(Beifall bei der LINKEN)
Wenn die Kopfpauschale kommt, bringt das für Millionen von Haushalten in Deutschland eine Schlechterstellung mit sich. Millionen würden dann zu Bittstellern gegenüber dem Staat gemacht. Das sind alles Wählerinnen und Wähler, auch von Ihnen. Wenn die Union zwischen der Einführung einer Kopfpauschale und als Folge dessen Wahlniederlagen oder dem Kopf des Ministers wählen muss, dann ist, wie ich denke, der Kopf des Ministers ein lukrativeres Geschäft.
(Beifall bei der LINKEN Zurufe von der CDU/CSU)
Nun haben Sie zur Ablenkung die Debatte um die Ausgabenbegrenzung bei den Arzneimitteln angeschoben. Der Nebel hat sich wieder verzogen. Was allerdings während des Nebels geschah, ist genau das Gegenteil Stichwort: Klientelpolitik davon, der Pharmalobby Paroli zu bieten. Die einzige sinnvolle Maßnahme, die im Zuge der Gesundheitsreform des Jahres 2004 unter Ulla Schmidt eingeführt wurde, haben Sie begonnen zu schleifen. Sie haben erst einmal im Apparat aufgeräumt und den Chef des Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen beiseiteräumen lassen.
(Beifall des Abg. Dr. Lutz Knopek (FDP) Zurufe von der LINKEN: Pfui!)
Was am 15. März in Spiegel Online unter der Überschrift „Operation Hippokrates“ zu lesen war, liest sich wie ein Räuberroman. Mit allen erdenklichen Mitteln und Tricks ging es dem Chef des Instituts, Peter Sawicki, zielgerichtet an den Kragen.
(Jens Spahn (CDU/CSU): Kannten Sie das Institut überhaupt vor dem Spiegel-Artikel?)
Der war natürlich Ihnen und der Pharmaindustrie - ich nenne wieder das Stichwort Klientelpolitik - seit langem ein Dorn im Auge. Das ist ja auch kein Wunder, wenn der Chef des Instituts, welches für die Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln verantwortlich ist, feststellt: Die pharmazeutische Industrie betrachtet Deutschland als Selbstbedienungsladen.
Das, Herr Rösler, sind zusammengefasst die Ergebnisse Ihrer bisherigen Zeit als Gesundheitsminister. Dabei könnten Sie doch mit ganz einfachen Mitteln vorweisbare Ergebnisse bringen, Ergebnisse im Übrigen, die bei den Menschen auch einmal für eine positive Erfahrung sorgen würden:
(Jens Spahn (CDU/CSU): Sozialismus!)
Sie könnten zum Beispiel zur Senkung der Arzneimittelkosten den Vorschlag der Linken unterstützen. Ich fordere Sie auf: Senken Sie die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel.
(Beifall bei der LINKEN)
Für Steuersenkungen ist die FDP doch immer zu haben. In dem Bereich könnten wir es doch einmal machen. Sie könnten auch unserem Antrag zustimmen, die nichtkommerzielle Pharmaforschung zu stärken. Das wäre doch auch in Ihrem Interesse, Herr Minister, wenn es Ihnen wirklich um die Beschränkung der Macht der Pharmakonzerne geht.
(Beifall bei der LINKEN)
Sie könnten sich mit uns gemeinsam an anderer Stelle dafür einsetzen, dass der Investitionsstau von 50 Milliarden Euro bei den Krankenhäusern aufgelöst wird. Das wären Maßnahmen, mit denen altbekannte Probleme gelöst oder die Fehlentwicklungen der vergangenen Jahre korrigiert werden könnten. Im Übrigen wären das Maßnahmen, von denen die Bürgerinnen und Bürger tatsächlich etwas hätten und die sie sofort spüren würden.
Die Linke das ist bekannt ist gegen eine weitere Privatisierung und Kommerzialisierung im Gesundheitswesen.
(Beifall bei der LINKEN Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Ihr seid für Verstaatlichung! Jens Spahn (CDU/CSU): „VEB Krankenkasse“ nennt sich das!)
Krankenhäuser und Arztpraxen sind keine Profitcenter, sondern Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge. Sie gehören dementsprechend geschützt.
(Beifall bei der LINKEN)
Sie wissen genau, dass die Menschen in unserem Land keine Zweiklassenmedizin wollen. DIE LINKE steht an deren Seite. Deshalb sind wir der Meinung, dass der solidarische Charakter der Krankenversicherung erhalten und gestärkt werden muss. Letztlich halten wir eine solidarische Bürgerversicherung für den geeigneteren Weg, die Gesundheitsversorgung auf gleichem Niveau für alle sicherzustellen. Wir halten die Bürger- und Bürgerinnenversicherung für einen geeigneteren Weg, eine soziale und gerechte Finanzierung des Gesundheitssystems zu realisieren.
(Heinz Lanfermann (FDP): Eine Bürgerverunsicherung!)
Solange Sie diese Forderung im Haushalt nicht realisiert haben, können und werden wir diesem Haushalt nicht zustimmen.
(Beifall bei der LINKEN)