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Schutzschirm für Menschen

Rede von Werner Dreibus,

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!

6 Prozent minus drohen der Wirtschaft, Hunderttausende Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel. Die Menschen brauchen jetzt Schutz vor den Auswirkungen der Krise. Deshalb fordern wir einen Schutzschirm für Menschen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir legen Ihnen dazu in drei Anträgen detaillierte konkrete Vorschläge vor.

Nach wie vor hilft die Große Koalition vor allem maroden Banken. Auch der Wirtschaftsgipfel vom gestrigen Tag ändert daran leider nichts. Allein einer einzigen Bank, der HRE, schieben Sie mehr Geld zu, als Sie für die Rettung von Arbeitsplätzen auszugeben bereit sind, Ihre Konjunkturprogramme inbegriffen.

Sie reden davon, dass die Banken zu bedeutend für die Wirtschaft sind, als dass wir sie pleitegehen lassen können. Das mag so sein. Aber dann müssen Sie, dann müssen wir auch von den Arbeitsplätzen von Millionen Menschen sprechen, die noch bedeutender sind und deren Verlust wir ebenso wenig hinnehmen können.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Menschen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, sind systemrelevant. Dazu hört man von Ihnen viel zu wenig. Sie bedienen vor allen Dingen die Interessen derjenigen, die uns die Krise eingebrockt haben. Diejenigen, die unter ihr leiden, speisen Sie mit warmen Worten ab.

Beschäftigungsgarantien für die bei Opel Beschäftigten? Fehlanzeige.
Hilfen für den Mittelstand, dem die Banken den Kredithahn zudrehen? Fehlanzeige.
Investitionen für neue Arbeitsplätze? Fehlanzeige. Beschäftigungsprogramme für Langzeitarbeitslose? Fehlanzeige. Und so weiter.

Keinen einzigen Euro wollen Sie ausgeben, um die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I zu verlängern. Nach Ihrem Willen landen die meisten Menschen, die heute arbeitslos werden, spätestens nach einem Jahr bei Hartz IV.
Auch den Millionen, die schon heute Hartz IV beziehen, bieten Sie keine Perspektive. Sie sind nicht einmal bereit, das Arbeitslosengeld zu erhöhen, sodass die Menschen würdevoll davon leben können.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich nenne nur die Zahl: 2,5 Millionen arme Kinder in Deutschlands Haushalten. Das ist und bleibt eine Schande für unser Land.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Koalition redet nur von der Finanz- und Wirtschaftskrise. Sie ignoriert, dass sich dahinter eine tiefgehende humanitäre Krise verbirgt. Angesichts dessen, wie SPD und Union auf die aktuellen Prognosen reagieren, stelle ich mir ernsthaft die Frage, ob die Koalition noch politisch zurechnungsfähig ist.

(Zuruf von der CDU/CSU: Was?)

Sie sind bisher für 2009 von einem Minus von 2,25 Prozent ausgegangen und haben als Gegenmaßnahme Konjunkturhilfen in Höhe von 20 Milliarden Euro beschlossen. Jetzt wird von 6 Prozent minus und von bis zu 1 Million mehr Arbeitslosen ausgegangen. Was macht die Kanzlerin? Sie erklärt, die bisherigen Konjunkturprogramme müssten ausreichen. Genauso gut könnte man behaupten, dass ein Damm, der darauf ausgelegt ist, vor einer Flutwelle von 5 Metern Höhe zu schützen, auch vor einer Flutwelle von 15 Metern Höhe schützt. Doch ein Tsunami ist etwas anderes als das jährliche Frühjahrshochwasser.
Das alles ist realitätsfern, dreist und unverantwortlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu dieser Realitätsferne gehört auch, dass Sie wohlbegründete Warnungen regelmäßig in den Wind schreiben, selbst wenn sie von Ihnen nahestehenden Leuten kommen. Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank hat bereits im letzten Herbst einen Rückgang der Wirtschaftsleistung von bis zu 4 Prozent für möglich gehalten. Sie und Ihre verantwortlichen Minister haben das damals im Bundestag als Panikmache abgetan. Jetzt wissen wir: Wir müssen mit einem Rückgang von 6 Prozent rechnen.

Ebenfalls im Herbst 2008 hat der Chef der Bundesagentur für Arbeit davor gewarnt, die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu kürzen. Ich habe in der damaligen Bundestagsdebatte gesagt: Nur Geisterfahrer oder Zyniker senken in der Krise die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. „Unsinn“, hieß es damals aus Ihren Reihen, „das Geld reicht allemal, wir haben genug Rücklagen.“ In diesem Herbst wird die Bundesagentur mit leeren Händen dastehen.

Die neue Steuerschätzung wird möglicherweise einen Fehlbetrag von 20 Milliarden Euro ausweisen. Bis 2013 werden nach den jetzt vorliegenden Berechnungen in den öffentlichen Kassen krisenbedingt bis zu 200 Milliarden Euro fehlen. Dennoch weigern Sie sich weiterhin beharrlich, die Reichen und Superreichen wenigstens in der Krise stärker an der Finanzierung des Gemeinwesens zu beteiligen: Die Steuern für Spitzenverdiener werden nicht erhöht, große Vermögen werden auch weiterhin nicht besteuert.
Wie wollen Sie denn die Kosten der Krise schultern? Wir haben eine schlimme Befürchtung: Sie holen sich das Geld bei den Beschäftigten, bei den Arbeitslosen und bei den Rentnern,

(Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE): So ist es!)

selbstverständlich erst nach der Bundestagswahl.

(Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE): Genau das!)

Dann heißt es wieder, alle müssten jetzt den Gürtel enger schnallen. Aber Sie meinen immer nur diejenigen, die sowieso schon nicht viel haben. Das ist Politik gegen die Menschen.

(Beifall bei der LINKEN)

Da kann die SPD noch so schöne Sachen in ihr Programm schreiben. Mit Ihrem Wunschpartner FDP das werden wir gleich noch hören , werden Sie davon nichts umsetzen können, und Sie wissen das. Trotzdem täuschen Sie die Wählerinnen und Wähler. Die nächste Umverteilung von unten nach oben hat Herr Steinbrück mit seinem Weg zu den Bad Banks schon eingeleitet. Der Finanzminister redet von einem „Risiko für Steuerzahler, das bleibt“. Auf gut Deutsch heißt dies: Wenn sich die faulen Wertpapiere auf Dauer als unverkäuflich erweisen, dann zahlen halt die Steuerzahler die Zeche. Den Banken kann man das ja nicht zumuten.

Wir fordern die Bundesregierung auf, ihre Krisenpolitik zu ändern. Verteilen Sie die Kosten der Krise gerecht! Ein erster Schritt ist eine Millionärsabgabe.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine Abgabe von 5 Prozent auf hohe Vermögen für die Zeit der Krise bringt den öffentlichen Kassen 80 Milliarden Euro jährlich.

Zweitens fordern wir Sie auf, mit diesem Geld einen Schutzschirm für Menschen zu spannen: Verlängern Sie jetzt die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I und erhöhen Sie das Arbeitslosengeld II!

(Beifall bei der LINKEN)

Legen Sie einen Zukunftsfonds auf, der Unternehmen bei der Umstellung der Produktion auf energie- und rohstoffeffiziente Verfahren und Produkte unterstützt und so bestehende Arbeitsplätze sichert und neue Arbeitsplätze schafft!

Bauen Sie die sozialen Dienstleistungen in der Kinderbetreuung, der Altenpflege, der Bildung und anderswo aus und schaffen Sie dazu eine Million neuer Arbeitsplätze! Wann, wenn nicht jetzt?

(Beifall bei der LINKEN)

Richten Sie 500 000 öffentlich geförderte Arbeitsplätze für diejenigen ein, die auf dem ersten Arbeitsmarkt keine Chance mehr haben! Details finden Sie in unserem Antrag. Sichern Sie Beschäftigung, indem Sie anstelle von Leiharbeit, befristeten Verträgen und Minijobs gute Arbeit, also das unbefristete und tariflich entlohnte Beschäftigungsverhältnis, fördern! Dies hilft dem Einzelnen, aber auch der Nachfrage und damit tatsächlich der Konjunktur.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Krise hat auch etwas mit der Selbstherrlichkeit von Managern zu tun, die meinten und immer noch meinen, der Börsenkurs sei das Wichtigste. Das Wichtigste im Unternehmen sind und bleiben aber die Menschen, die in den Betrieben arbeiten und die Werte schaffen. Deshalb ist ein wichtiger Teil unseres Antikrisenprogramms der Ausbau, die Stärkung der Mitbestimmung und eine Beteiligung der Beschäftigten an den Unternehmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Nur so werden die Menschen in die Lage versetzt, ihre Interessen am Schutz von Arbeitsplätzen, an Löhnen und guten Arbeitsbedingungen durchzusetzen.

Die Grundlage unseres Sozialstaats bilden die Arbeitslosen-, die Gesundheits- und die Rentenversicherung. Deren Funktionsfähigkeit wurde durch Ihre Kürzungspolitik in den letzten zehn Jahren erheblich belastet und eingeschränkt.

(Rolf Stöckel (SPD): Das Gegenteil ist der Fall!)

Die Krise führt jetzt zu weiteren Belastungen. Deshalb - auch dies gehört zu unserem Thema - brauchen wir sofort so etwas wie eine Staatsgarantie für die Sozialkassen. In der Krise und danach müssen Kürzungen bei den Leistungen für Arbeitslose, Kranke und Rentner verbindlich ausgeschlossen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch das ist Teil eines notwendigen Schutzschirms. Retten Sie nicht die Spekulanten, schützen Sie die Menschen! Das ist das Antikrisenprogramm der Linken, und es sollte ein Antikrisenprogramm des Deutschen Bundestages insgesamt werden.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der LINKEN)