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Schulverpflegung: Gut Lernen und gut essen gehören zusammen!

Rede von Karin Binder,

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf den Besuchertribünen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Stauche, ja, Ihre Argumente waren mir leider schon vorher bekannt. Deshalb gestatten Sie mir, dass ich zu unserem Bundesprogramm „Kita- und Schulverpflegung“ die folgenden Anmerkungen mache.

Ich glaube, jedes Kind in Deutschland wäre froh, wenn es im Laufe seines Schultages eine anständige Versorgung erhielte.

(Beifall bei der LINKEN)

Viele Kinder sitzen nämlich mit hungrigem Magen in der Schule.

(Carola Stauche [CDU/CSU]: Wo sind die Eltern?)

Da frage ich Sie, Frau Kollegin: Wie absolvieren diese Kinder ihren Schulalltag, und mit welchem Schulabschluss gehen diese Kinder dann von der Schule? Wir wissen, wir haben hier leider ein Problem: Eine viel zu große Zahl von Kindern erwirbt keinen Schulabschluss. Da verlieren wir als Gesellschaft wirklich eine Menge an Zukunftsperspektiven für alle.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben unseren Antrag vorher mit vielen Akteurinnen und Akteuren aus der Zivilgesellschaft reiflich beraten: Wir haben mit den Kolleginnen und Kollegen der Gewerkschaften – der GEW, der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten – über das Thema der Bezahlung der Beschäftigten gesprochen, wir haben mit den Schülerinnen gesprochen, wir haben mit den Lehrern gesprochen, wir haben mit der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, deren Standards zumindest als Maßstab dienen sollten, gesprochen, wir haben mit dem Deutschen Netzwerk Schulverpflegung und den Vernetzungsstellen Kita- und Schulverpflegung gesprochen, mit Köchen und mit Caterern. Die meisten dieser Akteure stimmen uns zu und haben uns darin bestärkt, diesen Antrag auf den Weg zu bringen,

(Beifall bei der LINKEN)

und zwar nicht zum ersten Mal. Ich behaupte eines: Steter Tropfen höhlt den Stein. Viele Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss wissen, dass wir an dem Thema nicht mehr vorbeikommen.

Die Qualität des Essens stimmt nicht. Deshalb geht vieles in den Müll, nicht, weil das Essen von jemandem bezahlt wurde; denn die Kinder wissen nicht, von wem.

(Zuruf der Abg. Carola Stauche [CDU/CSU])

Liebe Frau Stauche, die Kinder, deren Eltern das Essen nicht bezahlen können, stehen an der Kasse und kriegen nichts, und das finden Sie in Ordnung.

(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht! Es gibt doch das Teilhabepaket! Natürlich!)

– Die Gutscheine über 10 Euro pro Monat, die über das Bildungs- und Teilhabepaket ausgegeben werden, verursachen einen Verwaltungsaufwand, der immens ist. Was soll denn der Blödsinn?

Sie alle wissen, dass Kita- und Schulverpflegung subventioniert wird, und zwar von so vielen Stellen, dass es im Prinzip gar nicht mehr überschaubar ist. Da macht es doch viel mehr Sinn, sie von einer Stelle aus über Steuermittel zu finanzieren, damit alle Menschen in Deutschland einen Beitrag leisten und damit alle Familien entlastet werden. Sie sind doch die Partei, die immer groß predigt, mehr für die Familien zu tun.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber hier sagen Sie, die Familien sollten selber zahlen. Das ist doch Quatsch. Ich will, dass alle Steuerzahler dazu beitragen, dass alle Kinder anständig versorgt sind, und zwar egal, welches Einkommen die Eltern haben. Kindergeld kriegen doch auch alle, da stört es doch auch niemanden.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber bei der Kita- und Schulverpflegung sollen gerade die armen Kinder außen vor bleiben? Aus Ihren Vorstellungen werde ich nicht mehr schlau. Das ist Diskriminierung pur.

Dann haben wir noch das Problem mit der Mehrwertsteuer. Wir hätten im Prinzip schon vor zehn Jahren darangehen können, die blöde Mehrwertsteuer auf Kita- und Schulverpflegung abzuschaffen. Aber nein, der Staat muss 19 Prozent Mehrwertsteuer einnehmen, ausgerechnet bei einer Versorgung, die im Prinzip uns allen zugutekommt. Unser Gesundheitssystem profitiert davon, das Sozialwesen profitiert davon. Die Kommunen und die Schulen profitieren davon, aber auch die Kinder und deren Familien. Alle profitieren davon, wenn wir diese blöde Mehrwertsteuer bei der Schulverpflegung abschaffen.

(Beifall bei der LINKEN)

Warum haben wir das noch nicht gemacht? Die CDU hat im Ausschuss mittlerweile sogar eingestanden, dass man darüber in der nächsten Legislaturperiode sprechen könnte. Warum haben wir es dann in dieser Legislaturperiode nicht schon gemacht?

(Beifall bei der LINKEN)

Aber gerne.

Frau Kollegin Binder, durch Lautstärke wird Ihre Rede nicht besser.

(Zuruf von der LINKEN: Doch! Die ist hervorragend!)

Ich will, dass mich alle hören.

Ja, aber nicht alle Menschen sind gehörkrank, also zumindest ich nicht, obwohl ich nicht besonders gut höre. – Gut, aber das war nicht das Thema.

(Zurufe von der LINKEN)

Ich höre mir Ihre Argumente zwar an, aber ich weiß nicht, wie weit weg Sie von der Basis sind.

(Lachen bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich bin seit 12 Jahren ehrenamtlicher Bürgermeister. Seit dieser Zeit trage ich die Verantwortung für einen Kindergarten mit 12 Mitarbeitern und fast 60 Kindern.

Sie haben die Eltern angesprochen, die das Essen nicht bezahlen können. Ich sage Ihnen eines: Eltern, die das Essen nicht bezahlen können, bekommen das Essen vom Träger bzw. vom Landratsamt bezahlt. Es verhungert keiner im Kindergarten.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Es ist doch keiner verhungert! Das wäre ja noch schöner! Darum geht es doch gar nicht!)

Das ist das Erste.

(Zuruf von der LINKEN: Sie haben nicht verstanden, worum es geht!)

Zum Zweiten ist es so: Die Verantwortlichen von gut geführten Kindertageseinrichtungen oder Kindergärten legen, wie ich als Bürgermeister auch, Wert darauf, dass die Kindergärtnerinnen mit den Kindern zusammen das Essen vorbereiten. Ob das Essen geliefert wird, ob das Essen bezahlt wird, das spielt überhaupt keine Rolle.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Es gibt doch nicht nur Dörfer in Deutschland! Es gibt auch große Städte!)

Wir machen das. Und wenn ein Essen, wie bei uns, 1,85 Euro kostet, dann ist das keine Überforderung für die Eltern.

(Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Dann weiß ich, was die Köche verdienen bei 1,85 Euro!)

Zur Situation im Bundesland Thüringen, aus dem ich komme. Unsere Landesregierung jetzt hat beschlossen, dass ab 2018 das letzte Kindergartenjahr kostenlos ist. Im letzten Kindergartenjahr brauchen die Eltern also nichts mehr zu zahlen.

(Beifall bei der LINKEN)

– Moment. Ich gebe Ihnen recht: Das ist eine gute Sache. Aber das Land wird, wie in der Vergangenheit auch, dafür nicht aufkommen. Wer muss dafür aufkommen? Das sind die Kommunen.

(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Das ist gelogen!)

Wir als Kommunen müssen das bezahlen. Das heißt, wir können nicht mehr in Kindergärten investieren, weil wir die Personalkosten vom Land nicht mehr erstattet bekommen.

(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Es geht ums Essen!)

Es ist ja schön, wenn Sie all diese Dinge beschließen, aber dann muss ich auch so konsequent sein und den Kommunen das Geld geben, das ihnen zusteht.

(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch schon lange nicht mehr zum Thema!)

Das ist die Fehlleistung, die gerade von links kommt.

Wir haben in Thüringen einen linken Ministerpräsidenten.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Bereich Bildung gibt es ein Defizit. Es gibt 500 offene Lehrerstellen, die nicht besetzt werden.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht um Schulverpflegung!)

Es gibt offene Stellen in den Kitas. Es werden immer wieder gute Vorschläge gemacht, aber es wird nicht gesagt, wie sie gegenfinanziert werden sollen.

(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist das jetzt hier Wahlkampf?)

Wir mussten mehr Personal einstellen.

Und da frage ich mich – –

Ja, Sie haben recht, Herr Präsident. – Ich frage Sie: Legen Sie die Vorschläge, die Sie hier machen, auch in Thüringen vor? Dann bitten Sie dort den Ministerpräsidenten Bodo Ramelow, dass er den Kommunen endlich das Geld gibt, das den Kommunen zusteht; immerhin hat die Wirtschaft letztes Jahr 600 Millionen Euro und dieses Jahr 280 Millionen Euro erbracht.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege, Sie haben in Ihrem Beitrag gerade die beste Begründung geliefert, warum der Bund hier in die Finanzierung einsteigen muss:

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Der ist überhaupt nicht zuständig!)

weil die Kommunen zu wenig Geld haben und weil die Länder das nicht leisten können. Wir haben als Lösung ein gutes Rechenmodell vorgelegt: drei Viertel zu ein Viertel. Drei Viertel sollte der Bund übernehmen, der der Hauptnutznießer dieses Programmes wäre. Mit 4,50 Euro pro Kind und Tag würde der Bund für die Gestehungskosten aufkommen. Die Kommunen, die Länder, die Schulträger würden mit circa 1,50 Euro belastet für all das, was an Infrastruktur dranhängt. Sie hätten also eine hervorragende Lösung, um den Ländern und Kommunen die Versorgung der Kinder zu ermöglichen – mit unserem Programm. Ich frage Sie: Was stimmt daran nicht?

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Alles!)

Mit dem unsinnigen Vorurteil, was nichts kostet, ist nichts wert, möchte ich wirklich einmal aufräumen. Wie viele Kinder wissen denn überhaupt, ob oder was ihre Eltern bezahlt haben? Die stehen doch nicht mit dem Geldbeutel an der Kasse, bezahlen ihr Essen und wissen dann, wie viel es wert ist. Die meisten Kinder sind froh über jeden Apfel, über jede Milch, die sie in der Schule kostenfrei über das EU-Schulobstprogramm bekommen. Dieselben Kinder sollen es nicht zu schätzen wissen, wenn sie ein anständiges, qualitativ hochwertiges Mittagessen bekommen, an dem sie möglicherweise sogar selbst beteiligt waren, zum Beispiel bei der Menüauswahl oder der Aufstellung des Programms?

All diese Punkte sprechen dafür, dass wir als Gesellschaft dafür aufkommen, um Kommunen, Länder, Eltern zu entlasten, und dafür sorgen, dass ganz viele Kinder, die heute durch den Rost fallen, eine Zukunftsperspektive haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb kann ich nur sagen: Springen Sie über Ihren Schatten, und stimmen Sie unserem Antrag zu.

Danke schön für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)