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Schluss mit ellenlangen Listen mit angeblich vordringlichen Verkehrsprojekten

Rede von Dorothée Menzner,

Dorothee Menzner (DIE LINKE) in der Debatte des Bundestages zum Gesetz zur Änderung des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes

"Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Gesetzentwurf auf Drucksache 16/45 soll ein stets umstrittenes Gesetz nochmals - diesmal um ein Jahr - in seiner Geltungsdauer verlängert werden. Bildlich gesehen geht es darum, im Advent schnell noch ein paar Türchen zu öffnen, damit noch mehr Beton in die Landschaft gepumpt werden kann,

(Beifall bei der LINKEN)

getreu der Devise: mehr Infrastruktur gleich mehr Wettbewerb gleich mehr Arbeit. Dem ist aber nicht so.

Die bestens ausgebauten Verkehrswege stärken längst die Kerngebiete und weniger die ländlichen Regionen. Die schnellen Verbindungen tragen längst mit dazu bei, die Regionen buchstäblich auszuwaschen. Immer mehr Menschen müssen der Arbeit hinterherfahren, immer öfter und über immer weitere Entfernungen. Welch ein Armutszeugnis der Verkehrspolitik!

(Beifall bei der LINKEN - Hans-Joachim Hacker [SPD]: Wo kommen Sie denn her?)

Der Kurzschluss zwischen Infrastruktur und Arbeit führt in die falsche Richtung. Er wird noch fragwürdiger, wenn er zulasten der Lebensräume oder der Rechte der Anwohner geht. Genau dies steckt hinter dem Wortungetüm "Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz". Dies lehnt die Linke im Deutschen Bundestag ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Zur Begründung beziehe ich mich auf den Erfahrungsbericht der vorherigen Bundesregierung auf Drucksache 15/2311, in dem auf Seite 13 festgestellt wurde, dass die Sondersituation in den neuen Ländern nicht mehr besteht. In der Tat ist der Nachholbedarf weitgehend gedeckt. Die vereinfachten Planungsverfahren, die verkürzten Bearbeitungsfristen und das verengte Klagerecht haben keine aktuelle Bedeutung mehr.

Ich komme nun zu dem gravierend weiter reichenden Gesetzentwurf auf Drucksache 16/54. Offenbar will die Bundesregierung damit das beschnittene Planungsrecht, das bisher nur im Osten unseres Landes gilt, bundesweit zementieren, und zwar für 58 Fernstraßenprojekte, 22 Eisenbahnstrecken, sechs Wasserstraßen, imaginäre Transrapidstrecken, eine nach oben offene Zahl an Flugplätzen und letztlich auch für Energiefernleitungen - all das vor der Kulisse, dass etliche Projekte in einer ganzen Reihe von Bundesländern schon längst die Baureife erlangt haben und in der Schublade liegen. Wer sich dazu umhorcht, wird Erstaunliches hören. Es soll Bundesländer geben, in denen baureife und komplett durchgeplante Verkehrsprojekte mit einem Volumen von rund 1 Milliarde Euro in der Schublade liegen. Hier muss keine Planung mehr erfolgen oder beschleunigt werden. Man könnte längst bauen. Das Einzige, was fehlt, ist das liebe Geld.

Nun soll sozusagen Plan B hinzukommen, weil nicht annähernd genug Geld für Hunderte Projekte da ist, die bereits als Bedarf gelistet sind. Für eine ungewisse Zahl weiterer Projekte will man jetzt offenbar das große Los und die freie Auswahl. Man will den Bulldozern weitere Flächen zum Fraß vorwerfen, dabei die Bearbeitungsfristen kürzen, die Pflicht, die Planungen bekannt zu machen, ausdünnen und die Klagezuständigkeit dem Bundesverwaltungsgericht alleine anlasten. Mit Verlaub, werte Kolleginnen und Kollegen, mit einem solchen Plan B werden wir uns einen Bärendienst erweisen.

(Beifall bei der LINKEN)

Denn bei allen Projekten, für die der Plan B, das verkürzte Klagerecht, gelten soll, könnten die Bürgerinnen und Bürger dann munter darauflosklagen. Sie könnten vor das Bundesverfassungsgericht ziehen und in der Sache einwenden, dass die Oberverwaltungsgerichte nichts mehr zu melden hätten. Dann würde gewaltig gebremst statt beschleunigt.

Lassen wir das! Besinnen wir uns und nehmen wir hier und heute den Grundsatz der Nachhaltigkeit mit in das neue Jahr!

(Beifall bei der LINKEN)

Alles, was der Bundestag beschließt, sollte sowohl sozial als auch ökologisch und ökonomisch selbsttragend sein. Beachten wir deshalb zukünftig stärker die Sogeffekte, den wirklichen Bedarf und die so genannten Null-plus-Varianten! Vielleicht schaffen wir es, dass dann nur noch dort in neue Fernstraßen investiert wird, wo der Autostau wirklich nicht anders abzuwenden ist.

Wir fordern: Schluss mit ellenlangen Listen mit angeblich vordringlichen Verkehrsprojekten! Schluss mit dem erklärten Bedarf! Bringen wir die Verkehrsentwicklung so voran, dass sie tatsächlich nachhaltig ist! Es täte uns allen gut, wenn wir uns stärker an den Bedürfnissen der Fußgänger und Fahrradfahrer sowie an den Belangen der öffentlichen Verkehrsmittel orientierten. Beziehen wir deren Interessengemeinschaften und Verbände in unsere Arbeit ein!

(Beifall bei der LINKEN)

In diesem Sinne wünsche ich uns allen eine besinnliche Weihnacht und ein erfreuliches neues Jahr. Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)"