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Scheinlösung Markttranzparenzstelle: Macht der Mineralölkonzerne bleibt unangetastet

Rede von Johanna Regina Voß,

Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren!
Das Osterfest steht bevor. Damit jährt sich der Anlass für die Einrichtung dieser Markttransparenzstelle; die Vorschläge sind jetzt schon ein Jahr in der Beratung.
Auch dieses Jahr - davon können wir ausgehen - werden die Benzinpreise pünktlich mit der Reisewelle zu Ostern steigen. Auch diesmal wird das Bundeskartellamt nicht in der Lage sein, den Mineralölkonzernen Preisabsprachen nachzuweisen. Solche - illegalen - Preisabsprachen sind gar nicht nötig, wo doch ein Blick auf die Preistafeln der Konkurrenz reicht.
Der Präsident des Bundeskartellamts, Herr Mundt, hat resigniert.
(Dr. Erik Schweickert (FDP): Na ja! Dr. Matthias Heider (CDU/CSU): So schnell resigniert der nicht!)
Er hat in einem Interview erklärt: Die Konzerne haben seit Jahren ein effektives System gefunden, mit dem sie - ich zitiere ihn - „gefahrlos Preiserhöhungen durchsetzen können“.
Das ist so nicht hinzunehmen.
(Beifall bei der LINKEN)
Nun kommt die Bundesregierung mit einer Scheinlösung für dieses Problem: Eine Markttransparenzstelle soll eingerichtet werden. Die offenkundige Marktmacht der fünf Oligopolisten wird aber bleiben, und sie werden diese zu nutzen wissen. Was ist geplant? So gut wie jede Tankstelle - es gibt rund 15 000 - soll in Echtzeit Preise und Preisänderungen an das Bundeskartellamt übermitteln. Diese Infos werden dann an Verbraucherinformationsdienste weitergeleitet. Diese betreiben Preisvergleichsprogramme und bieten ihre Informationen für Navigationssysteme oder Smartphones an, eine App. Die Autofahrerinnen und Autofahrer sollen dann die günstigsten Tankstellen ansteuern. Das soll das System der gefahrlosen Preiserhöhung aushebeln.
Das ist eine naive Hoffnung!
Praktisch ändert sich damit nichts an der Macht der Mineralölkonzerne. Das einstudierte Muster der Preissprünge - meist nach oben - wird eher noch erleichtert. Transparenz ist nämlich - das wurde eben schon festgestellt - keine Einbahnstraße: So werden auch die großen Tankstellenbetreiber das System nutzen und die Preise noch einfacher steuern können.
(Dr. Erik Schweickert (FDP): Die haben die Daten eh vorliegen!)
Aller Wahrscheinlichkeit nach werden die Spritpreise trotz Markttransparenzstelle steigen; darauf haben die Experten in der Anhörung im Wirtschaftsausschuss schon hingewiesen.
(Dr. Erik Schweickert (FDP): Ja! Ihre Experten!)
Selbst die Regierung scheint an die preisdämpfende Wirkung nicht recht zu glauben. Von Herrn Röslers vollmundigen Erklärungen zur Spritpreiskontrolle bleibt nur die Hoffnung auf eine - ich zitiere wiederum - "präventive Abschreckungswirkung", die die Preistreiber zur Räson bringen soll.
Das ist lachhaft bei dem Aufwand und den Kosten, die dieses Gesetz mit sich bringt.
(Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Und was wollen Sie machen? Verstaatlichen? Dr. Matthias Heider (CDU/CSU): Was schlägt die Linke vor?)
Für die Bürgerinnen und Bürger wird dieses Verfahren generell teuer. Schon der zusätzliche Verwaltungsaufwand geht in die Millionen. Das zahlen die Steuerzahler. Außerdem haben die Mineralölkonzerne bereits angekündigt, dass sie die Kosten für diese Umstellung und die dauerhafte Bürokratie auf die Preise für Benzin und Diesel aufschlagen werden.
(Dr. Matthias Heider (CDU/CSU): Was ist Ihr Vorschlag? Dr. Erik Schweickert (FDP): Wie viele Cents sind das?)
Die engmaschige Preismeldepflicht soll auch die Datengrundlage der Kartellbehörde verbessern. Ein ganz entscheidender Teil hierzu wurde aus der Verordnung jedoch herausgenommen: Ursprünglich sollten auch die Großhandelspreise der Raffinerien gemeldet werden. Das hätte Sinn gemacht; dann hätte das Kartellamt wenigstens leichter überprüfen können, ob Aral, Esso oder Shell die freien Tankstellen beim Mineralölverkauf diskriminieren. Leider wird nichts daraus; denn ganz im Sinne der Mineralölindustrie wurde dieser Punkt in der weiteren Beratung des Gesetzes als zu bürokratisch fallen gelassen.
Dr. Nüßlein, bevor es zu den Härtefallregelungen kam, für die Sie sich so gerühmt haben, mussten sich die freien Tankstellen erst beschweren. Das kam nicht direkt von Ihnen.
(Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Nein, nein! Dr. Erik Schweickert (FDP): Vollkommener Blödsinn! Weiterer Zuruf des Abg. Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Die freien Tankstellen waren an dem Prozess überhaupt nicht beteiligt!)
Es wird für die Autofahrerinnen und Autofahrer in der Praxis nicht leicht sein, zu einem Preisvorteil zu kommen. Nehmen wir einmal an, das Smartphone oder Navi die erforderliche Technik, um die Kraftstoffpreise in der Umgebung in Echtzeit vergleichen zu können hat ausgerechnet, dass sich trotz des entsprechenden Benzinverbrauchs der Umweg zu einer weiter entfernten Tankstelle, an der das Benzin billiger ist, lohnt. Nehmen wir weiter an, die Autofahrerinnen und Autofahrer haben auch noch die Zeit für diesen Umweg und machen sich auf den Weg. Nun kann es sein, dass sie, dort angekommen, feststellen müssen, dass der Benzinpreis - schwups! - in der Zwischenzeit schon wieder erhöht worden ist.
Das ist doch absurd. Nach dem Willen der Regierung bleiben beliebig viele Preisänderungen pro Tag möglich. Was bringt denn das dann?
Natürlich bringt die Meldepflicht etwas mehr Transparenz. Wenn man die nötige Technik und die Zeit hat, kann man diese Transparenz nutzen und spart am Ende des Tages vielleicht ein paar Euros. Das Grundproblem bleibt aber: Bei Schwarz-Gelb soll allein der Verbraucher die Extraprofite der Mineralölkonzerne verhindern.
(Dr. Erik Schweickert (FDP): Das ist doch Blödsinn!)
Die Koalition entzieht sich ihrer Verantwortung, angemessen zu regulieren; sie lässt den Verbraucher im Regen stehen. Sie übersetzt Verbrauchermacht allein mit Zugang zur Information - ganz wie es in der Theorie des freien Marktes vorgesehen ist. In der Praxis ist das völlig untauglich.
Ich frage Sie: Wie mächtig ist der Verbraucher angesichts der marktbeherrschenden Stellung der fünf großen Konzerne mit der Tankstellen-App? Preishopping im Centbereich wird die vermachteten Strukturen kaum auflösen können. Die Konzerne sind breit aufgestellt, und die Markttransparenzstelle setzt nur beim allerletzten Glied in der Wertschöpfungskette an. Die Konzerne machen ihre Gewinne aber bei der Förderung, beim Transport, in der Raffinerie, beim Handel und als Letztes eben an der Tankstelle.
(Dr. Erik Schweickert (FDP): Was schlagen Sie denn vor?)
Transparenz nur an der Tankstelle ist aber keine Transparenz.
(Beifall bei der LINKEN Dr. Matthias Heider (CDU/CSU): Was ist der Vorschlag der Linken? Da muss es doch ein sozialistisches Modell geben! Dr. Erik Schweickert (FDP): Was wollen Sie denn machen? Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Was macht die Linke? DDR-Modell! Kein Sprit!)
Das kommt gleich.
Wo liegt angesichts der ökologischen Grenzen die Macht des Verbrauchers durch den Preisvergleich? Wir alle wissen, dass der Spritpreis vom Ölpreis abhängt, und der steigt, weil wir es mit realen Knappheiten zu tun haben, die obendrein die Spekulationen an der Börse anheizen.
Bezahlbar bleibt Energie langfristig aber nur durch sinkenden Verbrauch und eine schnelle Energiewende. Wir müssen uns schlicht unabhängiger von fossilen Energieträgern machen. Darum geht es doch, und darum muss es uns doch gehen.
(Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Ja, klar!)
Wie mächtig sind Verbraucherinnen und Verbraucher, wenn sie zwar Preise vergleichen können, aber kaum gleichwertige Alternativen zum Auto haben? Wir brauchen neue, umweltverträgliche und kostengünstigere Formen der Mobilität. Das wäre es dann!
(Beifall bei der LINKEN)
Wir brauchen ein gutes, solidarisch finanziertes öffentliches Verkehrsnetz für nah und fern und brauchbare Rad- und Fußwege. Wir brauchen eine Stadtplanung, die den Nahraum stärkt, sodass nahezu alle die Möglichkeit haben, ohne eigenes Auto ans Ziel zu kommen.
(Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Es wohnen nicht alle Leute in der Stadt!)
Das wäre eine sozial-ökologische Alternative, und dahin müssten die Überlegungen gehen.
(Dr. Erik Schweickert (FDP): Sie würden die Verbraucher mit Ihren Überlegungen massiv belasten!)
Die Zeiten billiger fossiler Energie sind vorbei, auch wenn der Boom beim riskanten unkonventionellen Öl und Gas für einen kurzen Zeitraum einen äußerst schmutzigen Aufschub gewährt. Scheinlösungen wie die Markttransparenzstelle, die nur als Wahlkampfhit dienen soll, helfen uns hier nicht weiter. Sie reichen nicht aus. Lassen Sie uns einen sozial-ökologischen Umbau auch für den Verkehr anfangen!
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Der Herr bewahre uns vor Ihnen! Dr. Erik Schweickert (FDP): Ganz sicher nicht!)