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Schavans BAföG-Novelle: kein Schritt nach vorn!

Rede von Nele Hirsch,

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Schmidt, DIE LINKE hält die heute diskutierte BAföG-Novelle nicht für eine „ausgewachsene Reform“, wie Sie sie bezeichnet haben. Wir sind der Auffassung, diese Reform ist wenn überhaupt eine Reparaturmaßnahme. Außerdem ärgert uns, dass Sie diese Reparaturmaßnahme erstens viel zu spät ausführen und zweitens auch noch ganz, ganz empfindliche Lücken darin sind.

(Beifall bei der LINKEN Jörg Tauss (SPD): Purer Neid!)

Sie sprechen hier immer wieder von der großen Bedeutung der Bildung, von den Zukunftschancen der jungen Generation. Jetzt zeigt sich, dass diese Worte in der Großen Koalition doch eher leere Phrasen sind und nicht wirklich etwas dahintersteckt.

(Jörg Tauss (SPD): Purer Neid!)

Herr Tauss, wir können uns das ganz konkret anschauen. Ich möchte die Punkte aufnehmen, die auch von Ihnen, Frau Ministerin, angeführt worden sind. Sie haben die Anhebung der Bedarfssätze gelobt und hochgejubelt. Ich finde, man muss noch einmal ganz genau unter die Lupe nehmen, was die Große Koalition hier vorschlägt. Die Erhöhung soll sein:

(Willi Brase (SPD): 10 Prozent!)

richtig, Herr Kollege Brase 10 Prozent. Allerdings soll diese zehnprozentige Erhöhung erst zum 1. Oktober 2008 erfolgen. Der BAföG-Beirat der Bundesregierung hatte gefordert, diese Erhöhung bereits Ende des letzten Jahres, Ende 2006, durchzuführen. Wenn Sie diese Erhöhung jetzt nach hinten verschieben und erst zum 1. Oktober 2008 durchführen, würde das bedeuten, dass mindestens aber wirklich mindestens! noch einmal 2 Prozent draufgelegt werden müssen, ansonsten höhlen Sie das BAföG einfach weiter aus. Das ist keine verlässliche, keine sichere und keine kostendeckende Studienfinanzierung.

(Beifall bei der LINKEN René Röspel (SPD): Sie haben doch für die Studenten noch keine einzige Verbesserung zustande bekommen!)

Und Sie setzen sogar noch einen oben drauf: Wenn Sie wenigstens diese Erhöhung zum 1. Oktober beschließen und die Bedarfssätze dann regelmäßig einfach anpassen würden, wäre das zumindest eine Perspektive, die man den Studierenden geben könnte. Sie schlagen aber mit der Novelle vor, dass der nächste BAföG-Bericht erst ein Jahr später vorgelegt werden soll, also nicht Ende 2008, sondern Ende 2009.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das macht doch auch Sinn!)

Das bedeutet also in der Konsequenz, dass in diesem Parlament über eine BAföG-Erhöhung das nächste Mal erst im Jahr 2010 diskutiert werden wird. Sie orientieren sich jetzt an einer Erhöhung, die schon Ende 2006 notwendig gewesen wäre und sagen zugleich Schwarz auf Weiß den Studierenden, dass es vor 2010 auch keine weitere Erhöhung geben wird. Das sind faktisch also vier Nullrunden, die Sie den Studierenden zumuten. So etwas lehnt die Linke nun definitiv ab.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Frau Ministerin, Sie haben von der Studierendenschaft und dem wichtigen Signal gesprochen, das Sie hier jetzt aussenden wollen, sodass mehr junge Menschen ein Studium aufnehmen wollen, daher möchte ich Ihnen nur eine der vielen, vielen Mails, die uns und sicherlich auch Sie erreicht haben, zur Kenntnis geben. Sie gibt vielleicht ein bisschen die Stimmung in der Studierendenschaft wieder. Da schreibt ein Student aus Dresden:

„Diese Erhöhung, die die Große Koalition vorschlägt, ist ein Hohn für alle, die BAföG beziehen. Die Sätze sind zurzeit so viel zu niedrig, dass 10 Prozent einfach nur ein Witz sind.“

- Ich glaube, das trifft die Situation der Studierendenschaft sehr klar und zeigt, vor welchen Herausforderungen wir stehen.

(Swen Schulz (Spandau) (SPD): Ist das Ihr Ernst?)

- Herr Schulz, Sie fragen, ob das mein Ernst ist. Man kann sich anschauen, was zum Beispiel die Vorgaben der Familiengerichte sind. Es ist keine Phantasterei, was die Linken hier machen, wenn wir eine Erhöhung der Bedarfssätze um 19 Prozent noch in diesem Jahr fordern.

(Jörg Tauss (SPD): Elternabhängig oder elternunabhängig?)

Wenn wir diese Erhöhung von 19 Prozent beschließen würden, dann würden wir gerade einmal die Vorgaben der Familiengerichte für kostendeckende Bedarfssätze erfüllen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Das wäre der richtige Schritt.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte noch einen weiteren Punkt nennen, der uns stört. Es ist nämlich nicht nur so, dass aktuell die Situation der Studierenden an den Hochschulen schlechter wird, auch die große Herausforderung von der sozialen Öffnung wird nicht wirklich angegangen. Es gibt zwar die Erhöhung der Freibeträge es ist auch ein richtiger Schritt, dass das überhaupt angegangen wird ,

(Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Das ist das erste Mal, dass Sie das sagen!)

was aber fehlt, sind ganz entscheidende Punkte, über die man weiter diskutieren müsste.
Frau Schmidt, Sie haben schon angesprochen, was da alles Anfang der 80er-Jahre abgeschafft wurde. Man müsste dann aber auch sagen, was Anfang der 70er-Jahre da war. Das war beispielsweise ein umfassendes Schüler-BAföG, was bedeutete, dass man sich ab der zehnten Klasse nicht zwischen einer ausfinanzierten Form der Ausbildung und der Möglichkeit entscheiden musste, weiter zur Schule zu gehen und eben keine Finanzierung zu bekommen. Es ist doch klar, dass sich sehr viele Schülerinnen und Schüler gerade aus armen Schichten für den ersteren Weg entscheiden müssen. Der Ausbau des Schülerinnen- und Schüler-BAföGs wäre deshalb eine Perspektive, wirklich einen Schritt nach vorne zu kommen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt eine zweite Möglichkeit, wie Sie das Problem hätten angehen können. Die rot-grüne Bundesregierung hat den Schritt gemacht und die Verschuldung nach dem Studium bei einem Betrag von 10 000 Euro gedeckelt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Genau in dieser Richtung müsste man jetzt weiterdiskutieren. Man kann doch nicht bei einem solchen Schritt stehenbleiben. Genau deshalb fordert die Linke einen Vollzuschuss und lehnt das Darlehen ab.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos) Renate Schmidt (Nürnberg) (SPD): Elternunabhängig! So was Bescheuertes habe ich noch nicht gehört!)

Als Nächstes möchte ich auf die Studiengebühren eingehen, weil dieser Punkt hier angesprochen wurde. Ich halte es für ziemlich verlogen, dass die SPD hier immer wieder als großer Gegner von Studiengebühren auftritt, sie es aber war, die mit der Einführung von Studienkonten den Weg für die Einführung allgemeiner Studiengebühren geebnet hat. Das muss man hier festhalten.

(Jörg Tauss (SPD): Das ist einfach nicht wahr! Das ist Blödsinn! Das weiß sie auch!)

Nun zum Thema BAföG und Studiengebühren: Man muss sich die Frage stellen, ob es richtig ist, dass Studierende, die BAföG beziehen, auch noch Studiengebühren bezahlen sollen. DIE LINKE lehnt das ab. Es ist doch absurd, den Studierenden zwar die Sozialleistung BAföG zu geben, sie aber gleichzeitig Studiengebühren zahlen zu lassen.

(Jörg Tauss (SPD): Nicht in den SPD-Ländern! Das wollen wir mal festhalten!)

Sie bieten den Studierenden als Lösung an, beim BAföG mehr hinzuverdienen zu können.

(Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Was gucken Sie uns an?)

Sie dürfen jetzt 400 Euro mehr verdienen. Dann sei alles wunderbar, und alles würde klappen. Das kann doch wirklich nicht die Lösung des Problems sein.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Es ist vollkommen richtig, gemeinsam dafür zu streiten wir freuen uns, wenn die SPD unser Bündnispartner ist , dass die Studiengebühren abgeschafft werden. Aber es müsste ein erster Schritt sein, den Studierenden jetzt zu helfen. Deshalb schlägt die Linke vor, dass die Kosten für Studiengebühren bei dem Bedarf für das BAföG berücksichtigt werden. Das würde sehr vielen Studierenden helfen. Deshalb haben wir heute diesen Antrag vorgelegt.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos) - Jörg Tauss (SPD): Dann subventionieren wir Bayern! Ist Ihnen das klar?)

Letzter Punkt. Es wird immer wieder die Frage gestellt, wie das alles finanziert werden soll. Sie, Frau Schmidt, haben gesagt, die Aufgabe der Koalition sei es, das Machbare möglich zu machen. Sie haben sich sehr dafür gelobt, 300 Millionen Euro mehr für das BAföG bereitzustellen. 300 Millionen Euro mehr klingen für alle, die hier zuhören, sicherlich nach unheimlich viel Geld. Es ist aber wichtig, diese Summe in Relation zu setzen, und zwar in Relation dazu, dass 2008 wegen der Steuergeschenke für Großkonzerne und Unternehmen, die von der Koalition beschlossen sind, 8 Milliarden Euro zum Fenster herausgeschmissen werden. Man muss also die 300 Millionen Euro den 8 Milliarden Euro gegenüberstellen. Das zeigt, welche Priorität junge Menschen in der Großen Koalition haben.

Besten Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos) - Dorothee Bär (CDU/CSU): Der Klassenkampf kann nicht mal daheim gelassen werden!)