Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Besonders begrüßen möchte ich die Kolleginnen und Kollegen bei Haribo in Wilkau-Haßlau!
(Beifall bei der LINKEN)
Den Ostbeauftragten hätte ich auch gern begrüßt, aber er ist heute leider nicht da.
Meine Damen und Herren, viele von Ihnen haben die Berichterstattung verfolgt. Haribo plant, sein einziges Werk in Ostdeutschland in Wilkau-Haßlau zum Jahresende zu schließen. Das hat man den Beschäftigten aus heiterem Himmel im November erklärt, sozusagen als Weihnachtsgeschenk. Dabei hat der Standort Gewinne in Millionenhöhe erwirtschaftet, die aber Jahr für Jahr entsprechend einem Gewinnabführungsvertrag an die westdeutsche Zentrale überwiesen wurden. Eine halbe Million Euro öffentliche Fördermittel sind natürlich auch geflossen. Investiert wurde so gut wie nichts. Nun sagt die Geschäftsführung, das Werk sei marode und Investitionen zu teuer. Die Beschäftigten, die seit Jahrzehnten zu niedrigen Löhnen schuften, werden einfach vor die Tür gesetzt. Das ist unverantwortlich, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN)
Haribo macht Kinder und Erwachsene froh. Bei mir in der Region, wo das Werk liegt, macht Haribo seit Wochen niemanden froh. Stattdessen dominieren hier nun Existenzangst und Zukunftssorgen. Ausgerechnet in einer beispiellosen Arbeitsmarktkrise sollen die Beschäftigten ihre Arbeit verlieren. Das ist einfach nur schäbig.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich kritisiere auch die Hinhaltetaktik von Haribo mit Blick auf einen möglichen Werksverkauf; denn das ist für die Beschäftigten natürlich ein Hoffnungsschimmer. Aber Haribo verschweigt in der Öffentlichkeit, dass keinesfalls an andere Fruchtgummihersteller, also an die Konkurrenz, verkauft werden soll. Hier muss Haribo endlich die Karten offenlegen, damit die Kolleginnen und Kollegen wissen, wie ihre Perspektive aussieht.
(Beifall bei der LINKEN)
Es darf nicht mit ihren Hoffnungen gespielt werden: Es ist unverantwortlich, wenn in der Öffentlichkeit jeden Tag von vermeintlichen Kaufinteressenten geredet wird, die Haribo wegen der Konkurrenz gar nicht will.
Sehr geehrte Damen und Herren, leider ist Haribo nur ein Beispiel von vielen im Osten. Als hauptamtliche Gewerkschafterin habe ich gemeinsam mit den Beschäftigten und vielen Betrieben gekämpft.
(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Ich dachte, du bist im Bundestag!)
Ich will nur einige nennen: Plauener Gardine, Germania in Chemnitz, Foron in Schwarzenberg und jetzt Haribo in Wilkau-Haßlau. Die Liste wäre so lang, dass dafür die Zeit heute gar nicht reichen würde.
Es ist immer wieder dieselbe Strategie: billig die Standorte übernommen, Fördermittel abkassiert, kaum investiert und die Gewinne so lange abgeschöpft, wie es ging, und zu niedrige Löhne. So ist der Osten mitsamt seinen Beschäftigten verkauft und ausgepresst worden. Das, meine Damen und Herren, ist unerträglich.
(Beifall bei der LINKEN)
Sehr geehrte Damen und Herren, im Jahr 2019 gab es in Ostdeutschland immer noch eine halbe Million Beschäftigte weniger als Mitte der 90er-Jahre; das sind fast 10 Prozent unter dem damaligen Stand. Die Entwicklung in Westdeutschland stellt sich hingegen ganz anders dar: Die Anzahl der Beschäftigten nahm im selben Zeitraum um 5,5 Millionen kräftig zu, also um 25 Prozent. Da müssen doch auch Sie erkennen, verehrte Damen und Herren der Bundesregierung, dass hier etwas aus den Fugen geraten ist. Der Niedergang des ostdeutschen Arbeitsmarktes konnte bis heute nicht kompensiert werden. Alle bisherigen Bundesregierungen haben hier kläglich versagt; denn das sind nicht die gleichwertigen Lebensverhältnisse, die Sie damals versprochen haben.
(Beifall bei der LINKEN)
Ihre verfehlte Arbeitsmarktpolitik haben viele Beschäftigte in Ostdeutschland mit Langzeitarbeitslosigkeit, Abwanderung und Armut bezahlt. Die Krönung ist, dass den Ostdeutschen niedrige Löhne jahrzehntelang als Standortvorteil verkauft wurde. Wenn das so wäre, dann müssten in Mecklenburg-Vorpommern und in Ostsachsen die Arbeitsplätze wie Pilze aus dem Boden schießen. Das tun sie aber nicht. Das ist die Realität, mit der Sie sich endlich mal auseinandersetzen müssten.
(Beifall bei der LINKEN)
Noch immer pendeln 400 000 Menschen aus Ostdeutschland gen Westen, um dort zu arbeiten. Das zerreißt die Familien. Und was diese Kolleginnen und Kollegen leisten, um einen höheren Lohn als im Osten zu bekommen und der Arbeitslosigkeit zu entfliehen, verdient höchsten Respekt.
(Beifall bei der LINKEN)
Viele ostdeutsche Betriebe wurden und werden als verlängerte Werkbänke betrieben. Geschäftsführung, Forschung und Entwicklung sitzen im Westen, im Osten wird nur produziert. Deshalb ist es so einfach, die Standorte im Osten zu schließen. In manchen Regionen kann man sogar von einer Deindustrialisierung sprechen, wenn ich an Pasewalk denke, wo ich selber herkomme, oder aber auch an Ostsachsen.
Meine Damen und Herren, wir brauchen endlich eine gute Förderpolitik. Wir brauchen gute Arbeits- und Lebensbedingungen in Ost- und in Westdeutschland.
Danke.
(Beifall bei der LINKEN)