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Sabine Zimmermann: Grundsicherung - Frau Nahles macht den Seehofer!

Rede von Sabine Zimmermann,

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn das Bundessozialgericht urteilt, dass EU-Bürgerinnen und -Bürger Anspruch auf Sozialleistungen haben, dann geht die Bundesregierung nicht etwa daran, dieses höchstrichterliche Urteil umzusetzen. Nein, Sie machen sich das ganz einfach: Sie verändern die Rechtslage. Ich frage Sie: Mit welchem Ziel? Doch ganz ausdrücklich mit dem Ziel, dass EU-Bürgerinnen und -Bürger Deutschland wieder verlassen, wenn sie hier in finanzielle Nöte geraten. Ich sage Ihnen: Das ist unsozial.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das heißt, das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum wird geopfert. Frau Nahles macht den Seehofer und denkt, so bekommt sie die Wählerinnen und Wähler wieder zurück.

(Widerspruch bei der SPD)

Ich sage Ihnen: Das funktioniert nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Vor einigen Jahren hatte das Bundesverfassungsgericht zum Asylbewerberleistungsgesetz zu urteilen.

(Katja Mast [SPD]: Peinlich!)

– Hören Sie mir doch zu! Dann können Sie vielleicht noch etwas lernen. – Damals sprach der Verfassungsrichter Ferdinand Kirchhof die denkwürdigen Worte an die Bundesregierung:

"Das Motto, ein bisschen hungern, dann gehen die schon, könne es doch wohl nicht sein."

Aber genau diesem Motto folgen Sie in dem vorliegenden Gesetzentwurf ein weiteres Mal. Unsozialer geht es wirklich nicht, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der LINKEN)

Wahrscheinlich müssen wir ein weiteres Mal damit rechnen, dass das Gesetz, das Sie jetzt entworfen haben, vor dem Bundesverfassungsgericht oder sogar vor dem Europäischen Gerichtshof landet. Das ist schon beschämend genug. Schlimmer noch ist aber das Signal, das Sie mit diesem Gesetz aussenden. Sie hauen damit genau in die Kerbe der Brexit-Befürworter in Großbritannien. Sie bestätigen das Vorurteil, dass angeblich Hunderttausende nach Deutschland kommen wollen, um hier Sozialleistungen abzukassieren. Sie bestätigen die verbreitete Wahrnehmung, dass die europäische Einigung im Interesse der Unternehmen vorangetrieben wird. Aber wenn es um die kleinen Leute geht, die sich dort auf die Suche nach Arbeit machen wollen, wo es wirtschaftlich gut läuft, dann ist Schluss mit der europäischen Idee. Dann zählen auf einmal wieder nationale Interessen.

Die Brexit-Befürworter in Großbritannien haben ihren Solidaritätsschein für Europa verbrannt. Mit diesem Gesetz gießen Sie Benzin in das gleiche Feuer. Das darf doch wohl nicht wahr sein.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wachen Sie endlich auf! Stellen Sie sich den sozialen Verpflichtungen, die ein zukunftsfähiges Europa mit sich bringt!

Das menschenwürdige Existenzminimum ist im Grundgesetz festgeschrieben.

(Dagmar Ziegler [SPD]: Aber nicht für die ganze Welt!)

– Ich bin ja auch noch gar nicht fertig. – Es gilt für deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger und ebenso für ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger, die hier in Deutschland leben. Darüber sind wir alle uns doch wohl einig.

Mit Ihrem Gesetz schließen Sie Tausende von EU-Bürgerinnen und -Bürgern von jeder öffentlichen Hilfe aus. Diese EU-Bürger leben bereits hier. Sie leben hier, weil sie in ihren Heimatländern keine Perspektive für sich und ihre Familien sehen. Diese Menschen werden aber auch nicht einfach abreisen, wie Sie es wollen. Wo sollen sie denn auch hin? Wenn Sie den Menschen alle Möglichkeiten und Perspektiven rauben, verrohen sie irgendwann und resignieren. Ich weiß nicht, ob Sie es merken: In diesem Klima sind wir schon längst angekommen. Auch die Folgen spüren wir. Wir spüren sie immer mehr und tagtäglich. Ich frage Sie: Können Sie das noch länger verantworten?

(Beifall bei der LINKEN)

Die Kommunen haben zu Recht darauf hingewiesen, welche Kosten durch das BSG-Urteil auf sie zukämen. Viele Kommunen stehen finanziell bereits mit dem Rücken an der Wand. Das ist ein Problem, das wir alle kennen. Die Linke fordert: Die Gemeinden müssen endlich wieder genug Mittel an die Hand bekommen, damit sie ihren Aufgaben wieder nachkommen können.

(Beifall bei der LINKEN – Dagmar Ziegler [SPD]: Deswegen kriegen die auch eine Menge Geld vom Bund!)

Sie wissen doch, wie in diesen Bereichen gekürzt wird.

Mit Ihrem Gesetzentwurf nehmen Sie den Ausländerfeinden und den Rechtspopulisten nicht den Wind aus den Segeln, sondern, im Gegenteil, verschärfen die Schlagseite des europäischen Einigungsprozesses. Wachen Sie endlich auf, ändern Sie den Kompass, oder Sie fahren uns in einen Sturm hinein, in dem wir am Ende alle als Schiffbrüchige enden werden.

Meine Damen und Herren, sozial geht anders.

Er kann ja auch eine Kurzintervention machen.

Nein. Ich bin jetzt fertig.

(Beifall bei der LINKEN – Heiterkeit bei der CDU/CSU und der SPD)

Ich will Ihnen nur noch einmal sagen: Sozial geht anders, und sozial geht nur mit der Linken.

Danke.

(Beifall bei der LINKEN – Dagmar Ziegler [SPD]: Das wird immer kindischer!)