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Sabine Leidig: Planungsbeschleunigungsgesetz ist bürgerfeindlicher Etikettenschwindel

Rede von Sabine Leidig,

Guten Abend, Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Vorsitzende der Initiative Angermund schreibt über das Gesetz, das hier zur Abstimmung steht, es sei ein „bürgerfeindlicher Etikettenschwindel“. Ich finde, da hat sie völlig recht. „Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich“ steht drauf, aber drin steckt, dass die wenigen Möglichkeiten eingeschränkt werden sollen, die Verbände und Bürgerinitiativen haben, um Einfluss zu nehmen auf geplante Verkehrsprojekte. Das heilen Sie auch nicht mit den Änderungen, die Sie jetzt noch eingebracht haben. Obwohl Sie es sehr eilig gehabt haben, sind etliche Tausend Unterschriften gegen dieses Gesetz zusammengekommen.

(Florian Oßner [CDU/CSU]: Das ist noch kein Qualitätsgarant!)

Das zeigt, dass es überhaupt nicht gut ankommt bei den Bürgerinitiativen. Sie unterstellen, dass es die Öffentlichkeitsbeteiligung ist – das hat der Kollege Herbst jetzt noch einmal enorm hervorgehoben –, die dazu führt, dass solche Bauprojekte zu langsam vorankommen. Aber das ist doch falsch.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Schauen wir auf die Schweiz, dort findet in direktdemokratischen Verfahren die größtmögliche Beteiligung statt und trotzdem oder gerade deshalb werden selbst Großprojekte wie der Gotthard-Basistunnel planmäßig fertig.

Wir meinen, dass ein Hauptproblem in den Ämtern und Behörden liegt. Dort ist zu wenig fachkompetentes Personal vorhanden. Eigentlich müssten die Genehmigungsbehörden die eingereichten Planungsunterlagen fachlich und juristisch kompetent beurteilen und dann dafür sorgen, dass sie entsprechend nachgebessert werden, sodass die Maßnahmen so gut geplant werden, dass viele Einwände einfach gar nicht nötig sind.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erinnere an das Grundwassermanagement beim Tunnelbahnhof in Stuttgart. Damals haben die Ingenieure gegen Stuttgart 21 von Anfang an darauf hingewiesen, dass es völlig unterdimensioniert ist. Später musste der Bauherr, die Deutsche Bahn AG, zugeben, dass mit 6,8 Millionen Kubikmeter Grundwasser die doppelte Menge entnommen werden muss als beantragt, und dann war ein neues Genehmigungsverfahren nötig. Das hätte man verhindern können.

Die Hälfte aller Klagen von Naturschutzverbänden würde wegfallen, wenn diejenigen, die Autobahnen und Eisenbahnen planen, die geltenden Gesetze und Bestimmungen kennen und einhalten würden. Das heißt, wenn schon bei der Planung die Umweltschutzbehörde einbezogen wird, kann es besser werden und schneller gehen.

Wir sind der Meinung, dass Bürgerinnen und Bürger frühzeitig und umfassend beteiligt werden müssen, wenn vor ihrer Haustür Verkehrswege gebaut werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir wollen, dass gerade bei großen Infrastrukturprojekten Alternativen ernsthaft geprüft werden. Bei neuen Bahnstrecken werden jetzt Dialogforen eingerichtet. Das ist gut, aber es ist unverbindlich. Das muss geändert werden. Eigentlich steht es auch in Ihrem Koalitionsvertrag.

Die Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU haben der Bundesregierung mit einem Entschließungsantrag ein paar Prüfaufträge auferlegt. Da kann ich nur sagen: Wenn es meine Regierung wäre, dann würde ich Prüfergebnisse verlangen, bevor ein Gesetz verabschiedet wird.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Warum haben Sie nicht alles darlegen lassen, was Planungsbeschleunigung, schnelle Planungen und gute Ergebnisse behindert?

Die Grünen haben einen Entschließungsantrag vorgelegt, in dem viel Richtiges steht. Dem können wir gut zustimmen. Wenn es Ihnen wirklich um schnellere Umsetzung, zum Beispiel von sinnvollen Bahnprojekten, geht, dann, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, sorgen Sie dafür, dass es mehr Geld gibt für guten Gesundheits- und Lärmschutz, damit nicht immer wieder das Wohlbefinden der Anlieger gegen die Verkehrsverlagerung auf die Schiene ausgespielt wird. Wir brauchen beides.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum Schluss will ich noch sagen, dass ich es am Schlimmsten finde, welche Botschaft Sie mit diesem Gesetz aussenden. Aktive Bürger und Bürgerinnen, Bürgermeister und Umweltinitiativen werden als Störenfriede dargestellt, die staatliches Handeln erschweren.

(Zuruf von der SPD: Das ist doch Quatsch!)

Dabei ist das Gegenteil richtig. Ohne kompetente Menschen, die ihre Bedenken und Vorschläge einbringen, gibt es keine lebendige Demokratie und übrigens auch keine besseren Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)