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Rückschritt im Gewässerschutz verhindern

Rede von Eva Bulling-Schröter,

Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Die Linke unterstützt den Antrag der Grünen. Er beschreibt zutreffend den Rückschritt in der europäischen Wasserpolitik bezüglich des Schutzes der Gewässer vor Schadstoffen.
Es ist an sich schon ein Skandal, dass die Umweltqualitätsrichtlinie für den Wasserbereich erst drei Jahre nach Ablauf der in Art. 16 der Wasserrahmenrichtlinie festgelegten Frist vorgelegt wurde. Das Hauptproblem der politischen Einigung dazu ist jedoch, dass das Ganze weiterhin nur auf Qualitätsnormen aufgebaut ist, die Oberflächengewässer haben sollen. Für die prioritären Stoffe sind dort die zulässigen Höchstkonzentrationen in Gewässern definiert. Ein Immissionsansatz also. Grenzwerte für Einleitungen im klassischen Emissionsansatz soll es demnach - zumindest EU-weit - nicht geben.
Der kombinierte Ansatz im Art. 16 der Wasserrahmenrichtlinie wurde damit versenkt.
In der Folge dürfte eine Firma an einem großen Fluss mehr Schadstoffe in das Gewässer lassen als eine Firma an einem kleinen Fluss, jedenfalls sofern nationale Gesetzgebungen nichts anderes festgelegen. Angesichts der immer noch unakzeptabel hohen Belastung beispielsweise von Nordsee und Ostsee ist dies vollkommen unverständlich.
Gegenwärtig sind zwar noch einige Stoffe und Stoffgruppen EU-weit über die noch geltende „Gefährliche-Stoffe-Richtlinie“ mit Emissionsgrenzen belegt. Doch dieses Gesetz wird bekanntlich ersatzlos aufgehoben.
Danach werden wir nur noch für große Anlagen EU-weit gültige Emissionsgrenzen haben, und zwar über die IVU-Richtlinie. Sämtliche kleinen Anlagen bleiben ab diesem Zeitpunkt auf Ebene der EU ungeregelt. Ob und wie die einzelnen Mitgliedstaaten diese Lücke
durch eigene Gesetzgebung schließen, ist ungewiss. Letztlich läuft dies auf eine Renationalisierung der ursprünglichen Gemeinschaftsmaßnahmen hinaus, ähnlich
wie bei der Meeresstrategierichtlinie. Doch gerade für Deutschland mit seinen vielfach fortschrittlichen Emissionsstandards könnte es problematisch werden,
wenn andere Länder ihrem Firmen erlauben sollten, fortan niedrigeren Standards zu folgen.
Die Bundesregierung war darum nicht ohne Grund der Auffassung, dass Umweltqualitätsziele für Oberflächengewässer mit Emissionsstandards für die Anlagen verknüpft werden müssen. Natürlich hat Deutschland diese Forderung in erster Linie aus Wettbewerbsgründen erhoben. Aber damit wird sie ja nicht falsch. Es ist auch die Forderung von Umweltverbänden. Die Linke ist ebenfalls der Meinung, dass ein vorsorgender Umweltschutz keinesfalls auf Emissionsstandards nach dem Stand der Technik verzichten kann. Nur so ist Distanz- und Summationsschäden vorzubeugen. Umweltqualitätsziele können dies nur ergänzen, nicht aber ersetzen.
In der Substanz fehlt neben dem eben beschriebenen Problemen auch ein sachgerechter Umgang mit den prioritären Stoffen. Von den 33 Stoffen und Stoffgruppen des 2001 verabschiedeten Anhangs X der WRR sind nunmehr lediglich 13 Stoffe und Stoffgruppen als prioritär gefährlich eingestuft. Ihre Einleitung, Emission oder ihr Verlust soll wegen ihrer besonderen Schädlichkeit beendet bzw. schrittweise eingestellt werden. Als prioritär oder prioritär gefährlich gelten jedoch viel zu wenige Stoffe. Die entsprechenden Listen bei den Meeresschutzabkommen OSPAR oder HELCOM sind bedeutend länger. Selbst das UBA sprach einmal von rund 10 000 problematischen Stoffen. Das Parlament
hatte in der ersten Lesung die Anzahl der Stoffe der Liste X wenigstens verdoppelt. Der Rat hat davon jedoch nichts in die politische Einigung übernommen.
Es ist aber nicht nur diese Blockade, es ist auch der Einzelstoffansatz an sich, welcher der enormen Zahl problematischer Stoffe nicht gerecht wird. Er müsste dringend ergänzt werden durch Höchstgrenzen für Summenparameter, vergleichbar mit den Regelungen in der Grundwasserrichtlinie. Aber offenbar hatte die Wirtschaft an solchen Regelungen kein Interesse, und sie hat sich wieder einmal durchgesetzt.