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Roland Claus: Ungleiche Netzentgelte - schlechter Treppenwitz der Wirtschaftsgeschichte

Rede von Roland Claus,

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Stromkundinnen und Stromkunden! Bereits im November des Jahres 2014 hat meine Fraktion diesen Antrag gestellt, und er ist leider nicht veraltet; so viel zum Thema „Hauruckverfahren“. Also an Zeit zu gründlichen Entscheidungen hat es nicht gemangelt. Wir haben auch abgewartet, weil wir ein wenig auf die Lernfähigkeit dieser Koalition gebaut haben. Aber das war offenkundig ein Fehler.

Gegenstand unseres Antrages ist, dass wir es mit starken regionalen Ungerechtigkeiten bei den Gebühren für Stromnetze zu tun haben, und natürlich haben wir mit dem Antrag angestrebt, diese Ungerechtigkeiten zu überwinden. Fakt ist aber nach wie vor: Der Osten subventioniert Strom in West- und in Süddeutschland. Das wollen wir so nicht weiter haben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich war Anfang dieses Jahres mit anderen Bundestagskollegen am Chemiestandort in Leuna. Wir wollten die Möglichkeiten ausloten, künftig Batterien ohne Metalle herzustellen. Wir sind dann auch gut ins Gespräch gekommen; aber zunächst mussten wir uns von der chemischen Industrie Sätze arger Enttäuschung und Forderungen anhören, die angesprochenen Ungerechtigkeiten in diesem Gesetz zu beseitigen und gerechte Nutzungsentgelte zu schaffen.

Es gab aus dem Bundeswirtschaftsministerium mit dem Gesetz zur Modernisierung der Netzentgelte das Versprechen, eine Vereinheitlichung vorzunehmen. Bundesminister Gabriel war nach einer intensiven Debatte im Haushaltsausschuss selbst in Leuna. Dieses Versprechen, diese Zusage, wurde nun nicht eingehalten. Da muss es Sie nicht wundern, meine Damen und Herren, dass der Landesverband Nordost der chemischen Industrie hier eine Lex Nordrhein-Westfalen vermutet, nämlich eine Besserstellung wegen der Landtagswahl.

Im Antrag der Linken sind die Probleme uneinheitlicher Netzkosten anhand von Beispielen belegt. Wir haben es mit Mehrkosten von bis zu 100 Prozent zu tun, sowohl bei privaten Verbrauchern vor allem im ländlichen Raum, aber natürlich vor allem bei der energieintensiven Industrie. So werden die Bundesländer mit hohem Anteil an erneuerbaren Energien nun mit den gleichen Instrumenten, mit denen sie einmal gefördert wurden, bestraft. Das ist ein Treppenwitz der Wirtschaftsgeschichte – aber ein schlechter Treppenwitz, müssen wir Ihnen sagen.

(Beifall bei der LINKEN)

Bundesminister Gabriel hat heute Morgen bei der Vorstellung des Jahreswirtschaftsberichts den Satz gesagt, wir hätten es mit einer gelungenen Energiewende zu tun. Die Stromrechnung vieler Verbraucher und die Energiekostenanteile in der Industrie sprechen eine deutlich andere Sprache.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Nun erfahren Sie zu Recht Widerspruch, vor allem aus den ostdeutschen Ländern. Ministerpräsident Tillich aus Sachsen wendet sich im Namen aller seiner Ministerpräsidentenkolleginnen und -kollegen an den Bundeswirtschaftsminister. Das Land Thüringen kündigt eine Bundesratsinitiative an. Sie werden dieses Thema heute also nicht los. Die Umweltministerin von Thüringen sagt wörtlich: „Diesen Wortbruch wollen wir nicht hinnehmen.“ Da muss ich sagen: So etwas kann das Wirtschaftsministerium doch nicht einfach aussitzen, meine Damen und Herren. Ministerpräsident Tillich aus Sachsen schreibt der Bundesregierung:

"Angesichts weiterer struktureller Nachteile der ostdeutschen Länder ist dies nicht hinnehmbar."

Bekanntlich wird von der Unionsfraktion in diesem Hause alles, aber auch alles, was von der Linken vorgeschlagen wird, abgelehnt, und zwar nur deshalb, weil es von der Linken kommt.

(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn es von uns kommt, auch!)

Das, meine Damen und Herren, ist angesichts der Tatsache, dass Ihr Kollege Michael Fuchs heute Morgen selbst über Probleme im Energiesektor geklagt hat, wirklich eine Politik von gestern. Das ist so von gestern und so daneben, dass ich das im Osten inzwischen keinem mehr erklären kann. Die Wählerinnen und Wähler glauben mir gar nicht, dass Sie so von gestern sind. Ich finde ja, die Union ist klüger, als sie bei Abstimmungen hier demonstriert. Heute hätten Sie die Möglichkeit, das ein einziges Mal zu zeigen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN)

Deshalb meine Aufforderung an die Union: Heute Hände hoch, wenn es um die Abstimmung über den Antrag der Linken geht!

(Beifall bei der LINKEN – Manfred Grund [CDU/CSU]: Den Kopf hoch, nicht die Hände!)