ZP - Aktuelle Stundeauf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Entlassung des Bundesumweltministers und Handlungsfähigkeit der Bundesregierung
Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich hatten wir eine Aktuelle Stunde an prominenter Stelle zu dem unsäglichen Vorgehen der Frankfurter Behörden und Polizei gegen die Occupy-Proteste am letzten Wochenende beantragt. Leider hat die Koalition selbst eine Aktuelle Stunde beantragt. Deshalb findet unsere am Freitag, um 16 Uhr, statt, und zwar außerhalb der Fernsehzeiten.
(Cajus Caesar (CDU/CSU): Werbeblock?)
Ob gut oder schlecht, jetzt wenden wir uns dem aufregenden Thema eines Ministerwechsels zu. Er ist vollzogen. Wie man hört, soll Herr Röttgen am Dienstag in Schloss Bellevue sehr entspannt geschaut haben. Nun stellt sich die Frage: War er nicht vielleicht froh, dieser Knochenmühle entkommen zu sein, in der jeglicher umweltpolitische Fortschritt gegen den Widerstand der Betonfraktion im Wirtschaftsministerium durchgesetzt werden muss? Da ist natürlich einiges stecken geblieben wir haben es schon gehört , was schon längst hätte angegangen werden müssen. Oder war es eher die Überzeugung, dass der Rauswurf auch der Bundeskanzlerin schaden wird, die Norbert Röttgen als Umweltminister im Regen hat stehen lassen und bis heute das Mammutprojekt Energiewende eben nicht zur Chefsache gemacht hat?
Wie dem auch sei, Frau Merkels Entscheidung könnte uns eigentlich egal sein, wenn sie nicht dokumentieren würde, welchen Stellenwert die Umwelt- und Energiepolitik bei der Union gegenwärtig hat.
(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der FDP: Den höchsten!)
Denn klar ist doch, bei allem Respekt vor Herrn Altmaier: Jetzt wegen persönlicher Befindlichkeiten die Pferde zu wechseln, heißt zunächst nichts anderes als Stillstand bei der Energiewende.
(Beifall bei der LINKEN)
Der neue Umweltminister mag ja klug, offen und nett sein überdies kocht er gut, wie ich gelesen habe , aber um die Knackpunkte beim EEG, dem Emissionshandel, der Netzarchitektur oder dem Speicherausbau zu begreifen, bedarf es einer Anlaufzeit. Die muss man jedem geben. Ansonsten beherrschen die Beamten oder das Wirtschaftsministerium den ganzen Ablauf. Das kennen wir. Beides halte ich für sehr hinderlich.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir Linke sind allerdings auch skeptisch, wenn es um sogenannte Profis bei Union und FDP geht. Da kommt dann so etwas wie die AKW-Laufzeitverlängerung oder das Asse-Chaos heraus. Insofern macht es vielleicht gar keinen Unterschied, da am Ende die großen Energiekonzerne und die Industrie sowieso ihren Fuß in der Tür haben. Das sieht man etwa an den großzügigen Befreiungen beider von den Kosten der Energiewende. Aber vielleicht setzt Peter Altmaier hier andere Zeichen. Sein einziges mir bekanntes umweltpolitisches Engagement war im Umweltausschuss ein leidenschaftliches Plädoyer für die AKW-Laufzeitverlängerung und am nächsten Tag seine Pressekonferenz.
Das ist Geschichte. Jetzt ist meine Frage: Was erwarten wir denn von dem Umweltminister? Zunächst muss die letzte Novelle des EEG vom Tisch.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das Signal, dass der Ausbau gedeckelt und die Vergütungen zusammengestrichen werden, trägt nicht dazu bei, die Solarwirtschaft in Ostdeutschland weiterzuführen. Sie haben sie vielmehr plattgemacht. Im Gegenzug können einige Privilegien gestrichen werden, die die energieintensive Industrie beim EEG genießt. Dafür zahlen die anderen Stromkunden schließlich zusätzlich. Und wenn sich die FDP mal um die Hartz-IV-Empfänger kümmert, wird die Großindustrie von ihr bedient.
Was wir brauchen, ist eine soziale Energiewende. Wir müssen Energiearmut verhindern, statt Stromfresser dafür zu belohnen, dass sie viel Strom verbrauchen. Noch einmal die Zahlen: 900 000 Verbraucher bekommen keinen Strom mehr. Wir sollten uns dafür stark machen, dass die Energiearmut endlich aufhört.
(Beifall bei der LINKEN)
Unterstützen Sie den dezentralen Ausbau der erneuerbaren Energien auch im Süden Deutschlands! Dann brauchen wir weniger Netze. Verhindern Sie, dass die Gaskraftwerke vom Netz genommen werden, was die Unternehmen jetzt wollen! Wir brauchen eine Energieeffizienzpolitik. Die Blockade bei der EU muss endlich beendet werden. Wir brauchen mehr Geld, um über Speichertechnologien zu forschen und um sie in den Markt einzuführen.
Zum Schluss noch: Klimapolitik muss einem zukünftigen Umweltminister am Herzen liegen. Das heißt, dass das EU-Klimaziel auf 30 Prozent festgelegt werden muss. Das ist dringend notwendig. Das erwarte ich von einem ambitionierten Umweltminister. Und: Lassen Sie sich nicht ununterbrochen, wie der frühere Umweltminister, vom Wirtschaftsministerium vorführen!
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)