Der in der gesetzlichen Krankenversicherung 1994 eingeführte Risikostrukturausgleich ist eine unverzichtbare Voraussetzung für die Umsetzung des Versorgungsauftrags der Krankenkassen und für einen funktionsfähigen Kassenwettbewerb. Der bisherige Risikostrukturausgleich ist aber unzureichend. Der bisherige Risikostrukturausgleich ist aber unzureichend. Die großen Kassen mit vielen Kranken tragen weiterhin die Hauptlast in diesem Wettbewerb, während die kleinen Kassen mit überwiegend gesunden Versicherten die großen Nutznießer sind. Sinnvoller Wettbewerb aber setzt gleiche Bedingungen für die Wettbewerber voraus. Frank Spieth in der Debatte zum Erlass der Rechtsverordnung zum morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es endet fast die 13. Stunde der heutigen parlamentarischen Beratungen. Hoffentlich ist das kein schlechtes Omen für die Gesundheitspolitik in diesem Land. Vielleicht hängt die Abwesenheit vieler Kollegen damit zusammen, dass einige entweder erschöpft oder im Geschäft mit den Lobbygruppen verschwunden sind und deshalb keine Zeit haben, gerade dann, wenn es um die wesentlichen gesundheitspolitischen Themen geht, hier in diesem Hohen Hause anwesend zu sein. Ich bedauere das sehr. Ich freue mich aber, dass immerhin der Staatssekretär des zuständigen Ministeriums heute anwesend ist. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Der in der gesetzlichen Krankenversicherung 1994 eingeführte Risikostrukturausgleich ist eine unverzichtbare Voraussetzung für die Umsetzung des Versorgungsauftrags der Krankenkassen und für einen funktionsfähigen Kassenwettbewerb. Um das einmal klar in Zahlen auszudrücken: Würden wir diesen Risikostrukturausgleich zwischen den Krankenkassen in Deutschland nicht haben, hätten einige Krankenkassen einen Beitrag von 25 Prozent und andere einen Beitrag von 5 Prozent. Dies würde überhaupt keine Wettbewerbsfähigkeit mehr garantieren und zu einem Vernichtungswettbewerb führen. (Beifall bei der LINKEN) Der bisherige Risikostrukturausgleich ist aber unzureichend. Die großen Kassen mit vielen Kranken tragen weiterhin die Hauptlast in diesem Wettbewerb, während die kleinen Kassen mit überwiegend gesunden Versicherten die großen Nutznießer sind. Sinnvoller Wettbewerb aber setzt gleiche Bedingungen für die Wettbewerber voraus. Wenn die einen Lasten zu tragen haben und andere nicht, dann kann man nicht von gleichen Bedingungen sprechen. Das kommt einem so vor, als wollte man einigen Beteiligten bei einem 1 000-Meter-Lauf einen Vorsprung von 100, 200 und 300 Metern einräumen. Dann zu behaupten, dies seien gleiche Wettbewerbsbedingungen, ist allergrößter Unsinn. Die Notwendigkeit einer Reform des Risikostrukturausgleichs hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 18. Juli 2005 noch einmal ausdrücklich bestätigt. Hier hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich festgestellt, dass die unscharfe Abbildung des Gesundheitszustands der Versicherten im gegenwärtigen Ausgleich die Erreichung der gesetzlichen Hauptziele gefährdet. Dadurch werden logischerweise Tendenzen zur Risikoselektion zwischen den Kassen begünstigt. Wir stellen deshalb fest: Die Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Gesundheit, die nach dem Gesetz bis zum 30. Juni 2004 hätte erlassen werden müssen und die die Einführung dieses krankheitsbezogenen Ausgleiches hätte regeln sollen, liegt bis heute nicht vor, nach meiner Auffassung unter Missachtung dessen, was hier im Deutschen Bundestag beschlossen wurde. Das ist ein gültiges Gesetz. (Beifall bei der LINKEN) Wenn Sie, wie in der Debatte über die Gesundheitsreform zu hören ist, wohlfeil auf die Ärzteproteste reagieren - hier ist auch ein gehöriger Schuss Populismus mit dabei - (Nicolette Kressl [SPD]: Das sagen die Richtigen!) und die Ärztevergütungen jetzt neu regeln - vom Grundsatz her bin ich dafür -, gleichzeitig aber die Regelung des Risikostrukturausgleichs für die krankheitsbezogenen Ursachen quasi auf den Sankt-Nimmerleins-Tag vertagen, dann schaffen Sie für die Krankenkassen, die mit besonderen Krankheitsrisiken zu kämpfen haben, Bedingungen, die es unmöglich machen, dass sie eine neue Vergütung für Ärzte finanzieren. Das ist das Problem. (Beifall bei der LINKEN) Die Gesundheitspolitiker der großen Koalition bekommen immer glänzende Augen, wenn vom neuen Gesundheitssystem in den Niederlanden die Rede ist. Das haben wir dieser Tage auch beim Besuch des holländischen Gesundheitsministers Hoogervorst im Gesundheitsausschuss beobachten können. Aber ich rate Ihnen, genauer hinzuschauen: In Holland besteht für die gesamte Bevölkerung eine Versicherungspflicht. Für alle Teilnehmer am Wettbewerb gelten die gleichen Bedingungen. In den Niederlanden gibt es einen krankheitsorientierten Risikostrukturausgleich, in den schon vor der jetzigen Reform gesetzliche und private Krankenkassen - bei uns ist es ein Sakrileg, das nur zu sagen - eingebunden waren und der über Alter und Geschlecht deutlich hinausgeht. Dort sind chronisch Kranke jetzt eine für alle Kassen interessante Gruppe. Das, meine ich, muss unser Ziel sein. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Ein anderes Bild zeigt sich beim Vergleich mit der Schweiz. Dort wurde der Wettbewerb zwischen den Krankenkassen ohne einen krankheitsbezogenen Ausgleich herbeigeführt, mit der Folge, dass dies zulasten der Kranken geht. In der Schweiz wurde ein Fehler gemacht, den wir in Deutschland jetzt möglicherweise auch machen: Wir werden die notwendigen finanziellen Anpassungen ohne Ausgleichssysteme vornehmen, mit der Folge, dass sich der Wettbewerb um Junge und Gesunde - und nicht der Wettbewerb um Kranke - weiter verstärkt. Frau Präsidentin, ich komme zum Ende. - Wer Solidarität und Gerechtigkeit will, muss diese Rechtsverordnung erlassen. Verwirklichen Sie endlich den krankheitsbezogenen Risikostrukturausgleich zwischen den Kassen, wie er längst im Gesetz steht! Dann ist auch die Einführung einer gerechten Ärztevergütung möglich. Schönen Dank. (Beifall bei der LINKEN)
Risikostrukturausgleich unter gleichen Bedingungen
Rede
von
Frank Spieth,