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Rente ab 67 - Die Voraussetzungen stimmen nicht!

Rede von Klaus Ernst,

DIE LINKE war und ist die einzige Parteien die sich immer gegen die Rente ab 67 ausgesprochen hat. Die Antworten der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE über die "Beschäftigungssituation Älterer, ihre wirtschaftliche und soziale Lage und die Rente ab 67" zeigt: Die Voraussetzungen für die REnte ab 67 stimmen nicht. Sie stimmen nicht, weil 1. die Situation am Arbeitsmarkt, insbesondere für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach wie vor katastrophal ist, 2. viele Betroffenen bereits vor dem Rentenzugang aus prekären Situationen kommen und 3. das tatsächliche Renteneintrittsalter nach wie vor deutlich unter 65 liegt.

Klaus Ernst (DIE LINKE):

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Im März 2007 ist mit den Stimmen der damaligen Großen Koalition die Rente ab 67 eingeführt worden. Gleichzeitig ist vereinbart worden, dass zum ersten Mal im Jahr 2010 und dann alle vier Jahre zu berichten ist, ob dieser Beschluss angesichts der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt sowie der wirtschaftlichen und sozialen Situation älterer Arbeitnehmer tatsächlich aufrechterhalten werden kann.

Wir haben deshalb eine Große Anfrage gestellt, die seit dem 23. Juni beantwortet ist. An dieser Stelle möchte ich anmerken, dass ich es verwunderlich fand, dass Herr Weiß als Erster, und zwar zu einem Zeitpunkt, als wir die Antwort der Bundesregierung noch gar nicht hatten, darauf reagiert hat. Herr Weiß, es ist ja wirklich Klasse, dass Sie offensichtlich zu einem Zeitpunkt informiert wurden, zu dem die Antragsteller die Antwort noch gar nicht kannten.

(Elke Ferner (SPD): Peinlich! Peinlich! - Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Unerhört!)

Ich denke, das war kein gutes Verfahren. Herr Weiß, vielleicht wäre ein wenig Zurückhaltung an der einen oder anderen Stelle ganz hilfreich.

(Beifall bei der LINKEN Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Das müssen Sie gerade sagen!)

Angesichts dieses Vorgehens stellt sich für uns allerdings die Frage, ob die Bundesregierung die Überprüfungsklausel überhaupt ernst nimmt. Schade, dass Frau von der Leyen nicht hier ist. Sie hat nämlich am 17. Mai im Focus auf die Frage „An der Rente mit 67 wird nicht gerüttelt?“, geantwortet: „Warum sollten wir?“ Zum damaligen Zeitpunkt hat sie die Antworten der Bundesregierung offensichtlich auch noch nicht gehabt, sonst wäre sie zu einem anderen Ergebnis gekommen.

Wir haben uns gefragt: Welche messbaren Kriterien gibt es bzw. müssen vorliegen, damit man diese Frage überhaupt beantworten kann? Es gibt 234 Fragen und Tausende von Antworten. Einige Antworten machen uns deutlich: Die Rente mit 67 kann so nicht funktionieren.

Das erste Argument: Der Anteil der sozialversicherungspflichtig beschäftigten 64-Jährigen an der Gesamtzahl der 64-Jährigen die dann also mit 65 bzw. 67 Jahre in Rente gehen sollen liegt zurzeit bei 9,4 Prozent. Das heißt, 90 Prozent der Menschen, denen Sie eine Rente ab 67 antun wollen, haben in diesem Alter gar keine sozialversicherungspflichtige Arbeit mehr. Das bedeutet doch im Ergebnis logischerweise, dass sie, wenn sie mit 64 Jahren schon keinen Job mehr haben, auch mit 65 und 66 Jahren keinen mehr haben.

(Zuruf des Abg. Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU))

- Auf dieses Argument komme ich gleich, Herr Weiß. Das bedeutet für diese Menschen lediglich schlichtweg höhere Abschläge. Im Übrigen betrug diese Quote im Jahr 2000 3,7 Prozent. Okay, die Quote ist gestiegen.

(Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Na also! Geben Sie doch zu, dass es aufwärtsgeht!)

Herr Weiß, hören Sie erst einmal zu, Sie sind schon wieder so vorlaut.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN - Otto Fricke (FDP): Das sagt der Richtige!)

Wenn wir für die Folgejahre dieselbe Dynamik unterstellen, die es von 2000 bis 2008 gab,

(Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Das ist schon wieder falsch, was Sie machen!)

wird im Jahr 2029 der Anteil der 64-Jährigen, die ohne sozialversicherungspflichtige Beschäftigung sind, bei 75 Prozent liegen. Das heißt, für die Betroffenen bedeutet das auch im Jahr 2029 schlichtweg eine Kürzung ihrer Leistungen.

Bei den Vollzeit-Sozialversicherungspflichtigen beträgt der Anteil der 63- und 64-Jährigen nur 7,4 Prozent. Sie beginnen mit der Rente ab 67 im Januar 2012. Bis dahin wird sich das nicht ändern. Das bedeutet für die meisten Bürger in unserem Lande höhere Abschläge bei der Rente ab 67 und sonst überhaupt nichts.

(Beifall bei der LINKEN Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU):
Es ist falsch, was Sie sagen!)

Das zweite Argument: Das tatsächliche Renteneintrittsalter liegt nach wie vor weit unter den gesetzlich festgelegten 65 Jahren. Momentan haben wir ein durchschnittliches Renteneintrittsalter von 63 Jahren. Wir sind also weit davon entfernt, überhaupt über die Rente mit 67 zu diskutieren.

Ich komme das ist das dritte Argument zum Rentenversicherungsbeitrag. Die Antworten, die wir von der Bundesregierung haben, besagen: Es sind um 0,5 Prozent höhere Beiträge für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erforderlich, wenn wir auf die Rente ab 67 verzichten und die Arbeitnehmer mit 65 Jahren in Rente gehen ließen. Was heißt das für einen Menschen, der 2 000 Euro verdient? Es bedeutet für ihn, dass er um fünf Euro höhere Rentenbeiträge zu zahlen hätte; er könnte dann aber mit 65 in Rente gehen.

(Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Das ist der Punkt!)

Meine Damen und Herren, ich habe noch keinen Arbeitnehmer getroffen, der gesagt hätte, dass er wegen fünf Euro brutto mehr zwei Jahre länger arbeiten würde. Den müssen Sie mir mal zeigen!

(Beifall bei der LINKEN)

Was ist Ihre Politik? Die Antworten der Bundesregierung besagen, dass Sie die Menschen, weil diese in dem Alter keine Jobs mehr haben, in Altersarmut treiben. Denn sie werden durch die Rente mit 67 um 7,2 Prozent höhere Abschläge haben. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik, und sonst nichts.

Jetzt könnten wir noch über Demografie streiten; ich will eigentlich gar nicht darüber streiten.

(Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Nüchterne Zahlen!)

Dazu haben wir ganz andere Ansichten als Sie, die durch Herrn Rürup belegt sind, der die Produktivitätsentwicklung höher einschätzt als die demografische Entwicklung.

Von Ihnen möchte ich gern hören, was Sie den Menschen sagen,

(Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Ja, das sagen wir auch!)

die mit 63, 62 oder 61 nicht mehr arbeiten können und laut Ihnen
bis 67 arbeiten sollen. Sie sollten wenigstens für diese Menschen Antworten haben, ihnen zum Beispiel sagen können, dass sie umschulen sollen. Aber sagen Sie einmal einem Dachdecker, dass er zum Buchhalter umschulen soll. Was soll der tun? Welche Antworten haben Sie für diese Menschen? Sie haben keine einzige Antwort.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie verstecken sich hinter dem Argument der Demografie. Letztendlich ist Ihr ganzes Vorgehen bei der Rente mit 67 ein Manöver zur Kürzung der Renten für die Mehrheit der Menschen im Interesse der deutschen Versicherungswirtschaft, damit sich möglichst viele privat versichern.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist Ihre Politik. Die ist wirklich unzumutbar.
Ich danke Ihnen fürs Zuhören.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von der FDP: Unzumutbar sind Sie!)