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Regierungskoalition sagt Nein zum gemeinsamen Handeln in Europa

Rede von Agnes Alpers,

Sehr geehrte/r Herr Präsident/Frau Präsidentin,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

seit Jahren wird auf der europäischen Ebene versucht, die EU-Richtlinie über die Anerkennung von Berufsqualifikationen und die Verordnung über die Verwaltungszusammenarbeit mithilfe des Binnenmarktinformationssystems gemeinsam zu erarbeiten.

Ganz Europa ringt in dieser Frage um ein gemeinsames Handeln, aber CDU/CSU und FDP legen heute einen Antrag vor, der zu einem Großteil ein Nein-Sager-Antrag ist.

Europa will gemeinsame Standards für Berufe und Qualifikationen und die Regierungsparteien legen keinen Wert darauf, dieses im Plenum zu diskutieren. Diese Reden gehen zu Protokoll und der Antrag soll einfach mal so durch gewunken werden.

Hier sagen wir als LINKE „Nein“.

Nein zum Nein-Sager-Antrag, nein zum geräuschlosen Durchwinken und nein zum Umgang von schwarz-gelb mit dem jahrelangen Ringen auf europäischer Ebene um gemeinsames Handeln.

Schauen wir uns den Nein-Sager-Antrag zum gemeinsamen europäischen Vorgehen an einigen Beispielen an: Nehmen wir zunächst den europäischen Berufsausweis: Der Vorschlag der EU-Ebene war, dass nach einem anerkanntem Abschluss die Ausbildungsberufe in einem Berufspass eingetragen und von allen Staaten anerkannt werden. CDU/CSU und FDP begrüßen diesen Vorschlag, doch ob die Ausbildungen anerkannt werden, soll letztendlich das Aufnahmeland entscheiden.

Was also wollen uns die Antragstellerinnen und Antragsteller damit mitteilen? Die Antwort darauf: Die Idee ist ja ganz nett, aber wir entscheiden alleine, was wir anerkennen!

Und hier sagen wir als LINKE: Nicht mit uns!

Wir wollen gemeinsame und qualitativ hochwertige Inhalte für die Ausbildungsberufe in Europa festlegen. Das sichert Qualitätsstandards, schafft berufliche Perspektiven in ganz Europa und vermeidet nebenbei noch aufwendige Anerkennungsverfahren.

Schauen wir nun auf die Einschätzung der Koalition zu den gemeinsamen Ausbildungsrahmen und -prüfungen. Hier sprechen die Antragstellerinnen und Antragsteller zwar von der Stärkung gemeinsamer Ausbildungsgrundsätze. Sie betonen sogar, dass eine große Gruppe von Mitgliedsstaaten voranschreiten kann, wenn sich nicht alle Mitgliedsstaaten auf gemeinsame Ausbildungsgrundsätze einigen können. Allerdings – und nun wird es an zentraler Stelle wieder spannend – heißt ihr berühmtes Ultima Ratio an dieser Stelle nicht: Wir gehen gemeinsam voran! Sondern: Es muss jedem Mitgliedsstaat frei stehen, an den gemeinsamen Ausbildungsrahmen oder Qualifikationsprüfungen teilzunehmen.

Das bedeutet: Jeder kann mitmachen, aber wenn es uns nicht passt, können wir dann doch wieder machen, was wir wollen. Das ist nicht unsere Vorstellung eines gemeinsamen Handelns in Europa!

Wir als LINKE stehen für ein Europa, in dem wir solidarisch Wege beschreiten, um gemeinsame verlässliche und verbindliche Perspektiven zu eröffnen.

Im Gegensatz dazu fordern CDU/CSU und FDP, dass die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten bei Ausbildungsinhalten gewahrt bleiben muss. Es dürfen keine tiefergehenden Kompetenzen an die EU-Kommission übertragen werden. Ich wiederhole: Es dürfen keine tiefergehenden Kompetenzen an die EU-Kommission übertragen werden!

Das ist die Kernaussage der Regierungsparteien. Das bedeutet: Europa ja, aber nicht, wenn nationale Interessen verletzt werden.
Und auch hier sagen wir als LINKE klar und deutlich: Nein!
Für uns gibt es in Europa nur einen Weg: gemeinsam, solidarisch, sozial und gerecht!

Europa ist keine Spielwiese nationaler Machtinteressen, sondern ein gemeinsames Projekt, um Zukunft für alle zu gestalten. Und das, was wir hierfür benötigen, sind Regierungsparteien, die gemeinsame konstruktive Wege für Europa aufzeigen, statt mit ihrem Handeln Europa ad absurdum zu führen.

Vielen Dank!