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Regierung muss endlich komplett nach Berlin

Rede von Roland Claus,

Rede von Haushaltsausschussmitglied Roland Claus in der Debatte zum Stand der deutschen Einheit am 9. November 2006

Roland Claus (DIE LINKE):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte Ihnen namens meiner Fraktion im Rahmen dieser Debatte einen Antrag vorstellen, dessen Entwurf schon großes Interesse weckte. Es geht uns um die Zusammenführung der Bundesministerien in Berlin. Wir verstehen das durchaus als einen Beitrag zur Mitwirkung an der deutschen Einheit und nicht zur Behinderung der deutschen Einheit.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN - Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da haben Sie sich den schwierigsten Teil ausgesucht!)

Seit 1994 wirkt das Berlin/Bonn-Gesetz. Es verteilt Ministerien und Ämter auf die Standorte Bonn und Berlin. Um das vorab klarzustellen: Mit diesem Antrag geht es nicht gegen die Region Köln/Bonn. Ich kann es auch etwas populärer sagen: Keinem Bonner würde es durch unseren Antrag schlechter gehen. - Das Berlin/Bonn-Gesetz hat lange gewirkt, über zwölf Jahre. Es hat vielen genutzt. Hier argumentieren wir in der Tat biblisch, meine Damen und Herren: Ein Jegliches hat seine Zeit. - Die Zeit dieses Gesetzes geht nun zu Ende.

(Beifall bei der LINKEN)

Deswegen schlagen wir Ihnen vor, eine Änderung des Berlin/Bonn-Gesetzes zu erarbeiten; denn wir dürfen uns nicht an diese Zweiteilung gewöhnen.
Ich möchte nur die Fakten sprechen lassen. Die Situation ist die, dass 54 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ministerien nach wie vor am Standort Bonn und nur 46 Prozent in Berlin arbeiten. In absoluten Zahlen sind das 10 100 in Bonn und 8 800 in Berlin. Wir sagen Ihnen: So kann man nicht regieren, jedenfalls nicht gut regieren. Deshalb muss das verändert werden.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Klaus Uwe Benneter (SPD))

Natürlich wissen wir, dass Umzüge Veränderung bedeuten. Aber wer hat denn Hunderttausende Ostdeutsche gefragt, die der Arbeit nachziehen mussten und diese Veränderung auf sich genommen haben?
Es ist ein Antrag mit Augenmaß. Wir sagen: Das Bundeskanzleramt soll beginnen, diesen Schritt zu vollziehen. Wir nehmen Einrichtungen aus, die ausdrücklich einen regionalen Bezug haben. Einrichtungen, die mit moderner Kommunikationstechnik ihre Funktion erfüllen können, können auch am Standort Bonn bleiben. Es soll schrittweise und nach einem Stufenplan gehen.
Man soll uns bitte nicht mit dem Kostenargument kommen; das ist unredlich. Man will eine Hauptstadt entweder ganz oder gar nicht. Mit der Berlinentscheidung von 1991 ist diese Entscheidung gefallen.

(Beifall bei der LINKEN)

Nirgendwo auf der Welt finden Sie eine solche Zweiteilung der Ministerien.

(Stephan Hilsberg (SPD): Das stimmt nicht!)

Nun stellen Sie sich mal einen Moment vor, die Abstimmung 1991, die knapp genug gewesen ist, wäre für Bonn ausgefallen! Können Sie sich eine Sekunde lang vorstellen, dass 54 Prozent der Beschäftigten dann in Berlin ihren Arbeitsplatz gefunden hätten? Ich nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Interessanterweise wurde im Landtag von Nordrhein-Westfalen vor kurzem das gleiche Thema besprochen. Da gab es doch ziemlich harsche Worte: Die Debatte sei wegen der Zusammenrottung so wörtlich! von Hinterbänklern zur Sommerpause entstanden; das Thema sei so ähnlich bedeutend wie die Frage, ob Mallorca das 17. Bundesland sei. - Das spricht leider Bände über den Zustand der deutschen Einheit.
Ich will auch die Häme im Bundestag zum Bundesverfassungsgerichtsurteil zur Berlinentschuldung zur Sprache bringen. Nun haben wir durch die Föderalismusreform zwar eine Hauptstadtklausel, aber mit Ihrer Beschwörung des Wettbewerbsföderalismus helfen Sie überhaupt nicht dabei, der deutschen Einheit hier einen Impuls zu geben.

(Beifall des Abg. Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE))

Wie immer Sie künftig mit diesem Problem umgehen: Sie werden an der Lösung nicht vorbei kommen. Eines Tages werden auch die Politologen feststellen: Die Partei der wirklichen Einheit ist die neue Linke.
Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN - Lachen bei der CDU/CSU und der SPD - Stephan Hilsberg (SPD): Das ist der beste Witz des Tages!)