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Regelversorgung mit Diamorphin großer Erfolg auf dem Weg zu einer humanen Drogenpolitik

Rede von Monika Knoche,


Monika Knoche (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Herren und
Damen! Ich kann ehrlichen Herzens sagen: Es ist für
mich als drogenpolitische Sprecherin der Fraktion
Die Linke ein wunderbarer Tag. Es ist ein exzellenter
Anlass für alle Kolleginnen und Kollegen, die sich zu einem
gemeinsamen gesetzlichen Vorhaben entschieden
haben,

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Rot-Rot-Grün!
Super!)

sich gegenseitig zu gratulieren; denn das ist der Tag einer
humanen, rationalen und diskriminierungsfreien
Drogenpolitik in Deutschland.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN)

Es ist ein Meilenstein.
Ich bin sehr glücklich darüber, dass die Initiative, die
ich für die Linke schon sehr früh, im Jahr 2002, ergriffen
habe, nämlich gemeinsam mit den beiden anderen Oppositionsfraktionen, Grüne und FDP, einen bestimmten
Weg zu beschreiten, dazu geführt hat, dass wir endlich
- nach drei oder vier Legislaturperioden, in denen wir
über den Umgang mit von Heroin Schwerstabhängigen
diskutiert haben - zu parlamentarischen Mehrheiten finden
konnten. Vielen Dank dafür!

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der
SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN)

Es ist kein Koalitionsbruch. Ich muss die Koalition
nicht verteidigen, wenn ich sage: Im Koalitionsvertrag
steht gar nichts über Heroinsubstitution.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Aber über gemeinsame
Abstimmungen, Frau Kollegin! Über gemeinsames
Vorgehen!)

Es ist deshalb sehr erfreulich, dass die SPD den Weg gewählt
hat, diese Entscheidung heute gemeinsam mit den
Oppositionsfraktionen zu treffen.
Das wäre ohne das nachhaltige Engagement der deutschen
Städte nicht möglich gewesen. Die Städte sind in
Modellprojekten das Wagnis eingegangen, diese Studien
durchzuführen. Sie konnten nämlich eines nicht mehr ertragen:

die mutwillige medizinische Unterversorgung,
das medizinische Leid, das Menschen erfahren, die von
illegalen Spritzdrogen abhängig sind. Sie konnten die
Zerstörung der Familien als Folge dieser Kriminalisierung
nicht mehr erdulden.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir sprechen heute über eine Arzneimittelzulassung.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und
der SPD)

Wir sprechen nicht darüber, Heroin anstatt Methadon zu
verabreichen, sondern darüber, eine Therapievielfalt zu
ermöglichen und denjenigen, die mit Methadon ärztlich
nicht umfassend versorgt werden können, eine Therapiealternative zu geben.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten
der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN und des Abg. Detlef Parr [FDP])

Das ist medizinethisch das Einzige, woran wir uns als
Abgeordnete zu halten haben. Wir haben als Abgeordnete
nicht das Recht, gesetzliche Änderungen zu verweigern,
weil man ein ideologisches Drogenabstinenzdogma
im Kopf hat.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten
der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN)

Ich komme aus Karlsruhe und begleite als Drogenpolitikerin
das dortige Projekt seit 20 Jahren. Das Phänomenale
in Karlsruhe ist geschehen: Personen sind nach
30 Jahren Heroinabhängigkeit in die Abstinenz gegangen.
Auch ist erreicht worden, dass Menschen trotz ihrer
Sucht alt geworden sind. Es ist ein unglaublich hoher
ethischer Wert, dass Menschen aus ihrer Verelendung
heraus wieder eine Lebensperspektive finden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten
der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES
90/DIE GRÜNEN)

Ein Betroffener ist in ein Altenheim gegangen und führt
dort diese Substitutionsbehandlung weiter. Diese medizinische Behandlung verlangt enorme Disziplin: Man
muss Einrichtungen dieser Art täglich aufsuchen.
Viele Menschen, die aus schwerwiegenden psychiatrischen
Erkrankungen in die Abhängigkeit von Heroin
geraten sind, können jetzt nicht nur ihre Sucht, sondern
sogar ihre Primärerkrankung behandeln lassen.

Sie werden endlich in eine umfassende verantwortungsvolle medizinische Versorgung eingebunden, die die somatischen
und psychiatrischen Seiten umfasst. Sowohl bei Methadon
als auch bei Heroin ist die psychosoziale Betreuung
ein Muss. Das steht im Gesetzentwurf. Es war bei der
Methadonsubstitution nicht anders.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der
SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Verdrehen Sie also nicht die Tatsachen, und erzählen Sie
der Bevölkerung keine Schauermärchen darüber!

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten
der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Bei dem, was wir hier tun, handeln wir sehr verantwortungsbewusst.
Für die medizinischen Einrichtungen, die diese medizinisch hochinteressanten Personen auf ihrem Weg in ein besseres, gesünderes Leben begleiten, sind absolut strikte Begrenzungen vorgesehen. Wir geben nichts frei. Es werden vielleicht 1 000 oder 2 000 Menschen davon profitieren.

(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Woher
wissen Sie das?)

Ich bin glücklich, dass wir heute darüber abstimmen
können.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten
der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Petra Pau:
Kollegin Knoche, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Spahn?

Monika Knoche (DIE LINKE):
Ich bin mit meiner Rede fertig; aber fragen Sie ruhig,
Herr Spahn.

Jens Spahn (CDU/CSU):
Das ist freundlich von Ihnen, Frau Kollegin. - Ich
habe eine relativ einfache Frage. Sie haben gerade die
Bedeutung der psychosozialen Betreuung hervorgehoben.

Monika Knoche (DIE LINKE):
Ja.

Jens Spahn (CDU/CSU):
Wie kommt es dann, dass sich die Antragsteller geweigert
haben, den Zeitraum von sechs Monaten zu verlängern,
obwohl wir im Ausschuss darauf hingewiesen
haben, dass es nicht sein kann, die psychosoziale Betreuung
bei der Behandlung nur für sechs Monate - das ist
ein relativ kurzer Zeitraum für Schwerstabhängige - verpflichtend vorzusehen? Wenn die psychosoziale Betreuung
so wichtig ist und wenn es nicht nur um eine dauerhafte
Abgabe des Stoffes gehen soll, warum begrenzen
Sie die Verpflichtung dann auf sechs Monate?

(Dr. Stephan Eisel [CDU/CSU]: Sehr gute Frage!)

Monika Knoche (DIE LINKE):
Die Frage beantworte ich Ihnen gerne: Auch der
suchtabhängige Mensch ist ein autonomer und selbstbestimmter
Mensch

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und der SPD)

und hat unseren Respekt verdient. Die Studien haben gezeigt,
dass die Stabilisierung recht rasch vonstatten geht.
Was suchtabhängige Menschen danach brauchen, hält
unser gesamtes medizinisches Versorgungssystem bereit.
Sie können all die Hilfen, die sie brauchen, um diese
Therapie erfolgreich fortführen zu können, ambulant bekommen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten
der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN -
Jens Spahn [CDU/CSU]: Das ist
keine Antwort! - Annette Widmann-Mauz
[CDU/CSU]: Warum haben Sie dann dieses
Modellprojekt?)

Führen Sie keine Zwangsmaßnahmen ein! Respektieren
Sie die Würde auch dieser Menschen, und stellen Sie
sie nicht unter staatliche Kuratel. Das wäre falsch, und
das würde ich nie befürworten.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Das sagt mir die Linkspartei, oder was?)

Monika Knoche:
- Ja, das sage ich Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN -

Jens Spahn [CDU/CSU]: Bravo,
bravo!)