Sehr geehrte Herren und Damen
Schon die Problembeschreibung, die den FDP-Antrag einleitet, ist nicht korrekt. Die Begründung entspricht nicht dem Stand heutiger Erkenntnisse. Es ist nämlich mitnichten richtig, dass das Stammzellgesetz aus dem Jahr 2002 die deutsche For-schung in die internationale Isolation verweist.
Richtig ist, dass es zu erstaunlichen neuen Funden gekommen ist. Der durch das Gesetz bewusst gesetzte Stichtag hat sich nicht als Forschungshindernis erwiesen, sondern die Forschung nach Alternativen angeregt. Denn neben den bekannten emb-ryonalen Stammzellen im Nabelschnurblut konnten jetzt auch z.B. neben anderen embryonalen Stammzellfunden embryonale Stammzellen im Fruchtwasser gefunden werden. Das ist ein großartiger Gewinn für die Grundlagenforschung. Hier kann sich die Forschungslandschaft „frei“ bedienen und Erkenntnisse gewinnen, ohne dass ein früher Mensch der Verzweckung ge-opfert würde.
Das herausragende Gebot der Menschenwürde, das dem Ge-setzgeber einzuhalten auferlegt ist, hat erwiesener Maßen nicht zu einem Ende der embryonalen Stammzellforschung geführt, sondern kann auf ethisch unproblematische Felder verlegt wer-den. Die Forderung der adulten Stammzellforschung ist richtig und sollte auch weiter mit öffentlichen Mitteln stärker unterlegt werden. Daneben sollten aber auch neue Wege zur Gewinnung embryonaler Stammzellen, ohne Embryonen töten zu müssen, vorrangig gefördert werden.
Diesen gewichtigen neuen Sachverhalt, meine Herren und Da-men, würdigen Sie von der FDP leider nicht. Obgleich er davon zeugt, dass es keiner Verwerfung und Vernichtung des menschlichen Lebens in seinen frühesten Stadien bedarf, um mehr über das Geheimnis des Werdens des Menschen zu er-fahren.
Der Deutsche Bundestag hat in einer verantwortungsvollen Art und Weise im Jahr 2002 einen Kompromiss in der Frage des Imports embryonaler Stammzellen gefunden. Wie viele andere Abgeordnete im Hause bin auch ich bei der Auffassung geblie-ben, dass die Gültigkeit des Menschenwürdeprinzips als histo-risch humanistische Leistung in unserem Grundgesetz schon durch diesen Kompromiss verletzt wird. Jedoch, niemand der GegnerInnen des Stammzellimports hat sich gegen die Stamm-zellforschung ausgesprochen. Wohl aber den Forschungs-schwerpunkt auf die adulte Stammzellforschung gelegt. Denn schon nach wenigen Jahren hat sich die Wichtigkeit der adulten Zellen für Therapien erwiesen. Die embryonale Stammzellfor-schung kann dies natürlich nicht aufweisen. Dies müssen Sie in Ihrem Antrag registrieren. Und nicht ein verzerrtes Bild zeizei-gen.
Das im Jahr 2007 entstandene Papier des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages kann der embryonalen Stammzellenforschung, bezogen auf die von Ihnen behaupte-ten Potentiale, nur ein schmales Zeugnis ausstellen. Frühes-tens in 20 Jahren können eventuell die Grundlagenforschungen Ergebnisse zeitigen. Was für welche das dann sein werden, wissen wir nicht.
Was wir aber heute genau wissen, ist, dass adulte Stammzellen seit 4 Jahrzehnten klinisch angewandt werden können. Dabei werden bei verschiedenen Indikationen gute Effekte erzielt. Insbesondere ist in einigen Fällen nicht klar, wie die gesund-heitsfördernden Wirkungen zustande kommen. Hier noch inten-siver zu forschen und mehr Geld aufzuwenden ist vor dem ethi-schen Hintergrund und angesichts des Heilungsauftrages und Leidungslinderungsanspekts das Gebot der Stunde.
Und hier soll sich Deutschland etablieren - als der internationale Standort für adulte Stammzellforschung. Das halten wir für be-sonders anstrebenswert.
Im Januar 2007 gab es in den USA 1229 klinische Studien mit adulten Stammzellen und die Grundlagenforschung, das Ta-gesgeschäft, ist eben klinische Studien mit embryonalen Stammzellen.
Wenn Sie, verehrte Herren und Damen von der FDP sagen: „Die Ausschöpfung der Heilungsmöglichkeiten von Krankheiten wie Herzinfarkt z.B. wie sie durch die embryonale Stammzell-forschung entwickelt werden können ist ein Gebot der Ethik.“
dann ist das nahe an Irreführung. Ob sich mit solchen Botschaf-ten heute noch Börsenhyps erzielen lassen sei dahingestellt. Einzig für die Patentgebung mag derzeit Nutzen generiert wer-den. Aber das ist nicht der Handlungsauftrag des Gesetzge-bers.
Bezogen auf die menschenrechtliche und verfassungsdogmati-sche Einordnung der Frage des Status des Embryo, den der Bundestag im Jahr 2002 Stammzellgesetz und im Embryonen-schutzgesetz vorgenommen hat, muss man schon staunen mit welcher Chuzpe die FDP Fraktion ihren Antrag begründet. Sie sagt: Übrig gebliebene Embryonen, die nicht den Uterus der Frau erreichen, sollen künftig für die Gewinnung von Stammzel-len vernichtet werden können.
Dazu sage ich: Leben ist zweckfrei. Das gilt auch für den frühen Embryo, der aus der künstlichen Befruchtung entstanden ist.
Ihren hierin geäußerten Utilitarismus, ihrer Nützlichkeitsethik fehlt jedwede verfassungs- und menschenrechtliche Einord-nung und Begründung. Dass die FDP einen so wenig komplex begründeten Antrag vorlegt, erstaunt mich. Dass sie bezogen auf die Embryonenverwerfung das Wort von der Doppelmoral einführt, mutet befremdlich an.
Zwar bin auch ich der Auffassung, dass der bestehende Stammzellimportkompromiss eine Doppelmoral darstellt. Deut-sche Embryonen dürfen nicht getötet werden, ausländische embryonale Stammzellen aber importiert werden. Zwischen Le-ben und Tod gibt es keinen Kompromiss. Die Natur kennt nur je einen der Zustände. Daran kommt auch eine Gesetzesakrobatik nicht vorbei. Aus dem Stammzellkompromiss aber zu schluss-folgern, gleich alle Regeln fallen zu lassen im Sinne von anything goes ist meines Erachtens ein Zeugnis davon, dass Sie einer Interessengeleiteten Ethik den Vorzug geben. Eine Ethik die bar von Barrieren ist. Das ist nicht der Grundgesetz-auftrag den ich aus der Verfassung ablese.
Der FDP-Antrag ist heute in der ersten Lesung. Es wird eine öf-fentliche Anhörung geben. Dabei wird der zweite Erfahrungsbe-richt der Bundesregierung über die Durchführung des Stamm-zellgesetzes und die Ausarbeitung des wissenschaftlichen Dienstes hilfreiche Beachtung finden.
Und so hoffe ich, werden korrekte Darstellungen über das Leis-tungsvermögen von embryonalen Stammzellen für Therapien dazu beitragen können, dass Sie Ihre meines Erachtens über-euphorischen Erwartungen an die embryonale Stammzellfor-schung den Realitäten anpassen.
Meine persönliche Erwartung ist auch, dass der Deutsche Bun-destag den gebotenen Respekt gegenüber der Gesetzgebung von 2002 aufbringt und seine Zukunftsfähigkeit anerkennt.
Wir haben uns als Abgeordnete der 14. Legislatur diese Aufga-be gestellt und ein Gesetz geschaffen, dessen ethischer und rechtlicher Bestand sich nicht einfach relativieren lässt.

Rede zum FDP-Antrag Stammzellgesetz von Monika Knoche, stellvertretende Fraktionsvorsitzende DIE LINKE im Deutschen Bundestag
Rede
von
Monika Knoche,