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Rede zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gräbergesetzes

Rede von Heidrun Dittrich,

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren,


bisher schützt der Staat mit diesem Gesetz die Gräber aller Opfer aus Krieg und Gewaltherrschaft, unabhängig davon, ob sie als deutscher Soldat oder als Opfer des deutschen Faschismus gestorben sind.


Durch diese Gesetzesänderung wird dieser Schutz aus Kostengründen herunter geschraubt.


Stellen Sie sich Folgendes vor: Bei Bauarbeiten auf ihrem Grundstück finden Sie menschliche Überreste. Wenn Sie diese melden, kann es passieren, dass Sie einen Teil ihres Grund und Bodens verlieren, da sie dazu verpflichtet sind „das Grab bestehen zu lassen, den Zugang zu ihm sowie Maßnahmen und Einwirkungen zu seiner Erhaltung zu dulden“. (Paragraf 2 II GräbG)


Bisher erhalten sie dafür eine finanzielle Entschädigung. Wenn heute dieser Gesetzesentwurf beschlossen wird, gibt es bei neu gefunden Grabstellen keine Entschädigungszahlungen mehr. Das bedeutet, dass sich Grundstückseigentümer wohl zukünftig sehr genau überlegen werden, ob sie einen Fund melden oder nicht. Und da muss man sich dann fragen, wie das Ruherecht zukünftig wirkungsvoll gewährt werden soll?


Zum Zweiten kritisiere ich, dass zukünftig für schon bestehende Gräber den Ländern nur noch eine pauschalisierte Kostenerstattung für die Grabpflege gewährt wird.
Konnten die Kommunen bisher die realen Kosten ersetzt bekommen, so steht Ihnen zukünftig nur noch ein Betrag von ca. 20 Euro pro Jahr für ein Grab zur Verfügung. (Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen vom 19. Mai 2011 Az.: IV1/6491.03-1/4)

Somit versucht die Bundesregierung, 65 Jahre nach Kriegsende, die Finanzierung des Gräberschutzes und das Niveau der Gedenkkultur abzusenken.

Wir sind der Meinung, dass demokratische Politik in Deutschland immer vor dem Hintergrund der bis heute einzigartigen Verbrechensgeschichte des deutschen Faschismus und der daraus erwachsenen historischen Verantwortung gerecht werden muss. Dazu gehört auch der Erhalt und der Ausbau der Gedenkstätten und der Gedenkstättenarbeit.

Besonders wichtig ist aus meiner Sicht der Erhalt der Opfergräber der Sinti und Roma. Seit 2009 fordert der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma, die Gräber der verfolgten Sinti und Roma unter den Schutz des Gräbergesetzes zu stellen.

Bisher ist leider nichts geschehen. Bundeskanzlerin Merkel und die Ministerpräsidentin Hannelore Kraft nahmen sich auch nicht der Bitte des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma an, in dieser Frage zu vermitteln. Im Januar 2011 sprach Zoni Weisz im Deutschen Bundestag zum Völkermord an den Sinti und Roma. Er bedauerte, dass dieser in den Medien aber auch in der Politik immer wieder vergessen wird. Bis heute ist es immer noch nicht gelungen, die Gedenkorte von den Sinti und Roma für ihre verstorbenen Holocaust-Überlebenden zu erhalten. Viele Sinti und Roma haben nicht die finanziellen Mittel, diese wichtigen Gedenkorte für die Nachwelt zu erhalten.

Die Begründung, warum Grabstätten von Sinti und Roma nicht mithilfe des Gräbergesetzes erhalten werden sollen, ist immer dieselbe: Wenn man eine bundesgesetzliche Regelung für die Erhaltung der Gräber von Sinti und Roma treffen würde, so müsste man ja auch alle anderen Opfergruppen in einer solchen Regelung beachten. Das kostet Geld und das will die Bundesregierung nicht ausgeben! Da stellt sich die Frage, ob die Bundesregierung wirklich die Gedenkkultur an die Opfer des deutschen Faschismus aufrechterhalten möchte?

Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma wünscht sich den Erhalt von ca. 2000 Grabstätten als geschützte Gedenkorte. Diese sind für die Sinti und Roma von großer Bedeutung, weil es für die meisten vom deutschen Faschismus ermordeten Angehörigen keine weiteren Grabstellen gibt.

Der Schutz dieser Gräber wäre ein wichtiges Zeichen für die Demokratie. Ich möchte an dieser Stelle daran erinnern, dass heutzutage Sinti und Roma in Rumänien, Bulgarien, Ungarn und Tschechien wieder verfolgt werden. In diesen Ländern werden sie schikaniert und bedroht. Ihre Häuser werden angezündet, sie werden vertrieben und manchmal auch brutal ermordet. Und in dieser Situation werden Sinti und Roma gruppenweise vor allem nach Rumänien ausgewiesen. Besonders Frankreich treibt diese Handhabung gerade voran. Angesichts dieser zunehmend gegen Sinti und Roma gerichteten Angriffe in Europa muss es uns ein Anliegen sein, dass Grabstätten der Sinti und Roma geschützt werden! Aus meiner Sicht hat gerade Deutschland eine besondere Verpflichtung für soziale Gerechtigkeit und Frieden! Und man sollte darüber nachdenken, ob wirklich alle im Gesetz genannten Gruppen geschützt werden müssen. Denn wer Täter und Opfer gleichbehandelt, verharmlost die Verbrechen!