Anlässlich des Antrags von Bündnis 90/Die Grünen erklärt die Menschenrechtspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Annette Groth, zu Protokoll:
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Bedingungen für Entwicklungszusammenarbeit in Deutschland haben sich in dieser Legislaturperiode für die Akteure in den Nichtregierungsorganisationen deutlich verschlechtert: Beispiele sind die zivil-militärische-Zusammenarbeit, die einseitige Stärkung der Interessen der deutschen Wirtschaft mit Mitteln aus dem Entwicklungshaushalt und die Einschränkung der Veröffentlichungen von Nichtregierungsorganisationen durch die Designrichtlinie des BMZ, die nach dem Motto „Wer zahlt, muss auch erkennbar sein“ durchgesetzt wurde. Die Fraktion DIE LINKE setzt sich dafür ein, dass diese fatalen Entwicklungen zurückgenommen werden.
Durch die erzwungene zivil-militärische Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und Nichtregierungsorganisationen wurde die Arbeit der NGOs gefährdet und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der NGOs in Gefahr gebracht. In diesem Zusammenhang will ich ausdrücklich den aktuellen Versuch der Bundesregierung zurückweisen, die Entwicklungsorganisationen für den Regimechange in Syrien einzuspannen. Nichtregierungsorganisationen sollen durch diese fatale Politik der Militarisierung aller gesellschaftlichen Bereiche degradiert werden, indem ihnen ein Kombattantenstatus zugewiesen wird. Ihre Glaubwürdigkeit in der Bevölkerung, vor allem aber die Möglichkeit des ungehinderten Arbeitens durch die Akzeptanz auch der Gegenseite geht verloren, denn sie werden von der Regierung aufgefordert, ihre Neutralitätspflicht zu missachten. Damit wird ein wichtiger Pfeiler effektiven humanitären Arbeitens infrage gestellt. Die Politik der Bundesregierung, die in allen Bereichen eine Militarisierung der Politik forciert, hat völlig versagt. Wir erwarten von der nächsten Bundesregierung, dass diese zivil-militärische Zusammenarbeit sofort beendet wird.
Mit ihrem neoliberalen Grundverständnis hat die Leitung des Hauses begonnen, eine über viele Jahrzehnte gewachsene Struktur des BMZ, vor allem aber auch der staatlichen Entwicklungsorganisationen, zu zerschlagen und umzubauen. Ziel ist eine marktwirtschaftlich ausgerichtete Entwicklungspolitik, in der die GIZ als Anbieter neben Privatanbietern auf dem „Markt der Entwicklungspolitik“ positioniert werden soll. Um dies zu beschleunigen, wurden in die Leitungsfunktionen des BMZ und der GIZ FDP-treue Anhängerinnen und Anhänger installiert. „Spezlwirtschaft à la München“ wurde leider auch hier in Berlin forciert.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
als besonders empörend empfinde ich die faktische Zensur der Medien der geförderten Partner des BMZ. Mit der Auflage, die Veröffentlichungen dem BMZ zur Durchsicht vorzulegen, wird eine faktische Selbstzensur der NGOs befördert. Mit einer aufgeklärten, demokratischen Zusammenarbeit mit den NGOs im Entwicklungspolitischen Bereich hat dies wenig zu tun.
Ins gleiche Horn stößt die Designrichtlinie des BMZ, in der unter dem Motto „Wer zahlt, muss auch erkennbar sein“ eine Werbestrategie für das BMZ entwickelt wurde. Damit werden Medien der Nichtregierungsorganisationen als Werbefläche für Regierungspolitik missbraucht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
in dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stehen im innenpolitischen Teil viele Forderungen, die wir unterstützen können. Der außenpolitische Teil ist jedoch zum Teil ausgesprochen problematisch. Wenn sich die Grünen dafür einsetzen, „die finanziellen Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Beteiligung der Zivilgesellschaft“ zu schaffen, liest sich dies wie eine deutsche Nebenaußenpolitik durch zivilgesellschaftliche Akteure. Die Förderung von „genehmen“ Nichtregierungsorganisationen in den Ländern des globalen Südens als Möglichkeit der Einflussnahme deutscher Außen- und Entwicklungspolitik ist zumindest fragwürdig und fördert nicht die Entwicklung einer eigenständigen demokratischen Kultur in diesen Ländern.
Die Fraktion DIE LINKE setzt sich vielmehr dafür ein, mit einer neuen Außenhandelspolitik den Ländern des globalen Südens Entwicklungschancen zu ermöglichen, die ihnen die notwendigen Perspektiven für eine eigenständige Entwicklung geben. Auf „unabhängige“ Nichtregierungsorganisationen zu setzen, die vom Haushalt des Auswärtigen Amtes oder des Entwicklungshilfeministeriums finanziert werden, muss zumindest kritisch hinterfragt werden.
Gerade bei meinen Besuchen in Ländern des Südens ist mir aufgefallen, dass mir immer mehr politische Akteure begegnen, die in den Eliteuniversitäten der Industriestaaten ausgebildet wurden, über Stipendien der Staaten des Nordens gefördert wurden oder ihre Arbeit durch finanzielle Hilfen der nördlichen Industriestaaten organisieren. Dass hier auch Abhängigkeitsverhältnisse dieser Akteure gegenüber ihren Geldgebern entstehen, ist nicht von der Hand zu weisen.
Viele politische Karrieren werden in diesen Ländern mittlerweile in NGOs vorbereitet, die von der EU oder westlichen Regierungen finanziert werden. Das „N“ im Begriff „NGOs“ ist insofern hinterfragbar, als diese Organisationen vielleicht unabhängig von ihrer eigenen Regierung sind, dafür aber im höchsten Maße abhängig von ausländischen Regierungen. Andere politische Akteure in diesen Ländern beklagen die Macht der NGOs und das enorme Manipulationspotenzial von außen, das damit verbunden ist. Sie sprechen von NGOisierung oder der Herrschaft der NGOs. In schwach entwickelten Zivilgesellschaften des Südens kann man mit finanzieller Unterstützung einzelner Gruppen die Kräfteverhältnisse erheblich beeinflussen und selbst solche Kräfte stark machen, die eigentlich über wenig Rückhalt in der Bevölkerung verfügen. Wir erleben immer wieder, dass die EU und die Bundesregierung dieses Manipulationspotenzial gezielt einsetzen. Zuletzt hat der Umsetzungsbericht der Kommission zum Aktionsplan „zur Unterstützung der Demokratie“ ein beredtes Beispiel dafür abgegeben.
Hier ist ein sehr hohes Maß an Sensibilität gefragt. Die Grünen werden dem mit ihren sehr generellen Forderungen nicht gerecht. Ihr Antrag reiht sich in die generelle Politik von Bündnis 90/Die Grünen ein, die durch eine offensive Außenpolitik und durch militärische und zivile Einflussnahme in den Ländern des globalen Südens Politik in diesen Ländern aus Deutschland heraus gestalten wollen. Wir halten einen solchen Ansatz für falsch. Insgesamt stehen wir deshalb dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen kritisch gegenüber und werden deshalb nicht zustimmen.
Vielen Dank.