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Rede zu Missbräuchen im Bereich der Schönheitsoperationen

Rede von Frank Spieth,

Frank Spieth, der gesundheitspolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE. zu Missbräuchen im Bereich der Schönheitsoperationen.

Anrede,

„Missbräuche im Bereich der Schönheitsoperationen gezielt verhindern - Verbraucher umfassend schützen“, das ist der schöne Titel dieses Antrages. Natürlich will niemand Missbräuche in der Schönheitschirurgie oder in einem anderen Bereich des Medizinbetriebes. Natürlich sind auch wir, die Fraktion DIE LINKE. für einen umfassenden Patientenschutz. Wenn also in dem Antrag das drinstecken würde, was draufsteht, würden wir dem gerne zustimmen.

Einige Punkte gefallen mir recht gut. Jedoch sind gute Ideen noch keine konkrete Politik.

Beispiel: Oft laufen Schadensersatzansprüche der Patienten nach missglückten Schönheitsoperationen ins Leere, weil die Operateure keine Versicherung haben und zudem privat nicht ausreichend zahlungsfähig sind. Daher wird gefordert, dass Ärzte, die operieren, über eine entsprechende Haftpflichtversicherung verfügen müssen. Das ist zu begrüßen. Ungeklärt bleibt jedoch, wie diese Schadensersatzansprüche auch bei anderen ärztlichen Fehlern, von armen Patienten vor Gericht durchgesetzt werden sollen.

Es sollen Verbote für medizinisch nicht indizierte ästhetische Operationen Minderjähriger geprüft werden. Es ist aber meines Erachtens nicht ausreichend, wenn die Eltern einem solchen Wunsch ihrer minderjährigen Kinder zustimmen. Teenager sollen sich eben nicht mit elterlichem Segen zum Realschulabschluss einen neuen Busen oder eine neue Nase operieren lassen können. Die Beteiligten sind in der Regel nicht in der Lage, die Folgen einer solchen Operation abzuschätzen. Der Antrag fordert aber kein Verbot, sondern lediglich, dass die Bundesregierung das Handeln der Operateure „kritisch beobachten“ soll.

Ihr Antrag hält nicht, was er verspricht. Es bleibt bei wirkungslosen Appellen an die Medien, die Ärzte, die Bundesregierung und die Länder. Appelle reichen aber nicht.

Was ist von der Aufforderung zu halten, dass Bundesregierung und Länder die Medien zu einem „verantwortungsvollen Umgang mit dem Thema Schönheitsoperationen“ bringen sollen. Welcher Privatsender wird angesichts des großen Konkurrenzdruckes dem folgen? In einer Medienanalyse hat das Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Universität München innerhalb von vier Monaten 105 Sendungen über Schönheits-OPs ausfindig machen können - fast alle auf Privatsendern. Eine Studie der American Society of Plastic Surgeons (ASPS) ergab, dass 57 Prozent der Schönheitschirurgie-Patienten große Fans solcher Shows waren, und mindestens eine zum Zeitpunkt der Untersuchung laufende Serie verfolgten. Die Freiwillige Selbstkontrolle des Privatfernsehens in Deutschland wehrt sich derzeit gerichtlich gegen Beschränkungen, etwa das Verbot entsprechende Sendungen vor 23 Uhr zu zeigen, was die Kommission für Jugendmedienschutz will. Wirksame Maßnahmen sind gefragt und keine weichgespülten Appelle.

Nach dem vorliegenden Antrag sollen die Ärzteverbände eine Aufklärungsbroschüre zu Schönheits-OPs erstellen. Inhaltlich kann ich da zustimmen. Leider verlieren Sie kein Wort darüber, wie Ihr Wunsch an die Ärzte durchgesetzt werden soll.

Auch an die Länder gibt es - das liegt in der Natur der Sache - nur Appelle; schließlich kann der Bundestag schon verfassungsrechtlich den Ländern nicht vorschreiben, was sie tun und lassen sollen. Die Länder sollen nach dem Willen der Koalition das Geschehen auf dem Markt der Schönheitschirurgie beobachten. Ein solcher Aufruf mag inhaltlich in Ordnung sein, aus bekannten rechtlichen Gründen bleibt der Koalitionsantrag auch in diesem Punkt wirkungslos.

Der Antrag kritisiert zwar in seiner lang gehaltenen Einleitung die Tatsache, dass auch Ärzte ohne die entsprechende mehrjährige Fortbildung in plastischer Chirurgie Schönheits-Operationen durchführen dürfen. In Deutschland darf jeder approbierte Arzt operieren, also auch Schönheitsoperationen durchführen - ob Kardiologe, Anästhesist, Hausarzt oder Gynäkologe. Wer dann aber im Antrag der Koalition eine Forderung oder einen Lösungsvorschlag sucht, mit dem sich der Zustand ändern würde, der reibt sich enttäuscht die Augen.

Werte Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU und SPD, Sie nutzen diese Debatte zur Schönheitschirurgie zu einem ganz anderen Anlass. Sie wollen an diesem Thema Ihre unsolidarische Regelung zum Selbstverschulden, die Sie mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) eingeführt hatten und die Sie von der Öffentlichkeit unbemerkt mit Ihrem Gesetz zur Pflegeversicherung scharfstellen, in ein gutes Licht rücken.

Sie haben im GKV-WSG geregelt, dass Versicherte an den Kosten für Behandlungen, die sie durch medizinisch nicht indizierte Maßnahmen selbst verursacht haben, beteiligt werden. Dafür ist jedoch erforderlich, dass der Arzt der Krankenkasse mitteilt, dass ein sogenanntes Selbstverschulden vorliegt. Dies ist bei Tatoos, Piercings und Schönheitsoperationen der Fall. Diese konkrete Verpflichtung des Arztes zum Brechen seiner Schweigepflicht, gibt es bisher nicht, soll jetzt aber zusammen mit dem Pflegegesetz verabschiedet werden. Der Arzt soll nach dem Willen der Koalition zum Gesundheitsspitzel werden.

Konkret: Wenn sich wegen eines Piercings eine Entzündung herausbildet, muss der Versicherte die Behandlungskosten selbst tragen. In diesem Fall handelt es sich meist um eine Bagatellerkrankung, für die oft keine ärztliche Behandlung notwendig ist. Wenn aber bei Schönheitsoperationen, wie etwa nach dem Fettabsaugen Schmerzen, Infektionen, Blutungen oder gar eine Lungenembolie auftreten, dann können auch lebenswichtige, „selbstverschuldete“ Therapien den Patienten schnell finanziell überfordern.

Die Bundesregierung bauscht mit dieser Regelung ein vollkommen nebensächliches Problem des Gesundheitswesens auf. Warum? Weil damit ein neues Prinzip in die Gesetzliche Krankenversicherung eingeführt werden soll, das Selbstverschulden. Es wird ein neues Stellrad in der Gesundheitspolitik geschaffen, an dem man zukünftig nur noch drehen muss, um weitere Leistungskomplexe aus der Erstattungsfähigkeit auszuschließen. Im derzeit vorliegenden Regierungsentwurf müsste man vor die Auflistung „ästhetische Operation, eine Tätowierung oder ein Piercing“ nur die beiden Wörter „zum Beispiel“ einfügen, um den Geltungsbereich drastisch zu erweitern und damit die Spitzeltätigkeit des Arztes zu intensivieren. Nach dem Referentenentwurf des Gesundheitsministeriums war dies vor wenigen Wochen sogar noch so vorgesehen.

Mit der gleichen Logik, wie bei Piercings oder Schönheitsoperationen kann man zukünftig auch die Kosten von Sportverletzungen oder Unsportlichkeit, von Krebsbehandlungen bei Rauchern und anderes privatisieren. Diese Liste lässt sich mit selbstverschuldeten Autounfällen über Fettleibigkeit bis hin zu Besuchen in Solarien beliebig verlängern. Zum Schluss bleibt nur noch ein stark gerupfter Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung übrig. Auf den übrigen Behandlungskosten bleiben die Versicherten dann alleine sitzen und die Arbeitgeber werden nicht mehr über die Gesetzliche Krankenversicherung an der Finanzierung beteiligt.

Die Fraktion DIE LINKE. wird daher diesen Antrag ablehnen.