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Rede von Ulla Jelpke zu Protokoll gegeben am 23.03.2017

Rede von Ulla Jelpke,

Die Bundesregierung will das Europol-Gesetz umschreiben, um es an die veränderte europäische Rechtslage anzupassen. Anlass ist die im vorigen Jahr erfolgte Ersetzung des früheren Europol-Ratsbeschlusses durch die Europol-Verordnung, die jetzt ihren Niederschlag in einem deutschen Gesetz finden soll.

Die Linke wird diesem Gesetz die Zustimmung verweigern, genau wie es unsere Schwesterfraktion im Europarlament gemacht hat. Denn die Europol-Verordnung ist ein Schritt auf dem Weg zu einer Art Super-Polizeibehörde, die immer mehr Kompetenzen erhält, ohne dass die Kontrollbefugnisse von Parlamenten und Datenschützern damit Schritt halten. Die Bürgerrechte, insbesondere das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, bleiben dabei auf der Strecke.

Sicherlich ist die Koordination europäischer Polizeibehörden wichtig, damit sich Kriminelle nicht einfach dem Zugriff entziehen können, indem sie sich in ein anderes Mitgliedsland absetzen. Es muss aber klare Zuständigkeiten und Kontrollbefugnisse geben, und daran mangelt es leider.

Europol hat in den letzten Jahren erheblich aufgerüstet. Die Behörde verfügt jetzt beispielsweise über eine sogenannte Meldestelle für Internetinhalte, die gewaltverherrlichende Seiten aufspüren und ihre Löschung veranlassen soll. Die Kriterien dafür bleiben, wie so vieles bei Europol, im Unklaren. So geht diese Meldestelle mittlerweile auch gegen Facebook-Gruppen professioneller Schleusernetzwerke vor, was letztlich dazu führen wird, dass die Fluchtwege noch gefährlicher werden. Sie darf zudem von privaten Konzernen wie Google, Facebook, Twitter usw. die Nutzerdaten anfordern und so einen gigantischen Datenberg anhäufen.

Unklar bleibt auch, was genau das von Europol Anfang 2016 eingerichtete Europäische Zentrum für Terrorismusbekämpfung macht. Europol-Direktor Rob Wainwright bezeichnete das Zentrum im Januar 2017 als „Meilenstein im Kampf gegen den Terrorismus“; der Informationsaustausch zwischen den europäischen Polizeibehörden habe erheblich zugenommen. – Das glaube ich gerne, aber ich kann darin nicht nur einen Vorteil sehen, sondern ich sehe auch eine Bedrohung für die Bürgerrechte, wenn es keine effektive Kontrolle darüber gibt, welche Art von Daten hier auf welcher Grundlage ausgetauscht werden.

Deswegen ist es äußerst bedenklich, wenn die Europol-Verordnung festschreibt, dass die nationalen Polizeibehörden Europol „alle nötigen Informationen“ für die Terrorbekämpfung zukommen lassen sollen. Dem Gesetz zufolge sollen die Polizeibehörden der Bundesländer selbst Europol zuarbeiten und auch von dort Daten abrufen können. Da muss doch wenigstens geklärt sein: Wer definiert, was Terrorbekämpfung ist, wer definiert, was die nötigen Informationen sind, und – nicht zuletzt – wer prüft nach, was mit diesen Informationen passiert und an wen sie schlussendlich weitergegeben werden? Das alles ist völlig unklar. Europol wird zur Blackbox, die für niemanden kontrollierbar ist.

Das gilt noch mehr für den angestrebten Datenaustausch mit Geheimdiensten. In mehreren Mitgliedstaaten gibt es schon eine institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen Polizei- und Geheimdienstbehörden, in Deutschland etwa im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum und dem Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum. Voriges Jahr schlug die Europäische Kommission nun vor, ebenfalls ein „Drehkreuz für den Informationsaustausch“ zwischen europäischen Polizei- und Geheimdienstbehörden einzurichten, wobei Europol wiederum eine zentrale Rolle erhalten soll.

Die Linke lehnt diese gemeinsamen Zentren in Deutschland ab, weil sie das Trennungsgebot zwischen Polizei und Geheimdiensten unterlaufen. Sie ermöglichen es Polizeibehörden, an Informationen zu gelangen, an die sie nach eigenem Recht gar nicht gelangen könnten, und umgekehrt. Dieses Prinzip darf nicht auch noch auf die ganze EU ausgedehnt werden. Denn natürlich operieren diese Zentren quasi in einem rechtsfreien Raum und sind weder durch nationale Parlamente zu kontrollieren noch durch das Europaparlament. Auf diese Weise könnten etwa deutsche Polizei- und Geheimdienstbehörden die Beschränkungen des Informationsaustauschs, die ihnen deutsches Recht auferlegt, klammheimlich und unbemerkt hintergehen.

Die Entwicklung von Europol geht damit in die falsche Richtung. Internationaler polizeilicher Datenaustausch muss konkret dem Kampf gegen Kriminalität dienen und darf nicht zum Selbstzweck werden. Er muss zudem einer parlamentarischen und soweit wie möglich auch öffentlichen Kontrolle unterliegen. Dieser enge Rahmen wird hier eindeutig verlassen. Die Zweckbindung erhobener Daten, der Respekt vor der informationellen Selbstbestimmung, das Prinzip der Trennung polizeilicher und geheimdienstlicher Arbeit, all das wird für hinfällig erklärt. Europol wird Schritt für Schritt zum unkontrollierbaren Datenkraken aufgebaut. Das gibt den Einwohnerinnen und Einwohnern der Europäischen Union nicht mehr Sicherheit, sondern es nimmt ihnen Freiheitsrechte.