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Foto: Rico Prauss

Rede von Susanna Karawanskij zu Protokoll gegeben am 30.03.2017

Rede von Susanna Karawanskij,

Ich möchte mich hier in der Schlussdebatte auf drei Bereiche konzentrieren, in denen wir jeweils per Antrag ganz konkrete Forderungen gestellt haben, auf die Sie von der Großen Koalition leider nicht im Geringsten eingegangen sind.

Beim ersten Punkt, dem Hochfrequenzhandel, hatten Sie in der Vergangenheit schon ganz andere Töne angestimmt. Die SPD hat in der letzten Wahlperiode eine Mindestverweildauer für Orders gefordert, um den Hochfrequenzhandel einzudämmen. So hat der Kollege Binding in einer Pressemeldung verkündet: „Außerdem müssen Mindesthaltefristen verbindlich vorgegeben werden, um eine tatsächliche Ausführung der Handelsorder zu gewährleisten und der Schaffung von Scheinliquidität entgegenzuwirken.“ Der Kollege Zöllmer pflichtete ihm 2013 hier im Plenum bei: „Es gäbe einen wirklichen Hebel, um die Märkte zu entschleunigen, um Luft herauszulassen aus dem, was heißgelaufen ist: die Einführung einer Mindesthaltefrist.“ Auch die Bundesbank sieht in dieser Richtung Handlungsbedarf. Dann lassen Sie uns dies doch endlich beschließen! Wir stellen heute einen Änderungsantrag zur Einführung einer Mindestverweildauer zur Abstimmung in der Hoffnung, dass sich gerade unsere Kolleginnen und Kollegen von der SPD an ihre eigenen Forderungen erinnern; denn damit und obendrein mit einer Finanztransaktionsteuer würden wir es schaffen, ein bisschen Luft aus dem hochgepuschten, teils nur noch absurden Finanzmarktkapitalismus zu lassen.

Der zweite Bereich umfasst die Anlageberatung. Die Koalition scheint leider nicht zur Kenntnis zu nehmen, dass die Qualität der Anlageberatung in Deutschland ziemlich schlecht ist. Dies haben etliche Untersuchungen unter anderem von Stiftung Warentest belegt. Die Folgen für die Bürger sind verheerend. Wegen Fehlberatung beim Abschluss von Geldanlagen und Versicherungen erleiden diese je nach Schätzungen zwischen 30 und 98 Milliarden Euro Verlust, und das pro Jahr. Geld geht verloren, das die Menschen dringend für ihre Altersvorsorge benötigen. Zentrales Problem ist die Beratung, die auf Provisionen und anderen Verkaufsanreizen beruht. Allzu oft wird leider das Produkt empfohlen, das dem Berater/Verkäufer die höchste Provision bringt, aber nicht den Kundenbedürfnissen entspricht. Auch dazu gibt es zahlreiche Studien. Die Linke fordert daher mittelfristig die Überwindung der Provisionsberatung.

In einem ersten Schritt müsste aber die unabhängige Beratung, also zum Beispiel die Honorarberatung, zumindest mit der abhängigen Beratung, der Provisionsberatung, auf Augenhöhe stehen. Doch der Gesetzentwurf benachteiligt weiter die unabhängige Beratung. Wir wollen den Bestandsschutz der Provisionsberatung beseitigen und zunächst einen fairen Wettbewerb zwischen den Vertriebsformen einleiten. Dafür müssen unter anderem nicht nur die Provisionen, sondern insbesondere die Margen im Rahmen der Festpreisgeschäfte offengelegt werden. Ansonsten kann die Branche immer wieder die Provisionsoffenlegung umgehen und weiter kassieren. Auch muss den Kunden bereits vor der Beratung klar sein, um welche Form der Beratung es sich handelt und wo die jeweiligen Vor- und Nachteile liegen. Es ist zudem ungerecht, dass die unabhängigen Berater das Wort „Honorar“ in ihrer Berufsbezeichnung tragen müssen, während Provisionsberater freier ihren Titel wählen dürfen. Dies muss dringend geändert werden, wenn Sie es mit verbrauchergerechter Anlageberatung ernst meinen.

Neben einer nicht manipulierbaren Dokumentation des Beratungsvorgangs sowie einer einheitlichen Beaufsichtigung der Finanzanlagenvermittler durch die Finanzaufsicht BaFin statt durch Gewerbeämter fordern wir speziell für einkommensschwache Menschen eine unabhängige Finanzberatung insbesondere durch Verbraucherzentralen sowie eine Stärkung der Schuldnerberatungsstellen.

Wenn Sie tatsächlich etwas für besseren finanziellen Verbraucherschutz tun wollen, sollten Sie die Forderungen aus unserem lesenswerten Entschließungsantrag ebenso umsetzen wie die zentrale Forderung aus unserem tollen Antrag „Finanzaufsicht nach Anlagepleiten zum Schutz von Verbraucherinteressen stärken“. Dies alles sind kleine, aber sehr effektive Hebel, um die Rechte von Verbrauchern zu stärken.

Wir kommen folglich zum dritten Bereich: Uns geht es nicht nur darum, dass Kunden ein Produkt empfohlen bekommen, das zu ihren Bedürfnissen und ihrer Risikoneigung passt. Uns geht es ebenfalls darum, dass die Käufer einer solchen Geldanlage auch dann besser geschützt werden, wenn durch Marktmissbrauch oder betrügerisches Handeln der Anbieter einer Geldanlage „pleitegeht“ und sich der Anbieter nun zum Beispiel aus dem Staub machen oder in die Insolvenz gehen will, ohne seine Kunden zu entschädigen. An dieser Stelle muss die Finanzaufsicht BaFin stellvertretend für die Gesamtheit der geschädigten Verbraucher dafür sorgen, dass gesichert ist, dass die Anleger ihre Rechte auch durchsetzen können. Anbietern darf es nicht ermöglicht werden, eine Pleite zu vertuschen oder schlicht auszusitzen, weil für viele Verbraucher eine Klage zu teuer ist oder deren Ansprüche schon längst verjährt sind. Die Finanzaufsicht soll nur die Türen offen halten und damit sichern, dass die Gruppe der geschädigten Anleger überhaupt rechtzeitig die Chance bekommt, ihre Rechte durchzusetzen. Bisher ist mir noch kein stichhaltiges Argument gegen diese kleine Forderung untergekommen; denn es gibt ja noch keine umfassenden Möglichkeiten zur Muster- bzw. Gruppenklage.

Apropos „Klage“: Wie Sie sich hinter der schnöden Umsetzung einer EU-Richtlinie verstecken, ist schon kläglich. Da ist viel mehr Luft nach oben. Wenn Sie von der Regierungskoalition nicht mehr Bestandsschützer der Provisionsberatung wären, Verbraucher nach Anlagepleiten besser schützen und endlich Luft aus den Finanzmärkten nehmen würden, gäbe es deutlich weniger Gründe für Klagen.