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Foto: Rico Prauss

Rede von Susanna Karawanskij am 16.02.2017

Rede von Susanna Karawanskij,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir im Kleinen unsere Steuererklärung nicht machen oder Steuern hinterziehen, spricht man gemeinhin von „Trickserei“ oder „Beschiss“. Bei den Großen heißt es dann elegant „Steuerumgehung“.

Das Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz, das wir heute beraten, ist absolut notwendig. Sogenannte Briefkastenfirmen und Briefkastengesellschaften klingen vom Namen her erst mal romantisch, aber sie haben vor allen Dingen eine Funktion: Zahlungsströme und wirtschaftliche Aktivitäten zu verschleiern und damit vor allen Dingen die Steuer zu umgehen.

Das wurde der Allgemeinheit erst im Frühjahr 2016 so richtig bewusst, als die sogenannten Panama Papers veröffentlicht wurden – ich will einfach mal die Dimension aufzeigen: es sind 11,5 Millionen Dokumente, 2,6 Terabyte Daten –, aus denen hervorgeht, dass Zahlungsströme und entsprechende wirtschaftliche Aktivitäten fast ungehindert verschleiert werden konnten. Dass sich da schnellstens etwas ändern muss, sollte eigentlich klar sein. Insofern finde ich es bedauerlich, dass die Bundesregierung fast ein Jahr verstreichen ließ, bis sie hier aktiv wurde und jetzt erstmalig einen Gesetzentwurf in den Bundestag einbringt, und das nur – das muss man an dieser Stelle auch betonen –, weil der öffentliche Druck enorm zunahm und so groß wurde.

Wenn man nun vorhat, zukünftig dunkle Geschäfte ans Licht zu bringen, dann gibt es eigentlich ein einziges Zauberwort – es heißt „Transparenz“. Ich verstehe nicht, warum in Ihrem Gesetzentwurf nichts über die Einführung eines öffentlichen Transparenzregisters zu wirtschaftlich Berechtigten von Unternehmen bzw. Trusts zu lesen ist. Denn wir haben ja gelernt: Durch illegale Finanzflüsse gehen gerade den Entwicklungsländern jährlich hohe dreistellige Milliardenbeträge in Euro verloren. Hier könnte Deutschland mit gutem Beispiel vorangehen und solch ein Transparenzregister einführen.

(Beifall bei der LINKEN)

Denn das Problem ist ja vor allen Dingen, dass die Strippenzieher und Profiteure dieser Schattengeschäfte weiterhin im Geheimen bleiben und sich der strafrechtlichen Verfolgung entziehen können. Genau das wollen wir nicht. Hier ist es unserer Meinung nach notwendig, dass man ein öffentliches Transparenzregister einführt.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Was ich mich ebenfalls frage, ist, warum in Ihrem Gesetzentwurf keine generelle gesetzliche Anzeigepflicht für sämtliche Steuergestaltungen zu finden ist. Wenn Ihnen Prävention tatsächlich so wichtig ist, warum nutzen Sie dann nicht hier die Gelegenheit, eine solche Anzeigepflicht ins Gesetz aufzunehmen?

Wir bewerten positiv – das möchte ich an dieser Stelle natürlich nicht unterschlagen –, dass die Aufhebung des steuerlichen Bankgeheimnisses und die Verlängerung der Zahlungsverjährungsfrist vorgesehen sind. Es ist positiv zu bewerten, dass hier der erste Stein gelegt wird. Auch die Anhebung des Bußgeldrahmens für Steuerpflichtige ist grundsätzlich richtig. Aber mal ganz ehrlich, meine Damen und Herren: 25 000 Euro bzw. 50 000 Euro bei Finanzinstituten, meinen Sie wirklich, dass diese Summen Milliardäre oder hyperreiche Finanzfirmen, die Milliardenbeträge verschleiern bzw. verschwinden lassen wollen, erzittern lassen? Das Ding ist doch: Die bescheißen uns, die gesamte Gemeinschaft, um ihren Anteil an der Finanzierung öffentlichen Gutes, von dem auch sie profitieren. Das ist doch der Skandal an der Geschichte: Sie kommen davon, und der kleine Mann muss ganz normal seine Steuern zahlen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich muss ganz ehrlich sagen: Die Beteiligung an der Gemeinschaft drückt sich darin aus, Steuern zu zahlen. Wenn Sie verhindern wollen, dass hier betrogen bzw. beschissen wird – wir als Linke sagen das ganz klar –,

(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das ist kein parlamentarischer Ausdruck!)

wenn Sie präventive Maßnahmen ergreifen wollen, dann müssen Sie Bußgelder in einer ganz anderen Größenordnung ansetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Besonders ärgert mich, dass ein Großteil der Informationspflichten, die Sie gerade dargestellt haben, Herr Meister, nur in Bezug auf Staaten gilt, die nicht Mitglied der EU bzw. der EFTA, der Europäischen Freihandelszone, sind, also sogenannte Drittstaaten. Die Schweiz und Liechtenstein bleiben für die deutschen Finanzverwaltungen weiterhin im Dunkeln. Diese Staaten fehlen aber in keiner Aufzählung der Schattenfinanzplätze. Wir als Linke lehnen es ab, dass damit europäische Steueroasen aus dem Schneider sind und ihnen auf diese Art und Weise quasi noch ein Wettbewerbsvorteil gewährt wird.

Der Bundesfinanzminister will sich mit diesem Gesetzentwurf hier als großer Aufklärer und Kämpfer gegen Steuerumgehung gerieren. Der Ehrlichkeit halber muss man an dieser Stelle aber sagen: Gerade unter seiner Ägide sind mit sogenannten Cum/Cum-Geschäften richtig viele Milliarden Euro – 5 bis 6 Milliarden Euro pro Jahr – verloren gegangen.

(Norbert Schindler [CDU/CSU]: Das ist Blödsinn!)

Jetzt wollen Sie mit dem Investmentsteuerreformgesetz dem Ganzen Einhalt gebieten. Das wird sich aber erst noch bewähren müssen.

Ich möchte sagen: Bevor auf andere Länder gezeigt wird, sollten wir vor unserer eigenen Haustür kehren. Die Wirtschaftswoche tituliert Deutschland als dreisteste Steueroase.

(Zuruf des Abg. Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU])

Von der international eingeforderten Steuertransparenz sind wir an einigen Stellen selber meilenweit entfernt. Wir müssen noch den ganzen Weg gehen und nicht nur zwei Schritte, ehe wirklich Steuergerechtigkeit hergestellt ist und die Steueroasen ausgetrocknet sind.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)