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Rede von Sigrid Hupach am 02.12.2016

Rede von Sigrid Hupach,

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in der Debatte nun schon einiges darüber gehört, wie die Lebenssituation von Alleinerziehenden aussieht und wie schwierig diese ist. Mit unserem Antrag „Alleinerziehende entlasten – Umgangsmehrbedarf anerkennen“ sprechen wir eine ganz konkrete Baustelle an und machen einen Lösungsvorschlag, der eine erhebliche Verbesserung für die Betroffenen bringt.

In Deutschland leben inzwischen 2,2 Millionen Kinder in den 1,7 Millionen Familien mit einem Elternteil. Alleinerziehend zu sein, gehört noch immer zu einem der größten Armutsrisiken in Deutschland. 39 Prozent der Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern beziehen Leistungen nach dem SBG II. Diese Menschen haben es – und das wissen wir alle – schon schwer genug, den Lebensalltag zu bewältigen. Und gerade jene, die versuchen, dem Kind auch einen Umgang mit dem anderen Elternteil zu ermöglichen, werden in vielen Fällen von den Jobcentern bestraft.

Zu Recht haben umgangsberechtigte Elternteile, die im SGB-Il-Bezug stehen, einen Mehrbedarf für ihr Kind geltend gemacht. Dies darf aber doch nicht dazu führen, dass genau dieser Anteil bei dem anderen Elternteil abgezogen wird, bei dem sich das Kind hauptsächlich aufhält. Wie lebensfremd ist das denn?

(Beifall bei der LINKEN)

Jeder weiß doch, dass Fixkosten so heißen, weil sie eben fix, fest, konstant, also unveränderlich, sind. Die Miete fürs Kinderzimmer muss man schließlich auch bezahlen,

(Jutta Eckenbach [CDU/CSU]: Wird auch bezahlt!)

wenn sich das Kind jedes zweite Wochenende beim anderen Elternteil aufhält.

(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Das ist doch im Regelbedarfssatz 1! Was ist denn das? Das ist doch Quatsch! – Jutta Eckenbach [CDU/CSU]: Wollte ich doch gerade sagen! Ist doch drin!)

– Es geht darum, dass ihnen nichts abgezogen wird.

(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Das ist doch was anderes! Das ist doch ein anderes Portemonnaie!)

Jobcenter ziehen den Anteil ab, wenn der andere Elternteil einen Mehrbedarf geltend macht. Das wird praktiziert.

(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Die kriegen doch sowieso schon mehr!)

Der Mitgliedsbeitrag für den Sportverein, die Musikschule und Ähnliches – all das bleibt konstant und reduziert sich leider nicht entsprechend, nur weil das Kind am Wochenende mal gerade beim anderen Elternteil ist.

Zum Glück wurde im Frühjahr dank einer Petition von Anna-Maria Petri-Satter und des großen öffentlichen Protestes auf die geplante Gesetzesänderung verzichtet, die den Regelsatz strikt nach den einzelnen Aufenthaltstagen aufteilen sollte. Das war richtig.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Aber die damalige Debatte hat dazu geführt, dass manche Jobcenter jetzt erst recht die unklare Gesetzeslage ausnutzen und dass sich die Situation für alleinerziehende Hartz-IV-Empfängerinnen oder -Empfänger sogar noch verschärft hat. Leider geht dieses Feilschen immer zulasten der Kinder.

Wir sollten doch eigentlich alles unterstützen, was Kindern ermöglicht, in regelmäßigem Kontakt mit beiden Elternteilen aufzuwachsen, auch wenn die Eltern getrennt leben.

(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Das Versagen der Eltern ist für Sie eine Entschuldigung, dass wir mehr Geld ausgeben! Unglaublich!)

Deswegen brauchen wir hier eine klare gesetzliche Regelung, damit kein Elternteil finanzielle Einbußen befürchten muss, wenn sich das Kind einige Tage woanders aufhält.

Wir schlagen mit unserem Antrag eine klare Lösung vor: voller Regelsatz für den Elternteil, in dessen Haushalt das Kind überwiegend lebt, und halber Regelsatz für den Elternteil, der umgangsberechtigt ist. Zugleich muss dies auch bei den Kosten der Unterkunft und der Heizung entsprechend berücksichtigt werden.

(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Das werden sie doch!)

Dies bringt nicht nur Rechtssicherheit für die Alleinerziehenden wie für die umgangsberechtigten Elternteile, sondern entlastet auch entscheidend die Bürokratie und vor allem: Es hilft den Kindern.

Die Zahl der Alleinerziehenden wird weiter wachsen, einfach weil die Lebensformen anders sind als früher, und sie werden sich auch weiterhin ändern.

(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Und der Staat bezahlt dafür!)

Dem müssen wir auch in Zukunft gerecht werden und zum Beispiel auch die Tatsache berücksichtigen, dass sich Menschen bewusst entscheiden, allein zu erziehen. Alle diese Lebensformen müssen wir endlich auch in der Politik akzeptieren und deren Realität in den gesetzlichen Rahmenbedingungen berücksichtigen.

(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Und die Kohle dafür soll der Staat bereitstellen! So sieht es aus!)

Ich höre auf, Frau Präsidentin. – Eigentlich brauchen wir dafür einen Systemwechsel, nämlich weg von Hartz IV.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ja, nächste Rede! – Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Nächste Wahlperiode!)

Wir machen Ihnen hier den Vorschlag, wenigstens eine Baustelle zu erledigen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)