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Rede von Sabine Leidig am 16.12.2016

Rede von Sabine Leidig,

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Es ist schon erstaunlich – eigentlich kann ich es mir nur durch den Genuss von viel Glühwein auf Weihnachtsmärkten erklären –,

(Zuruf von der CDU/CSU: Eine bodenlose Frechheit!)

dass Staatssekretär Ferlemann sagt, alles sei in Butter, die Bahn sei auf einem tollen Weg. Wenn man sich die Nachrichten anschaut, die in den letzten Wochen in den Zeitungen zu lesen waren, dann weiß man, dass Bahnchef Grube plant, den operativen Konzerngewinn, EBIT, um 770 Millionen Euro pro Jahr zu erhöhen, und zwar – hören Sie gut zu! – mit einem Schrumpf- und Abbauprogramm à la Mehdorn unter dem irreführenden Titel „Operative Exzellenz“.

In Zukunft soll im Kerngeschäft der Bahn massiv eingespart werden. Bei der Wartung von Infrastruktur und Zugflotten sollen allein die Personalkosten in der Instandhaltung um 15 Prozent sinken. Ein erheblicher Stellenabbau wird befürchtet. Die Schließungen von Zugreparaturwerken sind schon längst in den Strategiepapieren von Grube vorgesehen. Zum Glück wehren sich die Beschäftigten und auch die Länder dagegen. Ich finde diesen Widerstand total wichtig und notwendig.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Spitze des DB Konzerns plant einen Kahlschlag beim Güterverkehr. Bei DB Cargo sollen über 2 000 Arbeitsplätze wegfallen, und 173 Verladestationen sollen geschlossen werden. Ich bitte Sie, natürlich gibt es viele Eisenbahnen, die nicht DB AG sind, aber die Eisenbahnen fordern unisono – ob es das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen ist oder der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen –, dass die Güterverkehrsstruktur erhalten bleibt und ausgeweitet wird. Wir haben gerade im Verkehrsausschuss darüber gesprochen. Sie sagen: Selbstverständlich ist es eine gute Alternative zum Lkw-Verkehr, wenn es auch kleinräumig wieder Güteranschlussstellen gibt. Das muss passieren.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Auch da gibt es zum Glück massiven Widerstand der Beschäftigten, die sich wehren und unsere volle Solidarität haben. Sie haben 50 000‑mal mehr Verstand im Hirn als ihre Konzernspitze.

(Beifall bei der LINKEN)

Dann gab es noch Neuigkeiten aus dem Bahnleben. Die DB AG hat dieser Tage ein ganz wichtiges Angebot im Schienenfernverkehr komplett eingestellt. Der letzte Nachtzug hat letzte Woche Berlin verlassen. Auch hier gibt es eine breite öffentliche Initiative, die um die Rettung der Nachtzüge kämpft. Ich will einmal ein Zitat bringen, das in einem Blog zu lesen ist:

(Gustav Herzog [SPD]: Anstatt zu bloggen, sollten Sie besser da hinfahren!)

"Der Lokführer lässt den Zug mit dem Signalhorn „weinen“ – was auch bei mir für Gänsehaut sorgt. … eine Tradition geht … zu Ende. Es bleibt die Hoffnung, dass sich Europa eines Besseren besinnt und den Schatz seines engmaschigen, grenzüberschreitenden Bahnnetzes"

– und Nachtzugnetzes –

"wieder zu nutzen weiß."

(Kirsten Lühmann [SPD]: Und darum gibt es auch zukünftig Nachtverbindungen! Aber das wissen Sie auch ganz genau! Tun Sie doch nicht so!)

Das wäre zukunftsfähig. LunaLiner ist ein Konzept, das von Bürgerinitiativen und den Beschäftigten entwickelt worden ist. Dass die österreichische Bundesbahn jetzt Nachtzüge fährt, ist okay. Aber das ist doch kein Glanzlicht für die Bahnpolitik in Deutschland. Es ist ein Armutszeugnis, dass Sie da nicht zukunftsfähig sind.

(Beifall bei der LINKEN – Michael Donth [CDU/CSU]: Aber wenn das Konzept so toll ist, warum macht es dann keiner? – Kirsten Lühmann [SPD]: Genauso gibt es auch Nacht-ICEs!)

– Nacht-ICEs? Setzen Sie sich mal zwölf Stunden in einen ICE; fahren Sie morgens um zwei von Ihrer Heimat zu irgendeinem ICE-Haltepunkt und warten da drei Stunden im ungeheizten Warteraum. Das ist doch absurd!

(Beifall bei der LINKEN – Widerspruch bei der SPD)

Dummerweise gibt es nicht nur einen Rückzug bei der DB AG, sondern es gibt auch merkwürdige Offensiven. Beispielsweise klagt die Bahn gegen das Land Baden-Württemberg – was ich total kurios finde –, weil dieses sich an den absurd gesteigerten Kosten für Stuttgart 21 zu Recht nicht beteiligen will, denn dieses absurde Projekt haben die Bundespolitik und die Bahn zu verantworten. Sie müssen zusehen, dass sie aus der Grube herauskommen, die sie sich da gegraben haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Deutsche Bahn AG hat das kommunale Busunternehmen der Stadt Pforzheim niederkonkurriert. Was ist das denn für ein absurdes Geschäftsgebaren? Es ist volkswirtschaftlicher Unsinn, dass wir ein Bundesunternehmen gegen kommunale Unternehmen in Stellung bringen.

(Beifall bei der LINKEN – Michael Donth [CDU/CSU]: 8 Millionen im Jahr billiger! 8 Millionen!)

Wir brauchen endlich ein Ende dieses blödsinnigen Börsen- und Privatisierungskurses der Bahn.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Bahn muss dafür sorgen, dass viele Angebote in der Fläche gemacht werden, dass die Angebote bezahlbar werden, dass getaktet wird usw., und die Politik muss dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen stimmen. Es ist einfach nicht wahr, dass der Bundesverkehrswegeplan ein Schienenausbauprogramm ist. Quatsch! Es ist vor allen Dingen ein Straßenausbauprogramm. Sie wissen ganz genau, dass die Kritik der Verbände – und nicht nur der Umweltverbände, sondern vieler Verkehrsverbände, auch regionaler Verkehrsunternehmen – völlig berechtigt ist, dass in die Bahn viel zu wenig investiert wird, dass die Investitionen nicht ordentlich geplant sind und dass wir damit weiterhin das Problem haben, dass die Straße zugunsten der Schiene ausgebaut wird.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir fordern, dass das Projekt, das die Grünen vorschlagen, endlich in Angriff genommen wird, nämlich eine Reform der Bahnreform. Wir haben das schon vor zwei Jahren anlässlich von 20 Jahren Bahnreform gefordert. Die Reformkommission ist eine gute Idee. Entscheidend ist, wer drinsitzt. Selbstverständlich müssen die Kommunen und Länder drinsitzen. Selbstverständlich müssen Bahnfachleute drinsitzen. Selbstverständlich müssen Vertreter der Beschäftigten drinsitzen, ebenso die hervorragenden Eisenbahninitiativen, die tolle Vorschläge machen, was man konkret tun könnte, um die Bahn zu verbessern. Das heißt, es muss eine Demokratisierung der Bahn stattfinden, damit die Bahn den Bedürfnissen der Bevölkerung wirklich gerecht wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Zum Schluss möchte ich noch sagen, dass ich es extrem bedauerlich finde, dass die SPD offensichtlich zugestimmt hat, dass der Vertrag von Bahnchef Grube verlängert wird, obwohl deutlich erkennbar ist, dass er die Bahn nicht vorwärtsbringt, dass seine Fernverkehrsstrategie nicht realisiert wird. Sie haben zugestimmt, dass Pofalla sein Nachfolger wird. Ich weiß überhaupt nicht, was das soll. Warum sorgen Sie nicht dafür, dass an der Spitze der Deutschen Bahn AG, des größten öffentlichen Unternehmens, erfolgreiche Eisenbahnunternehmer stehen

(Kirsten Lühmann [SPD]: Ich finde es spannend, was Sie alles wissen, wo wir zugestimmt haben! Das wissen wir ja nicht!)

und nicht Leute aus der Automobilindustrie und aus anderen Bereichen,

(Beifall bei der LINKEN)

deren Herzensanliegen vielleicht der Bilanzgewinn und EBIT ist, aber nicht, wie die Leute umweltverträglich und klimafreundlich mobil sein können?

Danke.

(Beifall bei der LINKEN)