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Rede von Richard Pitterle zu Protokoll gegeben am 19.01.2017

Rede von Richard Pitterle,

Ich hätte heute gern über den Schutz des Lohnes der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Insolvenz ihres Betriebs geredet. Doch scheinbar können sich der Bundesjustizminister und der Bundesfinanzminister beim Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung nicht einigen. Und so ist nun schon mehr als ein Jahr vergangen, seit der Koalition die Erleuchtung kam, dass es für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erhebliche „Ungewissheiten“ gibt, ob sie ihren sauer verdienten Lohn bei einer Insolvenz behalten dürfen. Diese Ungewissheit wird wohl zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weiter andauern.

Ungewissheiten für die Finanzindustrie hat die Große Koalition übrigens erst kürzlich im Hauruckverfahren mit Änderungen der Insolvenzordnung ausgeräumt. Die Gesetzgebung hat vom Entwurf bis zur Verabschiedung nicht einmal ein halbes Jahr gedauert.

Und auch heute beraten wir wieder Änderungen des Insolvenzrechts. Genauer gesagt: des internationalen Insolvenzrechts. Das ist der Teil, der sich mit Insolvenzen beschäftigt, die nicht auf Deutschland beschränkt bleiben.

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, Sie merken, welche Prioritäten im SPD-geführten Justizministerium gesetzt werden.

Das internationale Insolvenzrecht ist ohne Frage eine spannende und wichtige Materie. Nur ist es müßig, die vielen Fragen, Probleme und Regelungsbestandteile hier debattieren zu wollen. Denn das internationale Insolvenzrecht ist, jedenfalls mit Blick auf die Europäische Union, schon durch den europäischen Gesetzgeber geregelt worden. Die Europäische Insolvenzverordnung gilt als Gesetz in jedem Mitgliedstaat unmittelbar. Der Deutsche Bundestag muss sich darauf beschränken, nationale Gesetze so anzupassen, dass die europäische Verordnung möglichst reibungslos in der Praxis zur Geltung kommt.

Das vorliegende Gesetz ist ein solches Durchführungsgesetz. Es enthält viele Verfahrens-, Form- und Zuständigkeitsregeln, deren Sinnhaftigkeit besser von Insolvenzverwaltern, Insolvenzrichtern und Rechtspflegern beantwortet werden kann als von Politikern. Daher wird der Rechtsausschuss des Bundestages auch um eine Anhörung von Sachverständigen aus diesen Reihen nicht herumkommen. Bisherige Stellungnahmen der Praxis zeigen nämlich, dass es noch Verbesserungsbedarf gibt.

Mit dem vorliegenden Gesetz wollen Sie nebenbei auch die Strafvorschrift zur Insolvenzverschleppung verbessern. Dieser Schritt ist allerdings längst überfällig. Namhafte Rechtswissenschaftlicher halten § 15a Absatz 4, 5 InsO für „nahezu unbrauchbar“. Das ist für jede Rechtsvorschrift ein beschämender Befund. Für Strafvorschriften, an die die Verfassung besonders hohe Maßstäbe anlegt, ist ein solcher Befund jedoch katastrophal. Es bleibt jedoch Ihr Geheimnis, worin die Verbesserung bestehen soll. Dass nun statt des „nicht richtigen“ Insolvenzantrages der „nicht vollständige“ mit Strafe belegt werden soll, verbessert jedenfalls die von Ihnen zutreffend erkannte ausufernde Anwendung nicht. Nicht jede fehlende Angabe kann allerdings bestraft werden. Aber wo die Grenze der Bestrafung ist, bleibt weiterhin offen. Durch die Begrenzung der Strafbarkeit auf den „nicht vollständigen“ Antrag, der bisher als „nicht richtiger“ Antrag von dieser Vorschrift bereits erfasst wurde, drängt sich dem Rechtsanwender die Frage auf, ob Falschangaben, die bisher einen „nicht richtigen“ Antrag ausmachen konnten, zukünftig zu einem „nicht vollständigen“ Antrag führen. Nicht zuletzt wäre die Vorschrift systematisch ohnehin besser im bereits vorhandenen Abschnitt des StGB mit dem Titel „Insolvenzstraftaten“ aufgehoben.