Im Jahr 2014 eskalierte ein seit der Einführung der Insolvenzordnung im Jahr 1999 schon lange schwelender Streit unter Rechtsgelehrten zwischen dem Bundesarbeitsgericht und dem Bundesgerichtshof in Zivilsachen. Beide Gerichte hatten unabhängig darüber zu befinden, unter welchen Voraussetzungen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihren Arbeitslohn im Falle der Insolvenz ihres Arbeitgebers behalten dürfen.
Ja, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, Sie haben richtig gehört. Leider dürfen Sie sich nicht darauf verlassen, dass Sie für Ihre Arbeit auch entlohnt werden, wenn erstmal der Kuckuck am Schreibtisch Ihres Chefs klebt. Wenn die Insolvenz eintritt, spielt es keine Rolle mehr, ob Sie sich für Ihren Chef und das Unternehmen Monate vorher von früh bis spät bis zum Burn-out abgerackert haben, um den Rubel am Rollen zu halten. Dann heißt es Pech gehabt – Geld zurück, hinten anstellen und mit Banken und anderen Geschäftspartnern um die wenigen guten Linsen im Töpfchen streiten.
So profan formuliert es das Gesetz natürlich nicht. Salbungsvoll ist von Insolvenzanfechtung, kongruenter Deckung oder Bargeschäftsprivileg die Rede – ein Gesetz, das für betroffene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in etwa so verständlich ist wie die Einstein’sche Relativitätstheorie. Und über allem schwebt der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung vom Elfenbeinturm herunter. Ein Prinzip, das nicht zwischen den Starken und Schwachen differenziert, sondern einfach alle über den gleichen Kamm schert und daher wenig mit dem verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und dem Sozialstaatsprinzip gemein hat.
Das Bundesarbeitsgericht kennt die Sorgen und Nöte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus der Praxis. Es entscheidet im Gegensatz zum Bundesgerichtshof mit Unterstützung von ehrenamtlichen Richtern aus den Reihen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Und das Bundesarbeitsgericht hat sich 2012 – gegen die überwältigende Mehrheit der Stimmen in der juristischen Welt – dafür stark gemacht, Arbeitslohn im Falle der Insolvenz besser als bisher zu schützen. Der Bundesgerichtshof hat die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts mit technokratischer Kälte in der Luft zerrissen und damit große Rechtsunsicherheit bei allen hinterlassen.
Ende 2015 sind die Sorgen und Nöte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer endlich auch bei der Bundesregierung angekommen. Mit dem vorliegenden Gesetz hat man sich entschlossen, dem Bundesarbeitsgericht zu folgen. Ein langer Zeitraum der Hilflosigkeit, wenn man bedenkt, dass 9 von 10 Unternehmensinsolvenzen Klein- und Kleinstbetriebe betreffen, in denen die Wertschöpfung fast ausschließlich aus der Arbeitskraft von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern folgt.
Dass es auch schneller gehen kann, hat die große Koalition erst kürzlich bei der Änderung der Insolvenzordnung zum Schutz der Finanzindustrie beim sogenannten Liquidationsnetting gezeigt: Es dauerte nicht einmal ein halbes Jahr vom Problem zum verabschiedeten Gesetz.
Wir begrüßen, dass das vorliegende Gesetz den Arbeitslohn der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zukünftig endlich besser schützt als bisher. Dennoch müssen wir uns enthalten. Ihr Gesetz reicht eben nicht aus, den Arbeitslohn dem Zugriff des Insolvenzverwalters zu entziehen. Auch zukünftig gibt es Mittel und Wege, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer um ihren Lohn zu bringen.
Für die Linke ist das nicht akzeptabel. Arbeitslohn darf niemals zur Disposition von Gläubigern und Insolvenzverwaltern stehen. Ohne das Engagement der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gäbe es schlicht keine Unternehmen. Schützen Sie den Arbeitslohn und Arbeitnehmerinnen wie Arbeitnehmer bedingungslos vor Gläubigern, und Sie können auf unsere Unterstützung zählen.