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Rede von Richard Pitterle am 20.10.2016

Rede von Richard Pitterle,

Für das Jahr 2016 gehen Schätzungen davon aus, dass Schwarzarbeit im Wert von 336 Milliarden Euro in Deutschland erbracht wird. Das entspricht ungefähr 70 Milliarden Euro Einnahmeausfällen des Staates bei Steuern und Sozialversicherung. Mit Fug und Recht muss man sagen: Schwarzarbeit ist kein Kavaliersdelikt, sondern Kriminalität, die allen schadet. Nun ist das aber kein neues Phänomen. So beraten wir heute einen Gesetzentwurf mit dem ambitionierten Ziel, die Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung zu stärken.

Zweifellos ist das dringend nötig. Vor 14 Jahren betrug das Volumen der Schwarzarbeit 350 Milliarden Euro. Das ist nur scheinbar mehr als heute. Aber Schwarzarbeiter führen keine Bücher, sodass nur der Befund bleibt: Es hat sich nichts geändert. Schlimmer noch: Das derzeitige Vorgehen gegen Schwarzarbeit entpuppt sich als vollkommen ineffektiv. Nach der amtlichen Statistik für das Jahr 2015 der Zollverwaltung, die für die Bekämpfung zuständig ist, wurden 130 000 Ermittlungsverfahren eingeleitet, 43 000 Arbeitgeber geprüft, 360 000 Befragungen durchgeführt und eine Schadenssumme von knapp 1 Milliarden Euro aufgedeckt. Das klingt nach viel, entspricht aber nur einer Aufklärungsquote im unteren einstelligen Prozentbereich. Dieser Befund ist erschütternd. Das von SPD und Grünen 2004 vollmundig auf den Weg gebrachte reformierte Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung kann nur als gescheitert betrachtet werden. Der vorliegende Entwurf wird daran nichts ändern.

Natürlich begrüßen wir, dass Sie das Gesetz um in der Praxis irrelevante Ordnungswidrigkeiten und Strafnormen bereinigen. Aber das machen Sie nicht konsequent. Ob Gewerbeordnung, Handwerksordnung oder Mindestlohngesetz, all diese Gesetze enthalten bereits Ordnungswidrigkeiten und Strafnormen, die nicht wiederholt werden müssen.

Natürlich beglückwünschen wir Sie auch zu der Erkenntnis eines Jurastudenten im zweiten Semester, dass im Verwaltungsrecht Aufgabennorm nicht gleichbedeutend mit Befugnisnorm ist, wenn Sie mit dem vorliegenden Entwurf nun nach zwölf Jahren endlich den adressierten Ordnungsbehörden auch Rechte zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben einräumen. Natürlich sind wir beeindruckt, dass Sie es nach mehr als einem halben Jahr schon schaffen, eine Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen auch in diesem Gesetz nachzuvollziehen. Den Rechtsanwender freut es; denn nun verweist § 21 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes bald nicht mehr ins rechtliche Nirvana.

Wie so oft in der Regierungszeit der großen Koalition aus SPD und CDU/CSU ist auch hier bereits der Titel nur eine Mogelpackung. Er soll darüber hinwegtäuschen, dass es sich nur um einen Minimalkonsens ohne ernsthaften Regelungsgehalt für einen weiteren Haken im Koalitionsvertrag handelt. Der weitaus größte Teil der Schwarzarbeit wird in Form organisierter Kriminalität und rund um das Baugewerbe geleistet. Vor diesem Hintergrund war schon der Ansatz des Gesetzgebers 2004 vollkommen falsch, mit „Öffentlichkeitsarbeit“ und der Schaffung eines „Unrechtsbewusstseins in der Bevölkerung“ Schwarzarbeit bekämpfen zu wollen.

Der organisierten Kriminalität sind Ihre Öffentlichkeitsarbeit und das Unrechtsbewusstsein der allgemeinen Bevölkerung völlig schnuppe, wie nicht zuletzt die Zahlen belegen. Solange Sie aber die hochqualifizierten Beamten des Zolls vergessene Gewerbeanmeldungen und verpennte Reisegewerbekarten prüfen lassen, solange der Häuslebauer mit seinem Handwerker ohne Meisterbrief im Fokus der Ermittlungen steht und als „Schwarzarbeiter“ genauso behandelt und kriminalisiert wird wie Menschenhändler und Sklavenhalter auf Großbaustellen, ist der Kampf gegen Schwarzarbeit verloren. Nur wenn die begrenzten personellen und sachlichen Ressourcen mit Blick auf das organisierte Verbrechen gebündelt werden, wird sich auch ein Erfolg im Kampf gegen die Schwarzarbeit einstellen. Dafür ist aber Ihr Gesetzentwurf völlig ungeeignet.