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Rede von Niema Movassat am 15.12.2016

Rede von Niema Movassat,

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Insbesondere werte Abgeordnete der Regierungsfraktionen, ich habe heute einen fast unwiderstehlichen Investitionstipp für Sie: Sie zahlen 1 000 Euro ein und bekommen 1 Million Euro zurück. Was müssen Sie tun? Sie geben 1 000 Euro einem Hedgefonds, der sich darauf spezialisiert hat, Staatsschulden zu viel Geld zu machen. Diese Hedgefonds, auch „Geierfonds“ genannt, pressen hochverschuldeten Staaten Geld ab, das diese gar nicht haben. Wie das funktioniert?

Erster Schritt: Der Geierfonds kauft von Gläubigern ausstehende Staatsschulden, an deren Rückzahlung die Gläubiger ohnehin nicht mehr glauben. Er kriegt diese Staatsschulden, da sie ja als faktisch wertlos gelten, zu einem Ramschpreis.

Zweiter Schritt: Der Geierfonds bezahlt teure Anwaltsbüros, die den verschuldeten Staat auf sofortige Rückzahlung dieser Staatsschulden verklagen, plus jährliche Zinszahlungen von bis zu 100 Prozent. Weigert sich der Staat, diesen Forderungen nachzukommen, lässt der Geierfonds Staatseigentum im Ausland – wie Schiffe oder Flugzeuge – konfiszieren und treibt diesen Staat zudem in die Zahlungsunfähigkeit.

Wenn dieser Geierfonds ein Land ausgewählt hat, das dem enormen Druck nicht standhält oder – wie im Fall Argentiniens – das Glück hat, dass eine linke Regierung von einer rechten abgelöst wird, dann klingelt die Kasse. Im Fall von Argentinien haben die Hedgefonds Traumrenditen von bis zu 1 000 Prozent erzielt. Für ihre 1 000 Euro bekommen sie 1 Million Euro zurück. Es ist eine schier unfassbare Gier, der endlich ein Riegel vorgeschoben werden muss.

Um diese horrenden Forderungen bedienen zu können, muss der betroffene Staat Sozialausgaben massiv kürzen. Für die Menschen vor Ort bedeutet dies im Normalfall Arbeitslosigkeit, Wegfall von Renten, Armut und Elend. Damit sich einige wenige Anleger die Taschen fett füllen können, wird gesellschaftliches Elend für Millionen produziert. Es ist eine Schande, dass diese Bundesregierung diesem Recht des Stärkeren bisher keine wirksamen gesetzlichen Maßnahmen entgegensetzt.

(Beifall bei der LINKEN)

Argentinien ist nicht das einzige Opfer der Geierfonds. Liberia, Peru, Sambia, Nicaragua oder der Kongo – es sind vor allem arme Staaten, auf die sich diese Fonds stürzen, weil sie eine besonders leichte und hilflose Beute darstellen. Deshalb unterstützen wir als Linke alle Forderungen des Antrags der Grünen, um den Geierfonds endlich das Handwerk zu legen.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Zugleich muss die Bundesregierung aber mit dem Schäuble’schen Mantra brechen, das auf die Rückzahlung sämtlicher Staatsschulden beharrt, koste es, was es wolle. „Verkauft doch eure Inseln, ihr Pleite-Griechen“ – besser als mit dieser Bild- Schlagzeile kann man die rücksichtslose Haltung von Finanzminister Schäuble gegenüber hochverschuldeten Staaten nicht auf den Punkt bringen. Wo die Schulden herkommen – uninteressant. Wie das Geld für die Schuldentilgung aufgebracht wird und welches menschliche Elend dies verursacht – egal. Dass selbst der IWF Schuldenschnitte für diese Länder fordert – geschenkt. Diese deutsche Haltung gegenüber Griechenland, Argentinien und anderen Staaten ist fatal und muss endlich aufhören.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Um den Kreislauf von Schulden und Ausbeutung zu brechen, hat meine Fraktion im letzten Jahr einen Antrag eingebracht, der ein internationales Staateninsolvenzverfahren fordert. Ebenso wie für Privatpersonen und Unternehmen brauchen wir für hochverschuldete Staaten ein klares Verfahren, wie sie ihre Schuldenlast auf ein erträgliches Ausmaß reduzieren können.

Die Linke ist mit dieser Forderung nicht alleine: Die G-77-Staaten haben diesen Vorschlag in die UN-Generalversammlung eingebracht. Die Bundesregierung war eine von nur elf Regierungen, die diesen Antrag abgeschmettert haben. Sie beharrt damit auf dem Recht des Stärkeren. Dies ermöglicht auch, dass Geierfonds von wehrlosen Staaten Renditen von 1 000 Prozent erpressen. So darf es nicht weitergehen. Eine Politik, die Anstand und wirtschaftspolitischen Weitblick hat, muss ein Staateninsolvenzverfahren ermöglichen und Antigeiergesetze auf den Weg bringen.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])