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Rede von Karin Binder am 30.09.2016

Rede von Karin Binder,

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die deutsche Landwirtschaft steckt in einer Krise. Das sehen wir am Preisverfall von Fleisch und Milch; das sehen wir aber auch anhand von Bildern über unzumutbare Verhältnisse in deutschen Ställen – damit verbunden sind Qualen für die Tiere –, und das sehen wir an der zunehmenden Unwirksamkeit von Antibiotika, die in unserer heutigen Medizin ein ganz wichtiger Bestandteil bei der Behandlung von Infektionen und Krankheiten sind. Dazu wird meine Kollegin Kathrin Vogler nachher noch mehr vortragen.

Antibiotikaresistenzen haben zwei fatale Wirkungen: Erstens sind gefährliche bakterielle Erkrankungen von Menschen und Tieren immer schwieriger zu bekämpfen und zu heilen, und zweitens kosten die Folgen, die nicht mehr wirksame Antibiotika verursachen, die Krankenkassen und die Steuerzahler jährlich Milliarden Euro.

Die Union und die SPD fordern nun mit ihrem Antrag in einer langen Liste mehr Vorsorge, bessere Überwachung, mehr Aufklärung und mehr Forschung, um den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung zu verringern. Das ist alles richtig; die Frage ist nur: Warum weigert sich die Regierungskoalition, die eigentlichen Ursachen der hohen Erkrankungszahlen in den Tierställen wirksam zu bekämpfen?

Herr Minister, Sie haben es gerade angesprochen: Wir müssen uns auch der Vorsorge zuwenden. Ich behaupte eines: Wenn Sie sich zuallererst und mit wirklicher Priorität der Vorsorge zuwenden, dann können Sie damit vieles von dem vermeiden, was man als Folgewirkung zu bekämpfen hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Die krankmachende Intensivtierhaltung ist unser Problem; da müssen wir ran. Wenn wir die Gefahren ernst nehmen und der zunehmenden Antibiotikaresistenz entgegentreten wollen, müssen wir die Haltungsbedingungen von Schweinen, von Rindern, von Geflügel ändern.

(Beifall bei der LINKEN)

Je größer die Ställe und je dichter der Tierbestand an einem Standort, umso größer ist der Stress der Tiere, umso größer die Gefahr, dass die Tiere krank werden, und umso größer ist die Gefahr von Ansteckung und einer Ausbreitung der Krankheiten. Der massive Einsatz von Antibiotika ist damit vorprogrammiert, weil nämlich vorsorglich der ganze Bestand medikamentiert wird.

Deshalb hilft uns mehr Monitoring, helfen uns mehr Forschungsgelder und mehr Info-Flyer nur am Rande. Das Problem werden wir so nicht in den Griff bekommen. Das Problem ist nur zu lösen, wenn wir erstens endlich Bestandsobergrenzen für den Standort und die Region definieren und wenn wir zweitens die Bestandsdichte verringern.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Artgerechte Haltungsformen in kleineren Gruppen mit ausreichend Platz, mit Auslauf und mit frischer Luft müssen zur Regel werden,

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wer behauptet, die Verwirklichung des Grundsatzes „Vorsorge statt Antibiotika“ koste zu viel Geld, liegt falsch. Tierhaltung, die auf das Wohl der Tiere und die Umwelt keine Rücksicht nimmt, kommt die Gesellschaft durch Umweltbelastung, durch belastetes Trinkwasser und durch hohe Kosten im Gesundheitswesen teuer zu stehen. Tierhaltung muss verpflichtend so ausgerichtet werden, dass ein denkbar geringer Einsatz von Medikamenten ausreicht.

Ich möchte hier auch noch auf einen Brief hinweisen, den verschiedene Tierärzteorganisationen Anfang September an das Ministerium und an das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit geschickt haben. Ich kann mich den Fragen der Tierärzte anschließen. Ich möchte sie hier ganz kurz vortragen:

"Welche Änderungen der Kriterien zur Erfassung der Antibiotika-Abgaben an Tierärzte und Tierärztinnen werden Sie veranlassen?"

"Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um den Einsatz von Antibiotika in der Massen-Tierhaltung generell und insbesondere der „Reserve-Antibiotika“ nachhaltig zu reduzieren?"

"Werden Sie sich für ein Verbot der Verwendung von „Reserve-Antibiotika“ in der Massen-Tierhaltung einsetzen?"

Ich denke, es gibt noch viel zu beraten. Das werden wir im Ausschuss und auch in einer weiteren Debatte tun. Ich hoffe, dass wir noch ein paar Ergänzungen im Antrag der Koalition vornehmen können.

Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)