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Rede von Jörn Wunderlich zu Protokoll gegeben am 16.02.2017

Rede von Jörn Wunderlich,

Wir müssen uns folgende Situation vorstellen: Ein Ehepaar sitzt zuhause auf der Couch, sie schauen eine Fußballübertragung im Fernsehen an und die Ehefrau regt sich derart über den Schiedsrichter auf, dass sie einen Herzinfarkt bekommt, zusammenbricht, ins Koma fällt und mittels Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht werden muss.

Nun wird bei ihr eine Erkrankung festgestellt, die der Behandlung bedarf, sie selbst ist aber nicht mehr in der Lage, darüber zu entscheiden. Der Ehemann steht hilflos daneben. Denn nach geltender Rechtslage können Ehegatten und ebenso Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft weder Entscheidungen über medizinische Behandlungen für ihren nicht mehr selbst handlungsfähigen Partner treffen noch diesen im Rechtsverkehr vertreten, solange sie nicht als rechtliche Betreuer ihres Partners bestellt werden oder von ihm im Rahmen einer Vorsorgevollmacht hierzu wirksam bevollmächtigt worden sind.

Doch oftmals wird der Gedanke an die Erteilung einer Vorsorgevollmacht – gerade bei jüngeren Menschen – verdrängt und auf „später“ verschoben. „Das müssen wir auch noch mal regeln“, höre ich immer wieder.

Nach einem Unfall oder einer unerwarteten schweren Krankheit bedarf es dann erst eines gerichtlichen Verfahrens auf Betreuerbestellung, um dem Ehegatten oder Lebenspartner auch in rechtlicher Hinsicht beistehen zu können. Untersuchungen zeigen, dass die meisten Bürger sich eine Besorgung ihrer Angelegenheiten und Vertretung durch ihren Partner bei eigenem Unvermögen wünschen und dass die meisten Menschen – leider irrig – zudem davon ausgehen, dass ihr Partner sie in diesem Fall auch qua Gesetz vertreten darf.

Der Gesetzentwurf schafft zur Lösung dieses Problems, für den Bereich der Gesundheitssorge und in der Fürsorge dienenden Angelegenheiten, eine gesetzliche Annahme der Bevollmächtigung zwischen Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern für den Fall, dass der vertretene Ehegatte oder Lebenspartner weder im Rahmen einer ausdrücklichen Vorsorgevollmacht etwas anderes bestimmt noch einen entgegenstehenden Willen geäußert hat. Der Ehegatte oder Lebenspartner soll hierbei denselben Bindungen unterliegen wie ein – ausdrücklich – Vorsorgebevollmächtigter. Ein der Vertretung durch den Partner entgegenstehender Wille soll als Widerspruch in das Zentrale Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer eingetragen werden können.

Die Vorsorgevollmacht ist und bleibt ein wichtiges Instrument, um selbstbestimmt darüber entscheiden zu können, wer im Falle des Verlustes der eigenen Handlungsfähigkeit handeln und entscheiden soll; hier wird nur für den Fall des Nichtvorliegens die Person, die dem Betroffenen am nächsten steht, als Bevollmächtigter vermutet.

Der Gesetzentwurf ist grundsätzlich zu unterstützen. Ob die seitens der Bundesregierung bestehenden Bedenken hinsichtlich etwaiger Konflikte zu Artikel 12 der UN-Behindertenkonvention berechtigt sind, wird im parlamentarischen Verfahren und der bereits terminierten Anhörung zu dem Gesetzentwurf zu klären sein.

Auch hinsichtlich der Frage, ob Ehegatten und Lebenspartner immer ihrer Aufgabe als Betreuer gewachsen sind oder dass eine Ehe/Lebenspartnerschaft nur noch auf dem Papier bestehen könnte, ist die vorgesehene Regelung einer automatischen gerichtlichen Betreuung vorzuziehen. Zum einen findet diese Vollmachtsvermutung keine Anwendung, wenn die Partner nach § 1567 Absatz 1 BGB getrennt leben. Und um etwaigem Missbrauch weiter vorzubeugen, kann nach wie vor jeder seine Angelegenheiten auch nach der neuen Gesetzeslage in Form einer eigenen Vorsorgevollmacht oder einer sonstigen anderslautenden Willensäußerung abweichend regeln.

Die möglicherweise erforderlichen Änderungen oder Ergänzungen werden sich im Laufe der weiteren Beratungen ergeben. Ich freue mich darauf.