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Rede von Heike Hänsel am 22.09.2016

Rede von Heike Hänsel,

HeikeHänselDIE LINKEHeike Hänsel (DIE LINKE): Heute, nach acht Jahren bereits vorläufig angewendetem Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit den karibischen Staaten, außer Haiti, will die Bundesregierung das Abkommen ratifizieren. Der Anlass erschließt sich nicht, warum jetzt? Wir waren damals, als es um den Abschluss des CARIFORUM-Abkommens ging, als ein regionales Abkommen der EPAs, der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit den AKP-Staaten, gegen alle Abkommen, die Freihandelsabkommen sind. Bis heute wehren sich ja einige afrikanische Länder, wie zum Beispiel Tansania, gegen den Abschluss und die Erpressungsmethoden der EU im Rahmen dieses langjährigen Verhandlungsprozesses. Es sind noch nicht alle EPAs unter Dach und Fach, und das aus gutem Grund. Die Hauptkritikpunkte sind: unverantwortliche Öffnung der afrikanischen Staaten für europäische Produkte, vor allem im Lebensmittelbereich, durch massive Zollsenkungen, Streichung von Exportsteuern, die den Export von Rohstoffen in die EU erleichtern werden, gleichzeitig aber eine eigene industrielle Entwicklung in Afrika behindern, Rendezvousklauseln in den jetzt ausgehandelten Abkommen, um nach bestimmten Fristen wieder verhandeln zu müssen über sensible Bereiche wie öffentliche Beschaffung, Dienstleistungen, nichttarifäre Handelshemmnisse, Schutz privaten Eigentums, Wettbewerb und Investitionsschutz. Wir kennen diese Begriffe ja von den Auseinandersetzungen um CETA und TTIP, nichts anderes bedeuten die EPAs für die Länder des Südens. Deshalb haben wir uns dagegen ausgesprochen. Wir setzen uns für einen gerechten, entwicklungsförderlichen Handel mit dem Süden ein. Das CARIFORUM-Abkommen, das nun seit acht Jahren existiert, bietet ja eigentlich die Chance, bevor es nun von der Bundesregierung ratifiziert wird, dass man sich erst mal genauer anschauen kann, was sich dadurch in den karibischen Staaten positiv oder negativ verändert hat. Es wäre doch wichtig, dass solch eine Initiative das Entwicklungsministerium ergreift; schließlich wurden den Staaten damals ja versprochen: Wir setzen das Ganze vorläufig in Kraft und prüfen dann regelmäßig, ob die Menschen im Süden davon profitieren. – Das wäre doch Ihre Aufgabe als Entwicklungsminister, sich dafür einzusetzen.

Davon ist nun nichts mehr zu hören, und das ist typisch im Bereich der Handelspolitik. Erst mal vorläufig in Kraft setzen und dann, wenn Gras über die Sache beziehungsweise Aufregung gewachsen ist, dann das Ganze zu ratifizieren. Dies können Sie vielleicht bei den karibischen Staaten machen, da diese leider wenig Aufmerksamkeit haben, aber ganz bestimmt nicht bei CETA und TTIP!

Das CARIFORUM-Abkommen hat bisher die Dienstleistungen, Visabestimmungen und kulturelle Zusammenarbeit von der vorläufigen Anwendung ausgenommen, da hier die nationalen Parlamente gefragt sind. Binnen zehn Jahren ab Anwendung (das wäre Ende 2018) sollen 61 Prozent der EU-Exporte bei ­CARIFORUM zollfrei sein, in 25 Jahren 87 Prozent. Das EU-CARIFORUM-EPA geht in vielen Bereichen weit über WTO-Standards hinaus. Viele dieser Aspekte haben dazu geführt, dass sich die afrikanischen EPAs so lange verzögert haben. Im CARIFORUM-EPA ist es der EU gelungen, umfassende Regeln zu Investitionen in grundsätzlich allen Wirtschaftsbereichen zu verankern, insbesondere bei Direktinvestitionen und im Dienstleistungssektor. Der wirtschaftspolitische Spielraum, heimische Unternehmen in den karibischen Staaten gezielt im Wettbewerb mit überlegener ausländischer Konkurrenz zu fördern, wird weitgehend eingeschränkt. Das ist ja auch ein Ziel bei CETA und TTIP.

Die bisherige Bilanz zeigt eher geringe zusätzliche Exportchancen für CARIFORUM-Staaten durch einen freien EU-Marktzugang. Das CARIFORUM-EPA geht besonders weit, und die Linke lehnt es deshalb ab.

Die Praxis der vorläufigen Anwendung ist ein Unding und muss gestoppt werden!

Es muss ein Moratorium und ein Fenster für Neuverhandlungen für die weitere Anwendung des EU-CARIFORUM-EPA geben, zumindest für die Rendezvousklausel und weitere Liberalisierungsschritte.

Wir fordern, dass sich die Bundesregierung dafür einsetzt, dass die Europäische Union ihre Handelspolitik so ausrichtet, dass sie eine nachhaltige und eigenständige wirtschaftliche Entwicklung in der Karibikregion unterstützt. Dabei muss sie insbesondere darauf hinwirken, dass von späteren Verhandlungen über die Liberalisierung der Investitions- und Wettbewerbsregeln, des öffentlichen Beschaffungswesens sowie von öffentlichen Dienstleistungen abgesehen wird.

Die Länder des Südens brauchen Spielraum für den Aufbau eigener Wertschöpfung in den Bereichen Landwirtschaft, Industrie und Dienstleistungen. Dagegen stehen genau die EPAs und das CARIFORUM-EPA!